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Hitler-Attentat vor 75 Jahren
Das Erbe der Enkel

Am 20. Juli 1944 scheiterte das Attentat von Graf von Stauffenberg auf Adolf Hitler. Die mutigen Männer und Frauen rund um den Offizier wurden hingerichtet. Die Enkel der Attentäter setzen sich heute mit dem Leben ihrer Großväter auseinander und wehren sich gegen eine Vereinnahmung ihrer Vorfahren durch die AfD.

Von Claudia van Laak |
In der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin: Die Ausstellung "Stauffenberg und das Attentat vom 20. Juli 1944". Das Foto links zeigt Claus Schenk Graf von Stauffenberg und Albrecht Ritter Merz von Quirnheim im Führerhauptquartier in Winniza.
Claus Schenk Graf von Stauffenberg (li.) und Albrecht Ritter Merz von Quirnheim im Führerhauptquartier. (picture alliance/dpa/Foto: Soeren Stache)
Mehrere hundert Nachfahren der Frauen und Männer des 20. Juli treffen sich an diesem Wochenende in Berlin. Unter ihnen auch Reiner Goerdeler, Enkel von Carl-Friedrich Goerdeler. Der Jurist gehörte zu den führenden zivilen Köpfen der Widerstandsbewegung um Stauffenberg, er hätte Rechtskanzler werden sollen, wäre das Attentat auf Hitler geglückt. Für Enkel Reiner Goerdeler ist heute wichtig:
"Dass sie damals eben gewagt haben, in einem völlig anderen totalitärem, unberechenbaren System, sich für alle anderen wesentlichen Elemente demokratischer Ordnung einzusetzen."
"Das ist aus der Masse herausgetreten sind und sich gegen die Gruppendynamiken, welcher Art auch immer gestemmt haben. Und sich auf den indiviudellen Kampf mit dem eigenen gewissen eingelassen haben", sagt Sophie von Bechtolsheim, Enkelin von Claus Graf Schenk von Stauffenberg.

Kein Held, aber ein Vorbild
Der deutsche Verwaltungsjurist und Politiker Carl Friedrich Goerdeler in einer undatierten Aufnahme
Der deutsche Verwaltungsjurist und Politiker Carl Friedrich Goerdeler (picture alliance / dpa)
"Mein Großvater war kein Attentäter" heißt ihr gerade erschienenes Buch. Ein persönliche Annäherung an ihren Großvater habe sie schreiben wollen, erzählt die Historikerin Sophie von Bechtolsheim, kein wissenschaftliches Werk.
"Er muss eine sehr strahlende Persönlichkeit gewesen sein, geradezu charismatisch, sehr temperamentvoll mit einem schallenden Lachen. Der verbindlich auf Menschen zugegangen ist einerseits, andererseits im Moment der Krise sich sehr fokussieren konnte und sich der Krise mit einer äußeren Ruhe zuwenden konnte."
Die Enkelin Stauffenbergs widerspricht anderen Biographen - ihr Großvater sei sehr wohl ein politischer Kopf gewesen, es sei ihm um eine neue Ordnung gegangen, nicht um die eigene heroische Tat. Ein Held sei ihr Großvater nicht für sie, sagt Sophie von Bechtolsheim.
"Der Held ist für mich eine Comicfigur, das ist so ein Wesen, dass jede Herausforderung übersteht. Wie wir wissen, hat er das ja nicht überlebt. Wir haben alle ein Problem mit diesem Begriff. Für mich ist er ein Vorbild."

Die Witwen und Waisen der Attentäter wurden vernachlässigt
Sophie Freifrau von Bechtolsheim, Enkelin von Claus Schenk Graf von Stauffenberg bei der Buchvorstellung von Manfred Luetz und Paulus van Husen: Als der Wagen nicht kam. Eine wahre Geschichte aus dem Widerstand
Sophie Freifrau von Bechtolsheim, Enkelin von Claus Schenk Graf von Stauffenberg (imago / Reiner Zensen)
In den ersten Jahren nach dem Ende des Nationalsozialismus galten die Männer und Frauen rund um Stauffenberg mitnichten als Vorbilder, geschweige denn als Helden. "Ihr trugt die Schande nicht" – Die frühe Erinnerung an den 20. Juli 1944 – lautet der Titel einer gestern eröffneten Ausstellung in Berlin. Johannes Tuchel, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand:
"Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer galten lange Zeit noch als Verräter, als Eidbrecher. Es gab eine völlig unzureichende Versorgung der Witwen und Waisen, es gab eine öffentliche Anerkennung, die keine öffentliche Anerkennung war. Es gab Diffamierungen unterschiedlichster Art, es gab keine klaren politischen Bekenntnisse."

Politischer Vereinnahmung entgegentreten
Die Historiker Peter Steinbach und Johannes Tuchel, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand am 26.06.2014 in der Dauerausstellung in Berlin.
Die Historiker Johannes Tuchel, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand (picture alliance / dpa / Jörg Carstensen)
Der Historiker wehrt sich gegen eine Vereinnahmung von NS-Widerstandskämpfern durch die Identitäre Bewegung, durch Pegida oder die AfD. Schon dass die AfD den Begriff "Widerstand" nutze, sei völlig an den Haaren herbeigezogen. Der sonst sehr sachlich auftretende Johannes Tuchel wird plötzlich emotional.
"Völliger Blödsinn! Sophie Scholl habe Widerstand gegen den Zeitgeist geleistet und genau dies tue auch heutzutage die AfD. Nein, Sophie Schol hat Widerstand gegen eine Diktatur geleistet und das ist etwas grundsäztlich anderes."
Jeder politischen Vereinnahmung der Männer und Frauen des 20. Juli 1944 müsse man entgegentreten, so der Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Eigentlich eigne sich der Widerstand gar nicht für eine Instrumentalisierung.
"Denn er ist sperrig. Er zeigt das Verhalten von Menschen in Diktaturen und er zeigt ja vor allem, dass die Menschen nicht widerstanden haben, sondern der Diktatur gefolgt sind."