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Historische Aufnahmen
Ein Jahrhundert-Cellist

Gregor Piatigorsky war ein Ausnahme-Künstler, in seiner Heimat Russland ausgebildet, seit seiner Zeit bei den Berliner Philharmonikern international bekannt und in seiner neuen Heimat USA gefeiert. Die umfangreichste Dokumentation seines Könnens erschien jetzt bei Sony Classical.

Am Mikrofon: Norbert Hornig |
    Der Cellist Gregor Piatigorsky im Anzug sitzend mit seinem Cello, in der linken Hand hält er den Bogen, in der rechten Hand eine Zigarette
    Der Cellist Gregor Piatigorsky (RCA/Sony Music)
    Gregor Piatigorsky gehörte mit Pablo Casals und Emanuel Feuermann zu den bahnbrechenden Cellisten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Piatigorsky genießt in der Welt des Violoncellos noch heute Kultstatus. Auch viele Cellisten, die nicht bei ihm studiert und ihn nie im Konzertsaal erlebt haben, wurden nachhaltig durch sein Spiel beeinflusst. Dieses ist zum Glück auf zahlreichen Ton- und Videoaufnahmen dokumentiert.
    32 Jahre Interpretationsgeschichte
    Bei RCA Red Seal, einem Label, das heute zu Sony gehört, ist nun die bisher umfangreichste Piatigorsky-Edition erschienen. Sie umfasst sämtliche Aufnahmen, die der Cellist zwischen 1940 und 1972 für die Label RCA und Columbia gemacht hat. Die repräsentativ aufgemachte Box enthält 36 CDs, die mit neuester Digitaltechnik von den originalen Analogbändern überspielt wurden.
    Musik: Antonín Dvorák, Konzert für Violoncello und Orchester h-Moll op. 104, 2. Satz, Adagio, ma non troppo (Ausschnitt)
    Zu den legendären Klassikern mit Gregor Piatigorsky gehört die Aufnahme des Cellokonzertes von Antonin Dvorák mit dem Boston Symphony Orchestra unter der Leitung von Charles Munch, sie wurde zu einem Bestseller und hielt die Erinnerung an den legendären Cellisten immer wach.
    Solo-Cellist bereits mit 14 Jahren
    Piatigorsky wurde 1903 in der Ukraine geboren. "Grischa", wie man den Jungen damals nannte, lernte zunächst Geige bevor er im Alter von sieben Jahren zum Violoncello wechselte. Nach erstem Unterricht beim Vater ging Piatigorsky zum weiteren Studium ans Moskauer Konservatorium und verdiente sich seinen Lebensunterhalt zunächst als Musiker in Cafés, Restaurants und Nachtclubs. Mit vierzehn erkämpfte er sich die Stelle des Solocellisten am Moskauer Bolschoi-Theater und spielte im Lenin-Quartett.
    Neubeginn nach Flucht aus der Heimat
    Mit der Flucht aus der Sowjetunion im Jahre 1921 begann für den jungen Piatigorsky ein neues Leben. Über Polen kam er nach Deutschland und studierte dort noch eine Zeit lang bei Hugo Becker in Berlin und bei Julius Klengel in Leipzig.
    Als Wilhelm Furtwängler Piatigorsky 1924 als Solocellisten zu den Berliner Philharmonikern holte, waren die Weichen für die internationale Karriere gestellt. Fünf Jahre später verließ er das Orchester wieder, um sich ganz auf seine Solokarriere zu konzentrieren.
    Neuer Lebensmittelpunkt USA
    1930 debütierte Piatigorsky in Amerika, das schließlich seine Heimat werden sollte. Besonderes Aufsehen erregte er schon in dieser Zeit mit seiner Interpretation des Soloparts in "Don Quixote" von Richard Strauss. 1932 spielte Piatigorsky in Frankfurt das Werk unter der Leitung des Komponisten, der bei den Proben voller Rührung gesagt haben soll:
    Zitat:
    "Ich habe immer geträumt, das Portrait meines Helden so gespielt zu hören."
    Piatigorsky begeistert Strauss
    Nach dem überaus erfolgreichen Konzert bedankte sich Strauss dann noch einmal mit einem Brief:
    Zitat:
    "Ich danke Ihnen abermals herzlichst für Ihren wundervollen Don Quixote: technisch, musikalisch und im Ausdruck geradezu vorbildlich! Ich wünschte nur, dass Sie überall spielen können, wo das Werk unter einem guten Dirigenten aufgeführt wird."
    Piatigorksy spielte das Werk zweimal für die Schallplatte ein, 1941 mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra unter Fritz Reiner und 1953 mit dem Boston Symphony Orchestra unter der Leitung von Charles Munch.
    Musik: Richard Strauss, Don Quixote op. 35, Variation V (Sehr langsam - Don Quixotes Waffenwache und Herzensergüsse) (Ausschnitt)
    Die Piatigorsky-Edition von Sony bildet das Schaffen des großen russischen Cellisten in allen Facetten ab, sie ist eine Reise durch das Cello-Repertoire, ein Stück Interpretationsgeschichte und natürlich eine Fundgrube für Sammler. Wir erleben Piatigorsky nicht nur als auftrumpfenden Solisten mit Orchester, sondern vor allem auch als enorm anpassungsfähigen Kammermusiker. Es ist faszinierend zu sehen mit welch exzellenten Musikern er zusammen spielte. Dazu gehörten u.a. Nathan Milstein, William Primrose, Pierre Amoyal, Lenard Pennario, Rudolf Firkusny, Charles Rosen und natürlich Jascha Heifetz und Arthur Rubinstein.
