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Historischer Bankraub vor 25 Jahren
Wie zehn Millionen D-Mark durch einen Tunnel verschwanden

Am 27. Juni 1995 stürmten vier maskierte Männer eine Commerzbank-Filiale in Berlin Zehlendorf. Sie nahmen 16 Geiseln und forderten 17 Millionen Mark Lösegeld. Später stellten sie immer weitere Forderungen. Was die Polizei nicht ahnte: Das Ganze war nur ein Ablenkungsmanöver.

Von Jürgen Bräunlein |
    Ein Nachbau des Fluchttunnels
    In der "Polizeihistorischen Sammlung" in Tempelhof wurde ein Teil des Tunnels, den die Bankräuber für ihre Flucht genutzt haben, nachgebaut (picture alliance/dpa/Siewert Falko)
    "Ich ziehe vor keinem Verbrecher den Hut, aber die haben uns beschäftigt. Die waren richtig gut oder professionell ausgedrückt: die hatten eine unglaubliche kriminelle Energie", sagte Martin Textor, damals Leiter des Spezialeinsatzkommandos im Nachinein über die Verbrecher.
    Dienstag, der 27. Juni 1995, 10 Uhr 15 vormittags: vor der Commerzbank-Filiale im Stadtteil Zehlendorf im Westen Berlins fährt ein weißer Lieferwagen vor. Vier Männer, maskiert und bewaffnet, springen heraus, stürmen die Bank und nehmen 16 Menschen als Geiseln. Sie verdunkeln die Fenster, legen die Überwachungskameras lahm und Handgranaten vor die Tür. Ihre Forderung: 17 Millionen Mark Lösegeld bis 17 Uhr und ein Fluchtfahrzeug. Die Polizei sperrt das Viertel ab und bildet ein schwerbewaffnetes Spezialeinsatzkommando. Was folgt, sind Telefonate, Verhandlungen, endloses Warten und weitere Verhandlungen, während sich draußen auf der Straße auch Schaulustige und Medienvertreter drängeln. Der Sender Freies Berlin berichtet live:
    "In dem Moment ist hier ein Panzerwagen vorbeigefahren, was der nun zu bedeuten hat, weiß ich nicht. Jetzt kommt noch ein zweiter Jeep gerade vorbeigefahren. Das deutet vielleicht darauf hin, dass die Polizei jetzt in Aktion tritt ..."
    Die Polizei wurde komplett getäuscht
    Die Polizei trieb 5,6 Millionen DM auf, die sie in fünf blauen Plastiksäcken vor das Gebäude brachte. Dafür erreichte sie eine Verlängerung des Ultimatums auf 3 Uhr morgens. Doch die Geiselnehmer stellten neue Forderungen. Sie verlangten von der Polizei, eine Beetumrandung aus Metall wegzusägen, damit der Fluchtwagen direkt vor dem Eingang der Bank halten konnte. Doch nach Mitternacht meldeten sich die Geißelnehmer immer seltener. Dann herrschte Funkstille. Um 3 Uhr 45 und nach über 17 Stunden nervlicher Anspannung stürmte das Sondereinsatzkommando das Gebäude und befreite die Geiseln, die alle unversehrt waren. Die Räume der Bank boten ein Bild wüster Zerstörung. 207 Schließfächer waren mit brachialer Gewalt aufgebrochen worden. Doch wo waren die Bankräuber? Detlef Büttner, damals Leiter der Sonderkommission Commerzbank erinnert sich:
    "Als das SEK meldete, die Täter sind durch den Keller geflüchtet in einen unterirdischen Gang, da haben wir uns alle an den Kopf gefasst und haben gesagt: Das kann doch nicht wahr sein!"
    "Die Tunnelgangster: Deutschlands frechster Raub", höhnten die Zeitungen. Wie sich herausstellte, hatten die Bankräuber von einer angemieteten Garage aus eigenhändig einen Tunnel gegraben, der über einen 100 Meter langen Abwasserkanal zur Commerzbank-Filiale führte. Im Kellerboden der Bank war das Einstiegsloch, von dort hatten zwei Komplizen den Fluchtweg geöffnet. Der Tunnel, vier Meter unter der Erde und mit Strom und Ventilatoren ausgestattet, war, wie die Staatsanwaltschaft später anmerkte, eine "handwerkliche Meisterleistung". Als der Tunnel während des monatelangen Baus einmal mit Regenwasser volllief, wäre einer der Bankräuber fast ertrunken. Martin Textor, damals Leiter des Spezialeinsatzkommandos:
    "Und vor allem ist mir dann auch erst klar geworden, dass die uns die Geiselnahme und einen Banküberfall eigentlich nur vorgespielt haben. Der Plan war eigentlich, die Polizei mit einer vermeintlichen Geiselnahme und einem Fluchtplan gedanklich und mit ihren Kräften zu binden, um unten in Ruhe die wohlgefüllten Schließfächer der betuchten Zehlendorfer Kunden der Commerzbank in Ruhe ausräumen zu können. Die paar Millionen, die sie von uns gefordert haben, waren im Verhältnis zu dem, was sie in den Schließfächern vorgefunden haben, sicherlich nur Peanuts."
    Polizeibeamte sichern vor 25 Jahren eine Baustelle vor der Commerzbankfiliale im Stadtbezirk Zehlendorf. Dort wurde der 70 Meter lange Tunnel freigelegt, durch den im Juni 1995 vier Geiselgangster mit einer Millionenbeute geflüchtet waren.
    Polizeibeamte sichern die Baustelle, an der der Tunnel aufgegraben wird (picture alliance/dpa/Wolfgang Kumm)
    Die Hälfte der Beute wurde gefunden
    Die Polizei konnte ihre Schlappe wiedergutmachen. Die 61-köpfige Sonderkommission Commerzbank, kurz "Coba" genannt, arbeitete schnell und effizient. Schon nach fünf Wochen hatte man sechs von vermutlich elf Bankräubern in Untersuchungshaft: drei Syrer, einen Libanesen, einen Italiener und einen Deutschen. Ein wichtiges Beweismittel war ein Schlauch, mit dem der Tunnel belüftet worden war. Dort befanden sich Fingerabdrücke, die schließlich zu den Tätern führten. Fast zwei Jahre nach dem Raub wurden sie zu Strafen zwischen zweieinhalb und dreizehn Jahren verurteilt. Von der gestohlenen Beute von 9,6 Millionen DM konnten 5,3 Millionen sichergestellt werden.
    Der Banküberfall hat Nachahmer gefunden. Am 14. Januar 2013, einem verschneiten Montagmorgen, verschafften sich Unbekannte über einen 45 Meter langen Tunnel Zugang zum unterirdischen Tresorraum einer Volksbank in Berlin Steglitz. Zehn Millionen Euro erbeuteten sie, doch im Gegensatz zu den "Tunnelgangstern" von Berlin Zehlendorf hat man bis heute keinen von ihnen gefasst.