Nein, eine Schutzimpfung im eigentlichen Sinne ist das nicht. Aber eine Alternative zu einer Impfung, sagt Nancy Haigwood. Sie leitet das Nationale Primatenforschungszentrum Oregon in Portland.
"Es ist eine Gentherapie. Und sie funktioniert auch ganz anders, als man es von einer Schutzimpfung erwarten würde."
AIDS-Viren sind sehr wandelbar
Und das hat gute Gründe: In mehr als 30 Jahren ist es nicht gelungen, einen Impfstoff zu entwickeln, der vor einer Ansteckung mit HIV schützt. Der wichtigste Grund: AIDS-Viren sind sehr wandelbar, äußerlich gleicht kaum ein Virus dem anderen. Deshalb kann sich unser Immunsystem auch nicht auf das Virus einstellen.
Einzig zwei Elemente der Virushülle sind unveränderlich - sie sind allerdings gut versteckt. Sie werden erst sichtbar, wenn das Virus an eine Körperzelle andockt, um in sie einzudringen.
Forscher um Michael Farzan vom Scripps-Forschungszentrum im Bundesstaat Florida haben jetzt eine Behandlung entwickelt, die an genau diesen Stellen das Virus angreift.
"Wir haben ein Molekül entwickelt, das sich sehr fest mit den beiden Stellen der Virushülle verbindet, mit denen das Virus normalerweise an einer Zelle festmacht. Wir haben dazu die beiden Rezeptoren auf Körperzellen nachgebaut, die das Virus nutzt, um in die Zellen hineinzukommen."
Das Molekül passt - bildlich gesprochen - wie ein Schlüssel in ein Schloss. Das Besondere aber: Dieser Schlüssel bleibt fest im Schloss stecken.
Das AIDS-Virus ist dauerhaft inaktiviert
Das Molekül löst so im Virus Vorgänge aus, die normalerweise allein durch das Andocken an eine menschliche Zelle ausgelöst werden. Betroffen ist auch ein für das Virus entscheidendes Protein, sagt Michael Farzan.
"Sie legen so für immer das Protein lahm, das das eigentliche Eindringen des Virus in die Zelle steuert."
Die Folge: Das AIDS-Virus ist dauerhaft inaktiviert. Es ist nicht mehr infektiös und kann vom Immunsystem gefahrlos entsorgt werden.
Das Konzept: Sind die schützenden Moleküle in ausreichender Zahl im Körper und treffen sie auf ein AIDS-Virus, dann neutralisieren sie es. So könnten Menschen vor einer Ansteckung mit HIV geschützt werden.
Schützendes Molekül in Zellen
Das Molekül ließe sich als Wirkstoff spritzen. Die Behandlung müsste dann allerdings mehrmals im Jahr wiederholt werden. Michael Farzan und seine Kollegen setzen daher auf eine Gentherapie. Umgebaute ungefährliche Transportviren liefern die Bauanleitung für das schützende Molekül in Zellen ab. Im Tierversuch haben die Forscher Affen den Gentherapie-Wirkstoff in einen Muskel gespritzt.
"Eine einzige Spritze in den Muskel reicht aus, damit die Muskelzellen für ein Jahr lang ausreichende Mengen von dem Molekül produzieren. Und wahrscheinlich hält der Effekt noch deutlich länger – für eine ganze Reihe von Jahren."
Belegt ist bislang: Die Behandlung schützt Affen mindestens ein Jahr lang vor einer Ansteckung. Aber: Es handelt sich um eine sehr kleine Studie mit gerade einmal vier Versuchstieren. Erst wenn größere Studien zu ähnlichen Ergebnissen kommen, kann die Behandlung auch an Menschen erprobt werden.
Da bei dieser Gentherapie zusätzliches Erbmaterial in den Körper eingeschleust wird, müssen die Forscher sicher ausschließen können, dass die Behandlung gravierende unerwünschte Nebenwirkungen hat. Ob die Behandlung tatsächlich Menschen effektiv und auf Dauer vor einer Ansteckung mit HIV schützen kann, wird sich erst in einigen Jahren abschätzen lassen.