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Hitler und die Muslime

Schon Hitlerdeutschland paktierte mit antisowjetisch eingestellten muslimischen Kombattanten zur Durchsetzung seiner Kriegsziele, was weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Stephan Meinings Buch "Eine Moschee in Deutschland" sieht in diesem Bündnis sogar die Keimzelle für die Ausbreitung des radikalen Islam in Deutschland.

Von Paul Stänner | 18.04.2011
    Vierzig Jahre nach der Gründung der "Moscheebau-Kommission" raste ein Verkehrsflugzeug in das New Yorker Word Trade Center. Wenige Wochen später stellten die Vereinten Nationen zahlreiche Männer aus der ganzen Welt unter Terrorverdacht. Eine dieser Personen war der Präsident der "Islamischen Gemeinschaft in Deutschland", Ghaleb Himmat. Er war einer der Männer, die am 6.März 1960 den Grundstein für den politischen Islam in Deutschland legten.

    Mit diesen Sätzen aus dem Vorwort ist der Anlass-gebende Verdacht, oder auch nur die Verdächtigung, oder auch nur die Mutmaßung einer Verdächtigung ausgesprochen. Die Frage lautet: Ist die Moschee in München, deren Gründung 1960 unter anderen von Ghaleb Himmat initiiert wurde, eine Schaltstelle des politischen Islam, oder gar des islamistischen Terrors? Und: Wie konnte es dazu kommen?

    Der 6.März 1960 war ein nasskalter Tag. In den Münchner Hausbergen fiel Neuschnee, und der Wetterbericht sagte weiterhin winterlich kalte Nächte voraus. Ausgerechnet an diesem ungemütlichen Sonntagabend wollte sich in der Münchener Altstadt eine kleine Gruppe von Muslimen treffen. Ihr Glaube hatte die sieben Männer kurz zuvor zusammengeführt.

    Stefan Meining schreibt über Nazis, Geheimdienste und den politischen Islam - und oft klingt das wie in einem Roman des James Bond-Erfinders Ian Fleming.

    Die sieben Muslime konnten nicht ahnen, dass sie zu später Stunde an einem Münchener Wirtshaustisch den Grundstein des politischen Islam in Deutschland und zu einem guten Teil in der westlichen Welt legten.

    Stefan Meining, Redakteur des Fernsehmagazins Report München beschreibt den Aufstieg der islamischen Gemeinschaft in Deutschland aus den Trümmern des Nazi-Reiches. Um arisches Blut zu schonen, dass, je länger der Krieg dauerte, umso knapper wurde, hatten die Nazis in den Ländern Sowjetrusslands aus Angehörigen der moslemischen Turk-Völker Hilfseinheiten gebildet. Man verstand sich offenbar prächtig, - wie Stefan Meining schreibt: So hatte ein Mullah sich seinerzeit zu dem Satz hinreißen lassen:

    Gott hat Hitler und seine Armee als Befreier geschickt.

