Eine Hitzewelle historischen Ausmaßes, Trockenheit und riesige Waldbrände in Südeuropa, im Westen dagegen ungewöhnlich kühle Temperaturen, anhaltender Regen und sogar Hochwasser. "Das ist genau das gleiche", sagte ARD-Wettermoderatorin Claudia Kleinert im Dlf-Interview: "Es bleibt eine Wetterlage einfach stabil und bei uns bleibt die Wetterlage, immer wieder Tiefdruckgebiete aus Westen, auch stabil."
Mit solchen Wetterszenarien sei in den kommenden Jahren deutlich häufiger zu rechnen. "Weil das auch eine Folge des Klimawandels ist, eingefahrene Wetterlagen", so Kleinert. Von Zufall oder einem Ausrutscher könne man aufgrund der - zum Teil extremen - Wetterereignisse der vergangenen sechs Jahre nicht mehr sprechen, betonte die Wetterxpertin.
Das komplette Interview zum Nachlesen.
Dirk Müller: Frau Kleinert, wissen Sie schon, wie lange die Hitzewelle in Südeuropa noch dauern wird?
Claudia Kleinert: Im Moment sieht es so aus, als wenn zumindest bis Ende dieser Woche diese Hitzewelle noch anhält und es dann etwas Entspannung gibt. Im zentralen Mittelmeerraum, Italien, wird es jetzt schon etwas schwächer, da nicht mehr Temperaturen an die 38 Grad, aber an sich hält das noch ein paar Tage an.
Müller: Wir reden häufiger über Extreme. Waldbrände in Südeuropa - macht Ihnen das grundsätzlich Sorgen?
Kleinert: Ja, mir machen auch die Hitzewellen grundsätzlich sehr große Sorgen sogar, weil davon auch Menschen betroffen sind. Man darf nicht vergessen: Waldbrand und Hitze haben eigentlich nichts miteinander zu tun. Es kann auch sehr heiß sein und die Luft trocken und dann passiert gar nichts. Nur die Trockenheit, die es dort gibt, dass es seit vielen Wochen nicht richtig geregnet hat und dass deswegen ein kleiner Funke schon ausreicht, um so einen Waldbrand zu verursachen, das macht natürlich schon Sorge, gerade vor allen Dingen die Trockenheit.
"Es ist verbreitet sehr trocken und dazu auch noch sehr heiß"
Müller: Die Frage war auch darauf gerichtet, dass es ja häufiger dazu kommt. Wir berichten auch jedes Jahr so gut wie immer über Waldbrände und so weiter. Haben wir jetzt eine verdichtete, verstärkte Situation?
Kleinert: Ja, es ist verbreitet sehr trocken und dazu auch noch sehr heiß. Dann sind viele Menschen draußen unterwegs. Dann ist die Gefahr natürlich größer. Das hat man bei uns in den vergangenen drei Jahren auch gesehen, als es sehr lange sehr trocken war, dass dann die Waldbrandgefahr steigt. Selbst bei uns ist es in Brandenburg in solchen Sommermonaten sehr hoch durch Trockenheit und durch sehr trockene Böden.
Müller: Wie ist es denn jetzt bei uns? Wir argumentieren jetzt aus der Perspektive Nordrhein-Westfalens beispielsweise, die Sendung wird aus Köln gefahren. Regen über Regen – bei uns ist jetzt alles anders?
Kleinert: Bei uns im Westen – ich bin ja auch Kölnerin – ist alles insofern anders, als dass es sowohl an der Oberfläche ganz viel Wasser gibt, viel zu viel. Wir erinnern uns an die vergangenen zwei Wochen. Aber wenn Sie beispielsweise Richtung Brandenburg und Sachsen gucken, östliches Sachsen, da ist selbst jetzt noch in 1,80 Meter Tiefe zu wenig Wasser vorhanden. Da ist immer noch eine außergewöhnliche Dürre und Trockenheit. Direkt oben an der Oberfläche nicht!
Stabile Wetterlagen, die sich über Woche nicht ändern
Müller: Gehen Sie davon aus, dass das in den kommenden Jahren sich zementieren wird, diese Entwicklung?
Kleinert: Es werden sich eingefahrene Wetterlagen zementieren. Das heißt, es passiert immer das gleiche. Das haben wir sowohl im Moment im Mittelmeerraum mit der Hochdruckbrücke. Die reicht vom westlichen Mittelmeer bis nach Russland, über Griechenland, die Türkei, dann hoch Schwarzes Meer bis nach Russland. Ein Hochdruckgebiet, das auch verhindert, dass bei uns mal über längere Zeit stabiles Sommerwetter sich einstellt - bei uns dagegen stabil instabil. Das heißt, auch das ist wie festzementiert. Und damit ist auf jeden Fall zu rechnen, dass wir das in den nächsten Jahren deutlich häufiger erleben werden, weil das auch eine Folge des Klimawandels ist, eingefahrene Wetterlagen.
Müller: Das wollte ich Sie gerade fragen. Ist das Wetter oder ist das Klima?
Kleinert: Das ist Wetter, das aus Klimaveränderungen resultiert. Das heißt, das ist nur die jetzige Erscheinung, aber dass das so lange bleibt und dass wir auch Wetterlagen haben, die sich teilweise über Wochen halten, das ist auf den Klimawandel zurückzuführen.
Müller: Das müssen Sie uns erklären. Warum sorgt der Klimawandel dafür, dass etwas, was ist, auch bleibt?
Kleinert: Wenn Sie sich vorstellen, normalerweise ziehen bei uns Tiefdruckgebiete von West nach Ost, vom Atlantik über uns hinweg. Und die werden entlang eines Jetstreams geführt. Das ist ein Starkwindband in der Höhe. Wer schon mal in den USA war, der weiß, wenn man hinfliegt, braucht man länger, als wenn man zurückfliegt, weil meistens klinken sich die Flugzeuge auch in diesen Jetstream ein, in dieses Starkwindband, denn das geht deutlich schneller und spart eine Menge Sprit.
