Das Warschau-Museum feiert seine Neueröffnung am Altstadt-Markt nach jahrelangen Umbauarbeiten. Die acht innen miteinander verbundenen Bürgerhäuser der frühen Neuzeit stehen wieder für Besucher offen – und zeigen eine neue Dauerstellung zur Geschichte der Stadt: archäologische Funde aus dem Mittelalter, Tafelgeschirr von polnischen, jüdischen oder deutschen Bürgern, Porträts vom Königshof oder eines Schwarzafrikaners, der im Warschauer Aufstand 1944 gegen die Deutschen kämpfte. Gemälde vom Fortschritt im kommunistischen Wiederaufbau oder aristokratische Möbel, alte Ansichtskarten und eine historische Pfeifensammlung. Die Erklärungen sind minimalistisch, auf Szenografie und Multimedia hat man verzichtet, um die 7.332 ausgestellten Originalgegenstände in den restaurierten Altstadthäusern zur Geltung zu bringen. Jarosław Trybuś, Vizedirektor, des 1936 ursprünglich als Filiale des Nationalmuseums gegründeten Warschau-Museums:
"Wir haben uns entschlossen, an diesem Ort, der derart von der Geschichte gezeichnet, der einfach vernichtet wurde, die Dinge zu zeigen, die überdauert haben. Sie bilden die einzige Brücke aus der Vergangenheit in die Gegenwart. Die Sammlung des Warschau-Museums entstand nach dem Zweiten Weltkrieg neu. Oft haben die Ausstellungsstücke gar keinen hohen materiellen Wert, sie wurden einfach deshalb ins Museum gebracht, weil sie den Krieg überstanden hatten. Museen sind Orte für den Kontakt zu den Gegenständen."
Der Reiz des Authentischen
Die Museumsmacher setzen auf den Reiz des Authentischen. Den umgibt auch ein Porträt von Bolesław Bierut, Polens kommunistischem Parteichef und Staatspräsidenten in der Stalinära. Das Bild im Stil des sozialistischen Realismus mit Bierut vor der Warschauer Wiederaufbau-Kulisse haben nationalkonservative Medien zum Skandal erhoben. In Polen gilt fast jede Darstellung von Geschichte im Museum derzeit als brisanter politischer Akt. Der Nebeneffekt: Das Interesse ist groß, und Projekte für die Geschichte der Stadt und des Landes gibt es in Warschau einige.
Auf dem Gelände der Warschauer Zitadelle über der Weichsel plant der polnische Staat eine hauptstädtische Museumsinsel. Das 36 Hektar große Gelände ist von Ziegelmauern des frühen 19. Jahrhunderts umschlossen. Damals war Polen als Staat von der europäischen Landkarte verschwunden. Warschau stand unter dem Oberbefehl des russischen Zaren.
"Die Zitadelle ist das Symbol russischer Hegemonie. Denn sie wurde als Strafe für den November-Aufstand der Polen gegen den Zaren nach 1830 errichtet. Diese Herrschaft dauerte bis zum Ende des Ersten Weltkriegs, als polnisches Militär in die Festung einzog. Von hier aus sandte Józef Piłsudski, der Anführer des wieder unabhängigen Polen am 14. Und 15. November 1918 die Radionachricht in die Welt: 'Polen existiert'", erklärt Marek Stremecki, Pressesprecher des neuen Museums der polnischen Geschichte.
Der Staat plant eine hauptstädtische Museumsinsel
Dieses Museum sollte eigentlich zum 100. Jahrestag der Wiedergründung Polens in der Zitadelle eröffnen. Wegen diverser organisatorischer Probleme und weil bislang noch polnisches Militär über das Gelände verfügt, wird Ende 2018 wohl nur ein Rohbau stehen. Die Idee des Museums beschreibt Gründungsdirektor Robert Kostro so:
"Die Polen haben in ihrem nationalen Genotyp ein ungeheures Bedürfnis nach nationaler Souveränität. Das hat sich in Aufständen und Unabhängigkeitskämpfen niedergeschlagen, aber auch in ihrem Drang nach gesellschaftlichen Reformen, in der Kultur, in der Wirtschaft, im Sozialen. Es geht um politische Freiheiten, denn bereits im 14. Jahrhundert wählten polnische Adlige ihren König. Die Solidarität spielt in der polnischen Geschichte eine große Rolle. Aber auch die individuellen Bürgerrechte haben ihre Tradition."
Das Museum der polnischen Geschichte ist – anders als die Erneuerung des Warschau-Museums – vor allem ein Projekt der nationalkonservativen Regierung. Dieses Museum wird sich seinen Platz in der Zitadelle mit einem Neubau des 1920 gegründeten polnischen Armeemuseums teilen. Seit Jahrzehnten gibt es auf dem Militärgelände außerdem eine Ausstellung im "10. Pavillon", gewidmet den prominenten polnischen Gefangenen der damals russischen Festung, unter ihnen Józef Piłsudski. Und 2016 gibt es hier, integriert ins alte Festungswerk, das "Katyn"-Museum. Es erzählt von der Ermordung von 20.000 polnischen Militärs 1940 durch die Sowjets - und wurde 2017 für den europäischen Mies-van-der-Rohe-Architekturpreis nominiert.