    Auch Adolf Hitler sei von seinen muslimischen Unterstützern begeistert gewesen. Denn ihr gemeinsamer Nenner sei der Hass auf Stalin und das Sowjetsystem und so wurde der Feind des Feindes ein akzeptabler Freund. Der Krieg ging bekanntlich verloren, besonders schrecklich waren die Auswirkungen für die Muslime aus der Sowjetunion. Sie wurden einer alliierten Vereinbarung gemäß in ihre Heimat zurückgeschickt, wo Stalins Henker auf sie warteten. Stefan Meining hat ein Foto abgedruckt, das zeigt, wie amerikanische Soldaten einen blutenden jungen Mann abführen. Laut Bildunterschrift hat er sich siebzehn Mal in die Brust geschnitten, um der Auslieferung zu entkommen. Im Fließtext wenige Zeilen tiefer heißt es aber, vermutlich handele es sich um einen Fall von Selbstverletzung. Das hätte man schon gern genau: War es nun eine Selbstverstümmelung oder hatte jemand anderer den Soldaten misshandelt? Es sind Ungenauigkeiten von dieser Art, die dafür sorgen, dass man das Buch mit einem gewissen Argwohn liest. Einige von Hitlers Helfern entkamen der Auslieferung. Stefan Meining schildert mit Namen und Daten, wie bis in die 1960iger Jahre hinein die alten Kameraden einander darin unterstützten, im Kalten Krieg die Sowjetunion zu bekämpfen. Da gab es zum Beispiel in Düsseldorf eine Organisation in einer kleinen Villa, die wie ein privater Geheimdienst arbeitete, aber aus mehreren deutschen Ministerien finanziert wurde, sogar in Konkurrenz zur übermächtigen CIA. Vor den Augen des Lesers entstehen Bilder in schwarz und weiß. Man fühlt sich zurückversetzt in alte Filme, in denen Männer Trenchcoats tragen und in abgeschabten Aktentaschen geheimnisvolle Dokumente transportieren. Man ist verblüfft - so hätte sich kaum jemand das Weiterleben von Verbindungen vorgestellt, die im Nazi-Reich in der besetzten Sowjetunion begannen. In München gründeten unterdessen die alten Kameraden aus den braunen Hilfsverbänden einen Moscheebauverein, was zunächst einmal nicht erstaunlich ist, denn als gläubiger Muslim hätte man gern ein Gotteshaus. Nun möchte man wissen, warum diese Moschee in München so ein geheimnisvoller Ort sein soll. Aber da findet sich nichts, und dann sterben die alten Herren einfach und die Geschichte von den Moslems, die nach dem Krieg nach Deutschland kamen, ist zu Ende. In den 60iger Jahren kommt eine neue Generation Muslime, Studenten und Angehörige der Muslimbruderschaft, die nach Nassers Machtergreifung Ägypten verlassen musste. In München gründen sie 1961 die "Arabische Studentenvereinigung". Hier endlich soll uns die Gefahr des politischen Islam vor Augen geführt werden. Stefan Meining:

    Erneut spiegelt sich arabische Politik und Geschichte in München wider: Wie im Großen konkurrieren auch an den Münchner Universitäten islamische mit nationalen Ideen. Wie in der arabischen Welt verschwand auch in München der arabische Nationalismus als großer gesellschaftlicher Entwurf. 1983 wurde die "Arabische Studentenvereinigung" aufgelöst. Übrig blieb der politische Islam als treibende Kraft, in Deutschland wie in der arabischen Welt.

    Jetzt hätte man nur noch gern gewusst, wo denn der politische Islam sich aufhält, wenn die Vereinigungen, die er angeblich antreibt, sich auflösen. Meining schöpft aus allen möglichen Quellen, aus Archiven, aus Veröffentlichungen von Verfassungsschutzämtern, aus den Akten des Ost-Berliner Ministeriums für Staatssicherheit, aus Zeitungen. So entsteht eine krude Mischung von Verdächtigungen ergibt. Jener Herr Ghaleb Himmat, den Meining in seiner Einleitung als Verdächtigen der Vereinten Nationen erwähnt hat, wurde - das liest man auf Seite 252 - im Jahr 2009 von der Liste gestrichen. Nur Stefan Meining hält ihn weiter für verdächtig. Irgendwie. Seinen Nutzwert hat Stefan Meinings Buch über die Moschee in München in der Erzählung der langlebigen Kampfgemeinschaft von den ehemaligen Nazis und ihren moslemischen Helfershelfern. Dort lernt der Leser einiges über die frühe Geschichte Deutschlands und dafür könnte man manch einen Spionageroman liegen lassen. Die Schlussfolgerungen in die Gegenwart hinein sind nicht wirklich überzeugend, aber die erste Hälfte ist mit Genuss zu lesen.

    Stefan Meining: Eine Moschee in Deutschland. Nazis, Geheimdienste und der Aufstieg des politischen Islam im Westen.
    C.H. Beck Verlag, 311 Seiten, 19,95 Euro
    ISBN: 978-3-406-61411-8