Schutz vor Hitze
Wie gut Deutschland auf Hitzewellen vorbereitet ist

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat vergangenes Jahr einen Hitzeschutzplan für Deutschland vorgelegt. Die Maßnahmen reichen von Warnungen, über Trinkbrunnen und Hitzebusse. Was wurde bislang umgesetzt?

    Ein älterer Mann beugt sich vor, um aus einem Trinkwasserbrunnen zu trinken.
    Trinkwasserbrunnen in Fußgängerzonnen, Parks oder Einkaufspassagen sind eine von zahlreichen Hitzeschutzmaßnahmen, die Städte und Kommunen umsetzen sollen. (picture alliance / epd-bild / Tim Wegner)
    Extremwetterereignisse wie Hitzewellen werden aufgrund des Klimawandels auch in Deutschland häufiger werden. Das wirkt sich auf Gesundheit und Wohlbefinden aus, besonders bei gefährdeten Gruppen wie älteren Menschen, Schwangeren, Kindern und Personen mit chronischen Vorerkrankungen. 2023 starben laut Schätzung des RKI etwa 3.200 Menschen in Deutschland an Hitze. Das Problem und die Gefahren der Hitze sind nicht überall präsent, auch weil Deutschland beim Hitzeschutz noch Nachholbedarf hat.
    Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat vergangenes Jahr, im Juli 2023, einen Hitzeschutzplan vorgestellt. Welche Maßnahmen wurden bereits umgesetzt? Und was ist 2024 noch geplant?

    Inhaltsverzeichnis

    Welche Maßnahmen sieht der Hitzeschutzplan vor?

    Der Schwerpunkt der Initiativen liegt darauf, zu informieren, aufzuklären und zentrale Hitzetipps bekannter zu machen - vor allem, um Risikogruppen besser zu schützen. Hitzewarnstufen des Deutschen Wetterdienstes sollen frühzeitig vor Hitzewellen warnen. Mit dem Bundesinnenministerium werden Möglichkeiten für akute Gefahrenwarnungen vorbereitet, zum Beispiel über SMS-Nachrichten auf Handys oder die offizielle bundesweite Nina-Warn-App.
    Die Aufklärung forcieren sollen auch Hausärztinnen und Hausärzte. Sie behandeln jährlich 34 Millionen chronisch Erkrankte. Dabei soll jeder Kontakt für individuelle Beratung zum Hitzeschutz genutzt werden. Beispielsweise können Medikamente bei Hitze anders wirken.

    Welche Hitzeschutzmaßnahmen haben deutsche Städte bislang umgesetzt?

    Im November 2023 trafen sich Vertreterinnen und Vertreter von Bund, Ländern, Kommunen, Selbstverwaltungspartnern, Verbänden und Zivilgesellschaft. Dort wurden bestehende Konzepte und Ressourcen für Hitzeschutzmaßnahmen analysiert und konkrete Ziele und Maßnahmen zur Verbesserung dieser festgelegt. Die Umsetzung der Pläne liegt letztlich in der Hand der Länder und Kommunen. Dementsprechend sind manche Städte schon weiter als andere, viele Städte erarbeiten gerade auch erst noch Aktionspläne und starten in Planungen.
    Menschen informieren
    Viele Städte informieren ihre Bürger online über die Risiken von Hitze und klären auf, wie man sich schützen kann, so zum Beispiel die Stadt Köln. Köln und andere Städte haben auch Angebote zur telefonischen Beratung. Einige Städte haben Karten entwickelt, auf denen kühle Orte der Stadt verzeichnet sind. In Düsseldorf zeigt diese unter anderem schattige Grünanlagen, Wasserspielplätze, Trinkbrunnen, Refill-Stationen (Auffüllen von Wasserflaschen), Bademöglichkeiten und klimatisierte bzw. kühle Gebäude wie Museen, Bibliotheken und Kirchen an.
    Trinkbrunnen und Refill-Stationen
    Viele Landeshauptstädte wie Hannover, Dresden, Mainz, Erfurt, Bremen, Düsseldorf oder München setzen auf die Errichtung neuer Trinkwasserbrunnen.
    Hitzebus in den Mittagsstunden
    In einigen Städten, beispielsweise in Stuttgart und Freiburg, gibt es inzwischen Hitzebusse, die in besonders heißen Mittagsstunden mobil unterwegs sind. Primär sollen damit Obdachlose Unterstützung bei Hitze bekommen. In Hannover werden zudem viele Einrichtungen finanziell unterstützt, damit sie Wohnungslose mit Trinkwasser, Sonnenschutz und Hygieneartikeln versorgen können. Des Weiteren dürfen Obdachlose bei hohen Außentemperaturen Tunnelstationen zur kurzfristigen Abkühlung nutzen.
    Abkühlung bei Großveranstaltungen
    In Düsseldorf gibt es bei Sportveranstaltungen Nebelduschen, die Städte München, Bremen, Dresden und Kiel hingegen wollen davon wegen Wasserverschwendung und mangelnder Hygiene absehen.
    Begrünung und Ensiegelung
    Auf der Agenda steht zudem die Begrünung von Dächern und Fassaden. Auch Böden werden entsiegelt; Asphalt zugunsten des natürlichen Bodens entfernt. Mannheim hat sich dazu hohe Ziele gesteckt, jedes Jahr werden im Stadtgebiet zudem tausend neue Bäume gepflanzt. Mannheim soll langfristig zu einer Schwammstadt werden. Deren Flächen nehmen, wenn es regnet, das Wasser auf und speichern es möglichst lange, anstatt es zu kanalisieren und abzuleiten.
    Hitzeschutz-Konzept für das Gesundheitswesen
    Und Berlin hat ein Hitzeschutz-Konzept für das Gesundheitswesen entwickelt. Dieses sieht Maßnahmen wie Trinkempfehlungen, kühlere Lagerung von Medikamenten und Verlegung von Risikopatienten in klimatisierte Zimmer vor. Die Kältezentrale in Berlin stellt kaltes Wasser für Kühlsysteme in verschiedenen Gebäuden bereit. Köln hat einen ähnlichen Hitzeaktionsplan wie Berlin, der ebenfalls auf ältere Menschen fokussiert ist.

