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Hitzewellen
"Das Wetter bleibt dauerhafter gleich"

Die anhaltende Hitzeperiode in Deutschland erklärt Klimaforscher Stefan Rahmstorf mit weniger Tiefdruckgebieten, die vom Atlantik her kühleres Wetter bringen. Grund dafür sei die Erwärmung der Arktis, sagte er im Dlf. Es gebe zudem eine Überlagerung von Wetter-Zufällen mit dem globalen Erwärmungstrend.

Stefan Rahmstorf im Gespräch mit Georg Ehring |
    Eine Spaziergängerin steht vor der untergehenden Sonne am Kronsberg bei Hannover
    Gefährlich schön: Das heiße und trockene Sommerwetter sorgt zur Zeit in vielen Teilen der Welt für Probleme - auch in Deutschland (picture alliance / Julian Stratenschulte)
    Georg Ehring: Was hat das alles mit dem Klimawandel zu tun? Diese Frage stellt sich inzwischen häufiger. Ungewöhnliches Wetter gab es zwar schon früher, aber die Häufigkeiten haben sich anscheinend doch geändert. Über den Zusammenhang zwischen der derzeitigen Hitzewelle mit dem menschengemachten Klimawandel spreche ich jetzt mit Stefan Rahmstorf. Er ist Professor am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Guten Tag, Herr Rahmstorf!
    Stefan Rahmstorf: Guten Tag, Herr Ehring.
    "Weniger häufig Tiefdruckgebiete vom Atlantik"
    Ehring: Herr Rahmstorf, erinnert Sie die derzeitige Hitzewelle an das Jahr 2003, als der Sommer in West- und Mitteleuropa so heiß und trocken war wie eigentlich nur alle 500 Jahre?
    Rahmstorf: Ja, das kann man schon sagen. Man muss jetzt natürlich erst noch mal ein wenig abwarten, ob es auch so weitergeht. Das heißt, wir wissen nicht, ob 2003 noch mal wieder erreicht wird. Ich erinnere aber daran, wie verheerend das Jahr 2003 in Europa war. Da gab es rund 70.000 Hitzetote in Europa.
    Ehring: Wie ungewöhnlich ist die Hitzewelle, die wir derzeit erleben?
    Rahmstorf: Ja, die ist schon ungewöhnlich. Wir haben ja schon den wärmsten April und wärmsten Mai seit Beginn der Aufzeichnungen erlebt, und dieses heiße Sommerwetter hält ja nun auch schon sehr lange an. Da gibt es auch einen Zusammenhang mit dem Klimawandel. Unsere Forschergruppe zu Extremwetter hat vor drei Jahren in einer Studie aufgezeigt, dass die atmosphärische Zirkulation in den Sommermonaten in der Nordhalbkugel sich verlangsamt hat. Das heißt, es kommen jetzt weniger häufig Tiefdruckgebiete vom Atlantik, die dann wieder kühleres Wetter bringen. Das Wetter bleibt einfach dauerhafter gleich. Der Grund dafür ist die sehr starke Erwärmung der Arktis, die sich ja etwa doppelt bis dreimal so schnell erwärmt wie der globale Mittelwert, weil dort die Eisfläche in den Sommermonaten sehr stark zusammengeschrumpft ist, schon um nahezu die Hälfte in den letzten Jahrzehnten.
    Anzahl von Hitzerekorden "um ein Fünffaches gestiegen"
    Ehring: Das heißt, Sie können sagen, dass der Klimawandel auch direkt diese Hitzewelle beeinflusst, nicht nur, dass einfach Hitzewellen häufiger werden?
    Rahmstorf: Na ja, natürlich läuft der Klimawandel ab - wir stecken da mitten drin – und beeinflusst ständig unser Wetter. Man kann natürlich nicht sagen, diese Hitzewelle liegt jetzt nur am Klimawandel, denn es ist immer eine Überlagerung von den Zufällen des Wetters und dem langfristigen Erwärmungstrend durch die globale Erwärmung, durch unsere Treibhausgas-Emissionen. Wir haben in einer globalen Auswertung der Temperaturdaten festgestellt, dass die Anzahl von monatlichen Hitzerekorden, wie jetzt der wärmste Mai seit Beginn der Aufzeichnungen, dass die heute um das Fünffache höher liegt, als es in einem unveränderlichen Klima der Fall wäre. Das heißt, von fünf solchen Hitzerekorden wäre einer durch Zufall sowieso passiert, aber vier sind hinzugekommen aufgrund des globalen Erwärmungstrends.
    Ehring: Weiten wir mal den Blick in andere Weltregionen. Wie sieht es da momentan aus? Gibt es die Hitzewelle nur in Mitteleuropa, oder auch in anderen Gegenden?
    Rahmstorf: Nein, es gibt jetzt recht verbreitet Hitze. In Kalifornien zum Beispiel sind die Temperaturen schon auf über 43 Grad Celsius gestiegen, in Denver 40 Grad, in Montreal in Kanada 37 Grad, und dann gibt es auch in Iran, Irak, Pakistan extreme Hitze.
    Ehring: Macht es denn das Wetter auch insgesamt trockener im Sommer bei uns? Wir haben ja im Moment auch eine ziemlich extreme Trockenheit.
    Rahmstorf: Ja, solche Trockenheit geht natürlich häufig mit Hitze einher, mit diesen auch sehr stabilen, sehr dauerhaften Wetterlagen. Da kommt es dann auch darauf an, wie diese sehr stabile Wetterlage aussieht. Sie kann im umgekehrten Extrem auch dazu führen, dass ein Regengebiet letztlich sehr lange an einem Ort, in einer Region wie zum Beispiel Deutschland verharrt und damit auch zu Niederschlagsrekorden und Überflutungen führt.
    Extremniederschläge "signifikant zugenommen"
    Ehring: Wir haben ja im Moment in Japan ganz extreme Unwetter. Kann man die auch in dem Zusammenhang sehen?
    Rahmstorf: Wir haben auch dazu eine weltweite Datenauswertung von Niederschlagsdaten gemacht und festgestellt, dass auch die Häufigkeit von Extremniederschlägen, konkret neuen Rekorden in der Tagessumme des Niederschlags, dass die auch signifikant zugenommen hat, und zwar schon seit 1990 ist diese signifikant erhöht und steigt immer weiter an. Das ist auch lange erwartet worden und von den Klimaforschern vorhergesagt worden, dass das passieren wird, weil warme Luft einfach mehr Wasserdampf enthalten kann, bis sie gesättigt ist und sich dann abregnet. Das wächst exponentiell an, der Feuchtegehalt mit der Temperatur. Das ist ein einfaches Gesetz der Physik. Pro Grad Erwärmung sind in gesättigten Luftmassen dann sieben Prozent mehr Wasser enthalten.
    Ehring: Professor Stefan Rahmstorf war das vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Wir sprachen über die Hitzewelle und den Zusammenhang zur weltweiten Erwärmung, die wir ja auch derzeit erleben. Herzlichen Dank dafür.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.