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Historikerkommission zum Bundesnachrichtendienst
"Wie werden wir die Nazis wieder los?"

Fünf Jahre erforschte eine unabhängige Kommission die Geschichte des BND. Insgesamt habe die Untersuchung viel Banales zutage gefördert, sagte der beteiligte Historiker Wolfgang Krieger im DLF. Erstaunlich sei vor allem der späte Umgang mit NS-belastetem Personal gewesen.

Wolfgang Krieger im Gespräch mit Britta Fecke |
    Der Marburger Historiker Wolfgang Krieger.
    Der Marburger Historiker Wolfgang Krieger. (imago / teutopress)
    In den 1940er- und 50er-Jahren habe parteiübergreifender Konsens bestanden, Bürger mit nationalsozialistischem Hintergrund "so schnell wie möglich wieder in die Gesellschaft zu integrieren", erinnert Krieger im Deutschlandfunk. "Auch im öffentlichen Dienst, wenn sie die entsprechenden Qualifikationen hatten."
    Ein gesellschaftlicher Umbruch erfolgte dem Marburger Historiker zufolge Ende der 1950er-Jahre. Damals habe man festgestellt: "Oh Gott, jetzt sind so viele Nazis da, wie werden wir die wieder los?" Auch in Presse, öffentlichem Dienst oder Wirtschaft sei entsprechendes Personal vertreten gewesen, im Bundesnachrichtendienst laut Krieger "auf mittlerer Ebene in einem durchschnittlichen Anteil von 10 bis 15 Prozent".
    Gründlich Entlassungen vorbereitet
    Während der Untersuchungen habe ihn erstaunt, "mit welcher Gründlichkeit man vorging, Möglichkeiten zu schaffen, das Personal dann wieder zu entlassen". In dieser Woche wurden die ersten Ergebnisse der vom BND 2011 einberufenen "Unabhängigen Historikerkommission" über den Zeitraum von 1945 bis 1968 veröffentlicht.
    Ansonsten habe ihn, so Krieger, "die Banalität der Akten erschlagen", zu denen er Zugang hatte. Unterlagen mit geheimen Bezeichnungen hätten sich als Taxi-Rechnungen erwiesen und kaum Informationen enthalten, die es in der Öffentlichkeit nicht gegeben habe.
    Mythos vom unkontrollierten Geheimdienst
    Seit damals habe sich viel getan, betonte Krieger. Heute genieße der BND ein "gemischtes Ansehen" und sei "immer noch nicht in weiten Teilen der Gesellschaft angekommen, weil man sich schwer vorstellen kann, dass es in einer freiheitlichen Gesellschaft eine solche Organisation geben soll". Krieger nennt als Beispiel die Debatte um die Ausspähungen des US-Geheimdienstes NSA und die Rolle des BND dabei.
    Den Vorwurf eines unkontrollierten Geheimdienstes hält Krieger dennoch für unbegründet. "Das ist ein Mythos." Zwar sei die exekutive Kontrolle schwierig, doch gebe es mit Presse, Parlament und Gerichten auch andere Formen.
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