    Was soll ein nationaler Hitzeschutzplan bringen?

    Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will die Menschen in Deutschland mit dem Nationalen Hitzeschutzplan besser gegen sehr hohe Temperaturen schützen. "Mit dem Klimawandel ist das Auftreten von Hitzewellen immer wahrscheinlicher geworden. Diese beeinflussen unsere Gesundheit, unser Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit unserer Gesellschaft", heißt es in einem Impulspapier des Gesundheitsministeriums. Seit dem 26. Juni 2023 ist die Webseite hitzeschutz.de online, mit deren Hilfe Kommunen sich über konkrete Maßnahmen informieren können.
    Damit vorausschauend geplant wird und Städte so gebaut werden, dass sie auch in der Klimakrise lebenswert bleiben, hat Umweltministerin Steffi Lemke (Bündnis90/Grüne) erstmals ein Klimaanpassungsgesetz auf den Weg gebracht, das im November 2023 vom Deutschen Bundestag beschlossen wurde und am 1. Juli 2024 in Kraft tritt.
    Das Gesetz soll die Bundesländer dazu verpflichten, Klimaanpassungsstrategien zu entwickeln. Dafür werden Daten zur Klimasituation und zukünftigen Entwicklungen gesammelt und Maßnahmenkataloge erstellt. Es werden messbare Ziele festgelegt und der Fortschritt regelmäßig überprüft. Das Gesetz ist deutschlandweit verbindlich und soll in städtische Planung und kommunale Haushalte integriert werden. Bei Bauvorhaben und Stadtentwicklung sollen die Auswirkungen auf das Klima berücksichtigt werden. Es wird angestrebt, die Flächenversiegelung gesetzlich zu begrenzen.
    In anderen EU-Mitgliedsstaaten bestehen bereits Hitzenotpläne, unter anderem in Italien und Spanien. In Großbritannien gibt es, zumindest für England, seit Jahren einen „Heatwave“-Plan. Als gutes Beispiel gilt Frankreich, dort war nach der Hitzewelle von 2003 ein landesweiter Hitzeaktionsplan eingeführt worden.

    Was für Hitzeschutzmaßnahmen sind noch geplant?

