"Hitzewelle im Anmarsch", "Extremhitze in Deutschland", "45 Grad und mehr!", "Lauterbach befürchtet Todesopfer durch kommende Hitzewelle" – in den Medien wird in diesen Tage vor ungewöhnlich hohen Temperaturen gewarnt, die Europa in den nächsten Tagen erreichen sollen. Ein mathematisches Modell sagte für Westdeutschland bis zu 45 Grad voraus, weshalb ARD-Meteorologe Karten Schwanke twitterte:
"Nach den Rekorden vom Juli 2019 mit mehr als 41 °C im Westen Deutschlands hielt ich es durchaus für möglich, dass wir in 30 ... 40 Jahren auch 45 °C erleben könnten. Und jetzt das: 45 Grad in der Vorhersage für Dienstag, d. 19. Juli 2022".
Schwanke schränkte allerdings ein, dass es nur das Potenzial für 45 Grad gebe – ob es wirklich so heiß werde, sei "längst noch nicht sicher".
Kachelmann warnt vor übertriebenen Aussagen
Der Meteorologe Jörg Kachelmann kritisierte Schwankes Aussagen als überzogen: "Wir werden womöglich 10-15 Grad unter der Schwanke-Vorhersage landen und uns dann von den KlimawandelleugnerInnen-Schwachmaten anhören dürfen, dass man ja sowieso nix vorhersagen könne", so Kachelmann via Twitter.
Schadet frühzeitiges und deutliches Alarmieren also mehr, als es hilft? Mojib Latif ist Meteorologe, Klimaforscher und Präsident der Akademie der Wissenschaften in Hamburg. Er kritisiert eine Art Überbietungswettbewerb in der Berichterstattung: "Je katastophaler, desto besser, könnte man sagen."
Die Meteorologen und Medien müssten aufpassen, nicht zu überdrehen, nur um eine Schlagzeile zu bekommen oder das Problem der globalen Erderwärmung zu unterstreichen, so Latif – "sonst gibt es einen Glaubwürdigkeitsverlust".
Je weiter im Voraus, desto ungenauer sind Wettervorhersagen
Für eine seriöse Wettervorhersage rät der Klimaforscher, die verschiedenen Vorhersagemodelle zu mitteln, um Fehler herauszukorrigieren. Man solle nie auf nur ein Modell setzen. So bekäme man auch ein Gefühl dafür, wie unsicher manche Vorhersagen seien.
Die besten Vorhersagen erhalte man ein bis zwei Tage im Voraus – eine Woche vorher seien sie noch sehr unzuverlässig. Und auch bei den Anbietern sei Vorsicht geboten. Latif empfahl die Vorhersagen des Deutschen Wetterdiensts. "Der hat auch im Ahrtal damals hervorragende Vorhersagen geliefert. Das Problem war dort: Was mach man mit den Informationen? Da gab es ein Versagen auf verschiedenen Ebene."