Ist die BBC nicht besser als die Regenbogenpresse? Hat sie sich das Interview, in dem Prinzessin Diana über das englische Königshaus auspackte, mit Fälschungen und Lügen erschlichen? Mit fingierten Konto-Auszügen, die belegen sollten, dass die Royals Dianas engste Vertraute dafür bezahlten, sie auszuspionieren?
Die Vorwürfe sind nicht neu. Und ja, sie stimmen. Tatsächlich hat Martin Bashir, der mit seinem Interview-Scoop berühmt und danach sehr reich wurde, die englische Prinzessin 1995 mit solchen Dokumenten geködert. Der Grafikdesigner, den er dafür benutzte, ist Matt Wiessler. Bashir, damals noch ein unbekannter BBC-Redakteur, kannte Wiessler, weil der kurz vorher noch für die Dokumentar-Sendung Panorama gezeichnet hatte. Nun bat er um ein dringendes Treffen.
Wiessler empfing Bashir noch am selben Abend bei sich zu Hause: "Er sagte mir, dass er ein paar Kontoauszüge brauche. Er sagte: Ich habe dieses Zeug gesehen, aber ich komme da nicht ran. Und ich brauche Kopien davon. Er lehnte es ab, selbst etwas aufzuzeichnen. Er sagte: Nein nein, ich kann dir nur erzählen, wie die Papiere aussahen."
Reporter Bashir erschlich sich Dianas Vertrauen
Vor 24 Jahren hörten nicht viele Matt Wiessler zu. Damals war die Geschichte, die dieser Tage in Großbritannien Schlagzeilen macht, schon einmal auf dem Markt. Wie heute, schrieb auch damals schon die "Mail" darüber - mit allen schmutzigen Details: Wie der ehrgeizige Bashir die depressive und verängstigte Diana damit fütterte, dass selbst ihr engstes Umfeld es auf sie abgesehen hätte. Wie ihr Bruder ihn der Prinzessin vorstellte, nachdem er die gefälschten Konto-Auszüge gesehen hatte. Wie Bashir sich nach und nach Dianas Vertrauen erschlich.
Und schließlich mit seinem Interview den vielleicht größten Scoop in der BBC-Geschichte landete. Es war das Interview, in dem die von ihrem Ehemann getrennt lebende Prinzessin von Wales Charles' Beziehung mit Camilla Parker-Bowles öffentlich machte. "Wir waren zu dritt in dieser Ehe, es war etwas überfüllt," sagte sie auf Martin Bashirs Frage, ob Parker-Bowles mitschuld sei am Scheitern ihrer Ehe.
"Zerknirscht, aber ehrenwert"
Schon ein Jahr nach dem Interview war die BBC gezwungen, Bashirs Methoden unter die Lupe zu nehmen. Wegen der Berichterstattung damals gab es eine interne Untersuchung. 1996 kam Tony Hall, damals und bis vor kurzem BBC-Chef, zum Ergebnis, Bashir sei zerknirscht, er bleibe aber ein ehrenwerter und ehrlicher Reporter, der bloß nicht genug nachgedacht habe. Schon damals entschuldigte sich die BBC öffentlich. Grafikdesigner Matt Wiessler jedoch beschäftigte sie danach nie wieder.
Das sei, wie dem Stift die Schuld zu geben für einen gemeinen Brief, klagt Wiessler heute. Der BBC-Spitze sei damals der Scoop wichtiger gewesen als die Wahrheit. Genau das ist bis heute der eigentliche Skandal, sagt Tom Bower, Autor royaler Biografien: "Die BBC hat ihre eigenen Sünden verschleiert. Und zwar bis in ihre oberste Führungsetage. Sie haben Wiessler zum Sündenbock gemacht. Das ist die leichteste Übung: Leute, die etwas sagen, was ihnen nicht gefällt oder peinlich für sie ist, einfach auszublenden."
Fall soll nochmal neu untersucht werden
1996 ist die BBC noch rausgekommen aus dieser unangenehmen Angelegenheit. 2020 gelingt ihr das nicht mehr so einfach. Die neuen Zeitungsberichte, eine zweiteilige Doku über das Diana-Interview im englischen Privatfernsehen und die Neuauflage öffentlicher Vorwürfe von Dianas Bruder: All das führt jetzt zu einer neuen Untersuchung in der BBC. Intern, gleichwohl unabhängig soll sie sein, und gründlich.
Der neue BBC-Chef Tim Davie beteuert, sein Haus nehme die Sache sehr ernst und wolle zur Wahrheit vorstoßen. Davie, wie seinerzeit Tony Hall, entschuldigte sich wieder öffentlich für seinen Sender. Martin Bashir, heute Religions-Redakteur bei der BBC, konnte noch nicht befragt werden. Er erholt sich von einer schweren Herz-OP und einer Corona-Infektion. Allerdings wurde er dieser Tage in London fotografiert: Mit Tüten auf dem Heimweg von einem Take-Away.