    Lauterbach kam Ende Mai 2024 in Berlin mit Vertreterinnen und Vertretern aus Ländern, Kommunen, Gesundheitswesen und Wissenschaft zusammen und legte Empfehlungen für praktischen Hitzeschutz in Kliniken und Pflegeeinrichtungen vor. Darin geht es etwa um Aufklärung und Sensibilisierung von Personal und Patienten sowie um Vorschläge zu kühleren und schattigen Bereichen oder Wasservorräten.
    Der Minister erklärte, dass es in puncto Hitze "ein gefährlicher Sommer" werden könnte. Generell sei dies in Westeuropa mit seiner vergleichsweise alten Bevölkerung und vielen Menschen in Städten ein besonderes Problem. Meist seien es wenige Hitzetage, in denen aber Hunderte Menschen sterben. "An diesen Tagen müssen wir einfach mehr machen." Im vergangenen Jahr gab es laut Robert Koch-Institut 3.200 Hitzetote nach 4.500 im Jahr 2022. "Wir sind besser geworden", sagte Lauterbach. Im Blick stehen sollen in diesem Sommer weiterhin besonders Risikogruppen wie Ältere, Kinder, chronisch Kranke, allein lebende Menschen und Pflegebedürftige.
    Die Bundesempfehlungen sollen praktische Maßnahmen in Gesundheitseinrichtungen erleichtern. "Vieles, was wirkt, ist nicht davon abhängig, dass umgebaut wird", sagte Lauterbach. Der Pflege-Experte Claus Bölicke nannte beispielsweise Folien und Rollos als Sonnenschutz an Glasfassaden. Körperliche Aktivitäten könnten eher in den Vormittag gelegt werden, während Gedächtnistrainings oder Singrunden dann nachmittags in kühleren Räumen oder im Schatten im Garten gemacht würden.
    Eine wichtige Rolle bei Informationen für die breite Bevölkerung sollen Warnungen des Deutschen Wetterdienstes spielen. Sie könnten Hitzephasen nun mit fünf Tagen Vorlauf anzeigen, sagte Lauterbach. Für akute Warnungen, in denen unmittelbares Handeln erforderlich ist, stehen auch Warnungen über Handy-Benachrichtigungen im Blick.

    Inwieweit ist Frankreich Vorbild für Deutschland?

    Der jetzige deutsche Hitzeschutzplan entspricht laut Bundesgesundheitsminister Lauterbach zu 80 Prozent dem, was auch in Frankreich umgesetzt wird. Das Nachbarland nennt Lauterbach ausdrücklich als Vorbild. Deutschland sei deshalb in engem Austausch mit den französischen Behörden.
    Frankreichs Hitzeschutzplan beinhaltet auch, dass alleinstehende ältere Menschen betreut und kühle Räume in Rathäusern bereitgestellt werden. In Frankreich sollen in der höchsten von vier Warnstufen Kommunen etwa den Zugang zu Schwimmbädern und Stränden erleichtern, Wasser verteilen oder den Sportunterricht an Schulen streichen.

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    Warum ist es in der Stadt wärmer als auf dem Land?

    In der Regel ist es in Städten wärmer als auf dem Land. Dieses Phänomen wird als "städtische Wärmeinsel" bezeichnet. Versiegelte Flächen und eng stehende Häuser speichern die Hitze, sodass es in der Stadt bis zu zehn Grad wärmer sein kann als im Umland. Wegen der höheren Luftverschmutzung durch Fahrzeug- und Industrieabgase werden zudem Sonnenstrahlen eher durch die Luft aufgenommen, wodurch die Wärme in der Atmosphäre bleibt. Außerdem verdunstet aufgrund der geringeren Pflanzendecke weniger Feuchtigkeit, auch gibt es weniger Schatten - ein wichtiger Faktor, um die Entstehung von Hitze gezielt zu verhindern.

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    Welche Gefahren und Auswirkungen hat die Hitze?

    Vor allem alte Menschen, Kranke, Kinder und Schwangere leiden unter den hohen Temperaturen. Babys und Kleinkindern macht die Hitze besonders zu schaffen. Sie können ihren Wärmehaushalt schlechter regulieren als Erwachsene, schwitzen weniger effektiv und sind mitunter nicht in der Lage, eigenständig ausreichend Flüssigkeit zu trinken. Bei älteren Menschen funktionieren die Nieren häufig nicht mehr so gut, sie scheiden mehr Wasser aus, als sie trinken. Mögliche Folgen: Verwirrtheit, Stürze, Schlaganfall, Herzinfarkt. "Hitze tötet Menschen", fasst Peter Bobbert, Internist und Vorsitzender der Berliner Ärztekammer, die Gefahren zusammen.
    Auch Menschen mit chronischen Erkrankungen sind aufgrund ihrer anfälligeren Verfassung besonders gefährdet - wegen der Hitze gesundheitliche Folgen zu erleiden. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, betonte insbesondere die Risiken für Herz-Kreislauf- und Lungenerkrankungen. Ein Beispiel ist die Verschlechterung der Symptome von COPD und Asthma aufgrund der zusätzlichen Belastung der Luft durch die Wärme.

    dpa, epd, og, sc, mfied, ema