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Historiker zu Trump
"Ein Politiker, der mit Chaos und terroristischer Gefahr Politik macht"

Bei Donald Trump könne man davon ausgehen, dass er Anschläge wie in Manchester für seine Zwecke ausschlachten werde, sagte der Historiker Bernd Greiner vom Hamburger Institut für Sozialforschung im DLF. Er mache mit Chaos und Bedrohung Politik, weil er glaube, damit seinen autokratischen Führungsstil aufwerten zu können.

Bernd Greiner im Gespräch mit Anja Reinhardt |
    Donald Trump
    Mit den gängigen politischen Kategorien - Autokrat, Oligarch, Plutokrat - sei Donald Trump nicht zu messen, sagte der Historiker Greiner. (picture alliance/dpa/Foto: Michael Reynolds)
    Anja Reinhardt: Es ist schon atemberaubend, welche Schlagzeilen Donald Trump beinahe täglich macht. Heute lesen wir, dass er zwei amerikanische Geheimdienstchefs gebeten haben soll, öffentlich auszusagen, dass er keine Verbindungen zu Russland habe. Nach der Entlassung von FBI-Chef Comey, der Ermittlungen veranlasst hatte, die die Beziehungen von Trumps Wahlkampfteam zu Russland untersuchen sollten. Sollte das stimmen, widerspricht das den Grundprinzipien einer parlamentarischen Demokratie. Das Aushebeln demokratischer Strukturen können wir derzeit aber auch in anderen Ländern beobachten: in der Türkei, in Ungarn, Polen, Russland, Indien oder auf den Philippinen. Was wir in der Türkei gerade sehen, nämlich die Errichtung eines Präsidialsystems, erinnert in Teilen an das Ende der Weimarer Republik, wo ab 1930 das parlamentarische System Stück für Stück ausgeschaltet wurde.
    Ob man diese Strukturen wirklich vergleichen kann, darüber habe ich vor der Sendung mit dem Historiker Bernd Greiner vom Hamburger Institut für Sozialforschung gesprochen – und ihn angesichts des Terroranschlags in Manchester gefragt, inwiefern solche schrecklichen Ereignisse potenziellen oder schon regierenden Autokraten in ihre autoritäre Politik spielen.
    Bernd Greiner: Bei dem Fall von Donald Trump kann man davon ausgehen, dass er das für seine Zwecke ausschlachten wird. Er hat ja zum Beispiel in der Auseinandersetzung um sein Einwanderungsverbot für Muslime klipp und klar gesagt, dass alle amerikanischen Juristen, die sich gegen dieses Einreiseverbot stellen, am Ende verantwortlich zu machen sind für einen potenziellen neuen Terroranschlag in den USA. Da hat man ganz deutlich erkennen können, wie er mit dieser Gefahr, mit der Möglichkeit eines neuen Anschlags Politik macht, und das ist nur ein Abklatsch dessen, was ins Haus stehen wird, falls es dort tatsächlich dazu kommen sollte. Er ist ein Politiker, der mit Chaos, Bedrohung und terroristischer Gefahr Politik macht, weil er glaubt, dass das eine nachträgliche Begründung für die Aufwertung seines Amtes, für seinen autokratischen Führungsstil sein könnte.
    Reinhardt: Er schürt ja auch ganz gezielt Ängste und interessant ist ja vielleicht, dass in Hitlers Regierungserklärung von 1933 Hitler von einem Trümmerfeld redet, das die bisherigen Regierungen hinterlassen hätten. Das klingt in Teilen, finde ich, durchaus nach der Antrittsrede, die Trump gehalten hat, wo er ja auch von den Verwüstungen in Amerika spricht. Würden Sie diese Parallele auch ziehen?
    Greiner: Vordergründig in jedem Fall. Er bedient sich einer Rhetorik, die das alte System, um ihn zu zitieren, mit allem Möglichen überzieht, es delegitimiert und stattdessen eine Argumentation aufmacht, die da heißt, wir müssen zur Gesundung dieser Gesellschaft und aus Respekt vor dem sogenannten Volkswillen diese repräsentative Demokratie abschaffen, wir müssen alles abschaffen, was in irgendeiner Weise auch nur in die Nähe kommt der alten demokratischen institutionalisierten Verfahren, politische Meinungsbildung auf dem Wege des Kompromisses, Einbeziehung unterschiedlicher Fraktionen und so weiter und so fort. All das soll im Grunde genommen getilgt werden zugunsten desjenigen, der von sich behauptet, er könne den wahren Volkswillen lesen, was immer das sein soll.
    "Trump ist mit den gängigen politischen Kategorien, Autokrat, Oligarch, Plutokrat, nicht zu messen"
    Reinhardt: Nun halten Sie morgen zusammen mit dem Historiker Michael Wildt einen Vortrag darüber, was in den ersten 100 Tagen autokratischer Herrscher passiert und dass die ganz elementar sind für die Machtsicherung. Welche Parallelen würden Sie denn da ziehen, wenn man jetzt zum Beispiel die Weimarer Republik vergleicht mit dem, was heute in den USA passiert?
    Greiner: Wir haben diese Veranstaltung konzipiert, bevor Trump sein Amt angetreten hat, und an einem Punkt muss ich meine ursprüngliche Erwartung korrigieren, nämlich dahingehend, dass Trump zum klassischen Typus des Autokraten gerechnet werden könnte. Er hat vieles von einem autokratischen Potentaten, ist ein Selbstbild seiner Selbstbeschreibung, das stimmt. Aber andererseits haben wir es hier mit einem Politiker zu tun, der nach allen möglichen Seiten aus dem Rahmen fällt. Der ist mit den gängigen politischen Kategorien, Autokrat, Oligarch, Plutokrat, nicht zu messen.
    Ich fürchte, die "New York Times" hat den Nagel auf den Kopf getroffen, als sie gesagt hat, hier haben wir es mit einem Infantilisten im Weißen Haus zu tun, mit einer Person ohne jegliche Affektkontrolle, mit einer Person, die nur die eigene Innenwelt kennt, die überhaupt nicht in der Lage ist, mit Außenwelt zu kommunizieren, und die mit Wut und Unverständnis reagiert, wenn sich diese Außenwelt nicht nach ihren Fantasien richtet - im Grunde genommen mit einer Person, die intellektuell, moralisch und politisch völlig ungeeignet für dieses Amt ist.
    Wenn man diese Einschätzung teilt, dann stellt sich die wesentlich spannendere Frage, warum er in dieses Amt gewählt wurde, und dann muss man jenseits der Person Trump auf gesellschaftliche Entwicklungen in den USA schauen, die auf unterschiedliche Weise einem zukünftigen Autokraten in die Hände spielen können. Dann fallen einige Faktoren in den USA auf, die für die Zukunft nichts Gutes erwarten lassen und die dann in der Tat auch eine Parallelisierung zur späten Weimarer Republik erlauben, und das wollen wir versuchen, morgen Abend zu diskutieren.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.