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Historiker Winkler zur Migrationsdebatte
"Rettung verpflichtet nicht, Menschen einwandern zu lassen"

Der Historiker Heinrich August Winkler fordert die Europäische Union auf, zwischen Migration und dem Anspruch auf Asyl zu unterscheiden. Die EU-Staaten dürften nicht mehr versprechen als sie halten können, sagte er im Dlf. Ein allgemeines Einwanderungsrecht halte keine Gesellschaft aus.

Heinrich August Winkler im Gespräch mit Benedikt Schulz |
    Der Historiker Heinrich August Winkler, aufgenommen am 05.02.2017 während der ARD-Talksendung "Anne Will" zum Thema "Die Trumpokratie - Eine Gefahr für die freie Welt?" in den Studios Berlin-Adlershof.
    Der Historiker Heinrich August Winkler (picture alliance / dpa / Karlheinz Schindler)
    "Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, als gebe es ein allgemeines Menschenrecht, das da lautet: Wir wandern jetzt in einen Staat unserer Wahl ein", so Winkler. Die Rettung von Menschenleben verpflichte nicht dazu, Menschen in die EU einwandern zu lassen. Wer diese Botschaft nach Afrika sende, handle nicht moralisch, sondern verantwortungslos. "Es wäre Selbstüberhebung zu meinen, man könne auf deutschem, französischem oder britischen Boden die Menschenrechte für alle Welt verwirklichen."
    Sorgen der Menschen nicht beschönigen oder verdrängen
    Winkler rief insbesondere Deutschland auf, sich nicht als die moralische Leitnation Europas zu gebärden. Das sei leider immer wieder geschehen, auch wegen eines deutschen Kompensationsbedarfs aufgrund der Geschichte. Andere Staaten seien da deutlich nüchterner. Winkler warnte davor, Probleme, die viele Menschen besorgten, zu beschönigen oder zu verdrängen. Wenn dies dazu führe, dass sich viele von links und aus der Mitte nach rechts wendeten, dann sei das für die politische Kultur der Demokratie hochgefährlich. Das gelte für alle westlichen Demokratien.
    "Viel tun, um objektiven Fluchtursachen entgegenzuwirken"
    Stattdessen, so Winkler weiter, könne und müsse die EU viel tun, um objektiven Fluchtursachen entgegenzuwirken. Das gelte für die europäische Agrarpolitik und für die Entwicklungshilfe. Dazu gehöre aber auch, Ursachen anzusprechen, die häufig nicht thematisiert würden: die grassierende Überbevölkerung in fast allen afrikanischen Ländern, das Fehlen von "guter Regierung" und die Korruption.