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"Hitchcock's Blondes"
Stilikonen des Suspense

Mit seinen „Leading Ladies“ hat Regisseur Alfred Hitchcock in der Filmgeschichte einen bestimmten Typus von Frau geschaffen, der oftmals cool, mondän und emanzipiert war: "Hitchcock's Blondes". Der Filmspezialist Thilo Wydra spürt ihrer Faszination in seinem gleichnamigen Buch nach.

Thilo Wydra im Corsogespräch mit Achim Hahn |
    Szene aus dem Film "Die Vögel" von Alfred Hitchcock
    Tippi Hedren in Alfred Hitchcock's "Die Vögel" (imago stock&people / Toronto Star Entertainment Pictures)
    "Hitchcock’s Blondes" - das ist längst ein geflügeltes Wort in Filmkreisen. Ein Frauentyp, der durch Hitchcocks Inszenierung erst geschaffen wurde in Filmen wie "Das Fenster zum Hof" (mit Grace Kelly), "Die Vögel" (mit Tippi Hedren) oder "Psycho" (mit Janet Leigh) - Kultfilme, in denen auch die "Leading Ladies" zu Stars wurden.
    Seine Vorliebe für Blondinen entstamme einer alten Kinotradition, die schon auf den Stummfilm zurückgehe, um die Identifikation zu vereinfachen, erklärt Filmspezialist Thilo Wydra im Corsogespräch. "Auf der anderen Seite ist es natürlich so, dass er diesem Typus durchaus viel abgewinnen konnte."
    Grace Kelly. Filmstill
    Grace Kelly. Filmstill aus "To Catch a Thief", (© courtesy Schirmer/Mosel)
    "Grace Kelly, eine seiner Lieblingsschauspielerinnen jahrzehntelang hindurch, hat er einmal als einen schneebedeckten Berg bezeichnet, und wenn der Schnee schmilzt, entdecken wir darunter einen glühenden Vulkan," sagte Wydra weiter.
    Hitchcock war in vielem seiner Zeit voraus
    Hitchcock's Blondes zeichneten sich dadurch aus, dass sie stilvoll waren, elegant, charmant und überirdisch attraktiv. "Sie waren aber auch selbstbestimmt und - wenn man die Filme heute wieder anschaut - modern und unabhängig. Das heißt, es ist so ein Typus, der seiner Zeit voraus war," erklärte Wydra.
    Offenbar hat Hitchcock bei seinen Besetzungen immer versucht, seinem Idealbild von Grace Kelly nahe zu kommen, die er ja seit Ihrer Heirat mit Fürst Rainer von Monaco für den Film verloren hatte. "Und Hitchcock trauerte ihr nach und versuchte Schauspielerinnen zu finden, die diesem Typus, diese überirdische Eleganz, diesen Stil immer wieder neu zu besetzen."
    "Der Typus der unantastbaren, überirdischen, schönen, selbstbestimmten, modernen Frau."
    Thilo Wydra hatte auch Gelegenheit, mit Hitchcocks Tochter Patricia zu reden, die ihn als vorbildlichen Vater in Erinnerung hatte. "Er war kein abwesender Vater, der so monströs gewesen sein sollte, wie es eben eine der Hitchcock-Bondinen bis heute erzählt."
    Tippi Hedren, seine "Leading Lady" in "Die Vögel" und "Marnie", wirft ihm aber bis heute immer wieder vor: Hitchcock habe sie im Sinne von #metoo bei der Zusammenarbeit belästigt. Besonders die letzte Drehwoche von "Die Vögel" empfand sie durch die Angriffe von echten Vögeln in der sogenannten Dachbodenszene als Rache dafür, dass sie seine Annäherungsversuche abgewiesen hätte. "Diese Vögel waren mit Gummibändern und mit Drähten verbunden, so dass sie immer wieder zu ihr zurückflogen. Das wußte sie bis zum Beginn dieser Drehwoche nicht. Sie bezeichnete ihn als Sadisten, als Misogynisten, - sie geht sogar soweit zu sagen: 'He was a monster!'", sagte Wydra im Dlf.
    Auch wenn Tippi Hedren durchaus sehe, dass sie ihre Schauspielkarriere Hitchcock zu verdanken hatte, habe sie ihre Vorwürfe vor allem erhoben, als sie ihre eigenen Memoiren veröffentlichte. Hitchcock konnte sich posthum dagegen nicht mehr wehren. "Und von allen Menschen, mit denen man spricht, die am Set waren, hört man nur Gegenteiliges."
    Thilo Wydra: "Hitchcock´s Blondes", Schirmer/Mosel Verlag, München 2019. 232 Seiten, 83 Abbildungen. 39,80 €
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.