Dieser Jetstream wird angetrieben, an dem entlang sich auch Tiefdruckgebiete bilden und ziehen, durch Temperaturunterschiede, sehr warm rund um den Äquator selbst im Winter, verglichen zu der Kälte in Nordeuropa oder auch in der Arktis. Wenn diese Temperaturunterschiede geringer werden, weil sich der Norden und die Spitze der Nordhalbkugel deutlich schneller erwärmt, als das in der Mitte der Fall ist, sinken diese Temperaturunterschiede und dann wird der Jetstream langsamer.
Dadurch ziehen diese Gewerke wie zum Beispiel so ein Tiefdruckgebiet nicht mehr so schnell. Sie verharren an Ort und Stelle und damit haben wir dann entweder, wie die letzten drei Jahre, dauernd Trockenheit, vier Wochen lang nur Hochdruckgebiet, oder wie jetzt ein Tief nach dem anderen. Die Hochs sind deutlich tiefer, nämlich im zentralen Mittelmeerraum. Und dann kommen diese Tiefdruckgebiete auch nicht weiter. Das verursacht dann zum Beispiel auch solche Flutkatastrophen. Da war das Hoch östlich von uns und ging nicht weg und damit hat es geregnet, geregnet, geregnet.
Wetter in den vergangenen Jahren kein "Ausrutscher"
Müller: Sie sind ja mit der unmittelbaren Wetterlage beschäftigt und das machen Sie jeden Tag. Das heißt, wir haben einerseits die großen Modelle. Einen Teil dieser großen Interpretationen, Stichwort Jetstream, haben Sie gerade, Frau Kleinert, noch einmal beschrieben. Viele bezweifeln ja, auch die, die sich damit ernsthaft auseinandersetzen, dass es immer unmittelbar dann messbar ist, was sich im Grunde in der großen Modellrechnung ergibt. Ist das für Sie auch in irgendeiner Form jetzt noch hinterfragenswürdig beziehungsweise zweifelhaft, dass das, was ganz oben passiert, im Grunde täglich im Wetter zu spüren ist?
Kleinert: Nee, dafür mache ich den Job zu lange. Und die Veränderungen bekomme ich hautnah mit, die letzten zehn, 15 Jahre. Das heißt, es gab immer mal ein Jahrhundertereignis, es gab eine Temperatur, die noch nie so hoch war. Das habe ich aber in den letzten fünf bis acht Jahren dauernd. Das heißt, wenn Sie gucken, dass von 2015, -16, -17, -18, -19, -20 jeweils die wärmsten Jahre weltweit seit Klimaaufzeichnung zu verzeichnen sind, dann kann ich nicht mehr sagen, oh, das ist jetzt aber mal ein dummer Zufall, wird sich wahrscheinlich auch wieder ändern.
Oder solche eingefahrenen Lagen wie bei uns in den letzten drei Jahren, dass man sieht, es passiert eigentlich nichts, es kommt gar kein Tief mehr zu uns heran und dementsprechend trocknet der Boden immer mehr aus – das ist etwas, wo ich nicht mehr sagen kann, ja… Wissen Sie, wenn das einmal passieren würde, ein Jahr, und im nächsten Jahr wäre es wieder völlig anders und dann wären es wieder "normale" Wetterlagen, schneller Wechsel von Tiefs und Hochs, dann könnte man sagen, na ja, das ist jetzt ein Ausrutscher. Aber fünf wärmste Jahre hintereinander in 140 Jahren, das kann man nicht mehr als "oh, kann schon mal vorkommen" interpretieren.
Nicht-Veränderung des Wetters spricht für Klimawandel
Müller: Trotzdem haben wir jetzt ja den Regen. Trotzdem ist im Westen der Regen zementiert mit viel, viel, viel Regen. Ist das nicht eine Umkehrung?
Kleinert: Das ist genau das gleiche, das ist genauso. Es bleibt eine Wetterlage einfach stabil und bei uns bleibt die Wetterlage, immer wieder Tiefdruckgebiete aus Westen, auch stabil. Das ist genauso stabil. Das heißt, das ist genauso festgefahren, wie ein Kollege von mir sagte, das ist dieses stabil instabile Wetter. Es hängt einfach fest und es passiert nichts. Das hängt genauso mit Klimawandel zusammen. Sonst würde auch mal ein Hochdruckgebiet sich aus Süden nach Norden schieben. Es würde mehr Veränderung passieren. Gerade diese Nicht-Veränderung und wenn Sie bedenken, in Afrika war schon immer sehr heiße Luft, dass die aber im Moment ungebremst komplett nur in den Süden und Südosten Europas gelenkt wird und sich da auch keine Änderung dieser Lage einstellt, das ist nun mal etwas, wo man definitiv sagt, das ist Klimawandel.
Müller: Frau Kleinert, jetzt haben wir noch 10, 15 Sekunden. Ich muss Sie das zum Schluss fragen. Das Regengebiet, diese Regenstabilität im Westen bleibt jetzt noch in unserem Sommer?
Kleinert: Der Sommer geht noch bis Ende August. Ich müsste die Glaskugel auspacken, um was dazu sagen zu können. Die nächsten Tage bleibt es erst mal so. Dann kommt ein bisschen wärmere Luft. Leider habe ich gesehen, dass es für die nächste Woche aber auch wieder so aussieht, als wenn immer wieder Tiefs über uns hinwegziehen. Ob die jetzt viel Regen bringen - je wärmer desto mehr Regen durch Schauer und Gewitter -, das kann noch keiner sagen.
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