    "The Million Dollar Trio"
    Piatigorsky lebte seit Anfang der 1950er Jahre in Kalifornien und wurde Nachbar von Heifetz. So konnte man gemeinsame Proben leichter organisieren. Es gibt lebhafte Schilderungen, wie es im Hause von Heifetz zuging, als dieser Freunde und Musikerkollegen zu Kammermusikabenden um sich versammelte. Oft war Piatigorsky mit von der Partie, er und Heifetz hatten sich schon 1925 kennengelernt. Als Menschen und Individuen konnten sie nicht unterschiedlicher sein – der klein gewachsene, zurückhaltende Heifetz und der extrovertiert redselige Piatigorsky mit seiner hünenhaften Gestalt. Doch wenn beide zusammenspielten, flimmerte die Luft.
    Das Repertoire für Violine und Violoncello ist begrenzt, und Heifetz und Piatigorsky wollten sich das Kammermusikrepertoire in seiner faszinierenden Breite erobern. Um größer besetzte Werke aufzuführen, bat man berühmte Kollegen hinzu, besonders gern auch den Pianisten Arthur Rubinstein. Als "Million Dollar Trio" – der Name spielt auf die hohen Gagen an, die es verlangte – ging die Formation Rubinstein-Heifetz-Piatigorsky in die Musikgeschichte ein:
    Musik: Peter Tschaikowsky, Klaviertrio a-Moll op. 50, Variation IX
    Arthur Rubinstein, Jascha Heifetz und Gregor Piatigosky: jeder von ihnen war bereits zu Lebzeiten eine Legende, und ihre Konzerte als Klaviertrio galten in den 1950er Jahren als besondere Attraktionen auf den Podien, volle Konzertsäle waren garantiert. Ihre gemeinsamen Studioaufnahmen, darunter das monumentale Klaviertrio von Peter Tschaikowsky, sind diskographische Perlen.
    Sein Spiel war Inspiration für Zeitgenossen
    Das Spiel von Piatigorsky inspirierte immer wieder auch Komponisten für das Violoncello zu schreiben. Zu ihnen gehörten Paul Hindemith, der Amerikaner Lukas Foss und Igor Strawinsky. An der "Suite Italienne" von Strawinsky arbeitete Piatigorsky sogar mit. Der Geiger Nathan Milstein war Zeuge dieser Kooperation, 1933 an Bord eines Passagierschiffes:
    Zitat:
    "Nach dem Mittagessen begab ich mich mit Piatigorsky in Strawinskys Kabine, und die beiden bastelten an der Cellostimme. Piatigorsky hatte sehr kühne, anspruchsvolle Ideen, Strawinsky hörte zu. Es war faszinierend, die beiden bei der Arbeit zu sehen."
    Und faszinierend ist auch die Aufnahme des Werkes mit Gregor Piatigorsky und Lukas Foss von 1958.
    Musik: Igor Strawinsky, Suite Italienne, 1. Introduzione. Allegro moderato
    CD-Box für Sammler und Cello-Fans
    Die Piatigorsky-Edition wendet sich an Cello-Enthusiasten mit einem Hang zum Nostalgischen, an Musikliebhaber, die noch die gute alte Langspielplatte mit den großen Covern, die oft wie Kunstwerke gestaltet waren, zu schätzen wissen. Alle Aufnahmen wurden hier in Miniaturnachbildungen der originalen LP-Hüllen in originalen LP-Hüllen in CD-Größe wieder veröffentlicht. Auf der Rückseite befindet sich der Originaltext, der allerdings nur mit einer Lupe gut lesbar ist.
    All das macht die Piatigorsky "Album Collection", die den Titel "The Art oft he Cello" trägt, zu einem begehrenswerten Sammlerobjekt. Diese ambitioniert gemachte Gesamtschau setzt einem der markantesten Cellisten des 20. Jahrhunderts ein würdiges, anziehend neu gestaltetes diskographisches Denkmal.
    Gregor Piatigorsky, der 1976 im Alter von 73 Jahren in Los Angeles starb, vermochte zu faszinieren. Dieser Riese von Gestalt spielte das Cello mit einem höchst individuellen Ausdruck, einer einzigartigen Mischung aus Brillanz, Kraft, Gefühl und Humor. Vieles davon spiegelt sich auch in seinen Einspielungen wider.
    Zu seinen berühmtesten Einspielungen gehört die Aufnahme des Cellokonzertes von William Walton. Piatigorsky hatte es in Auftrag gegeben und spielte es 1957 maßstabsetzend mit dem Boston Symphony Orchestra und Charles Munch für die
    Musik: William Walton, Konzert für Violoncello und Orchester, 2. Allegro appassionato) (Ausschnitt)
    Gregor Piatigorsky gehörte zu den bedeutendsten Cellisten des 20. Jahrhunderts. In einer Box mit 36 CDs sind jetzt bei Sony Classical erstmalig sämtliche Aufnahmen wiedererschienen, die er zwischen 1940 und 1972 für RCA und die amerikanische Columbia einspielte. Diese aufwändig gestaltete Edition ist ein Muss für Cello-Enthusiasten und Sammler.
    Gregor Piatigorsky - The Complete RCA & Columbia Recordings
    The Art of Cello
    Künstler: Gregor Piatigorsky, Valentin Pawlowsky, Ralph Berkowitz, Ivor Newton, Jascha Heifetz, Charles Rosen, Milton Thomas, Israel Baker, Arthur Rubinstein, Nathan Milstein, William Primrose, Lukas Foss, Virginia Majewski, Leonard Pennario, Pittsburgh Symphony Orchestra, Chicago Symphony Orchestra, RCA Victor Symphony Orchestra, Boston Symphony Orchestra, Fritz Reiner, Eugene Ormandy, Charles Munch, Alfred Wallenstein und weitere
    36 CDs
    Label: RCA/ Sony Music (Sony Classical) 19075832132, ADD, 1940-1968