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Hochdruckgefrieren schont Lebensmittel

Technik. - Wer sich die letzten Erdbeeren des Sommers in der Tiefkühltruhe konservieren will, kann beim Auftauen eine herbe Enttäuschung erleben: Die Erdbeeren sind matschig geworden, denn durch das Einfrieren werden die Zellwände zerstört. Die Konservierungsindustrie steht vor demselben Problem konfrontiert. Berliner Wissenschaftler haben jetzt einen Ausweg entwickelt: Hochdruck-Tieffrieren. Dabei entsteht ein Eis, das eine besondere Eigenschaft hat: Es zieht sich beim Gefrieren zusammen.

Von Michael Fuhs |
    Eine Erdbeere, stark vergrößert, gleicht einer Wabe, bei der Zellen und Zellzwischenräume mit einer wässrigen Flüssigkeit gefüllt sind.

    " Üblicherweise gefriert das Eis zuerst in den Bereichen zwischen den Zellen, weil hier weniger gelöste Inhaltsstoffe vorhanden sind als in den Zellen. "

    Leicht kommt es da zu einem bekannten Übel: Matschige Erdbeeren aus der Tiefkühltruhe. Dietrich Knorr, Leiter des Instituts für Lebensmitteltechnologie der Technischen Universität Berlin, weiß warum:

    " Es gibt dann noch einen interessanten Vorgang, dass Flüssigkeit aus den Zellen in den Raum zwischen den Zellen heraus diffundiert, und damit vergrößert sich der Raum zwischen den Zellen zunehmend. Es wachsen zwischen den Zellen immer größere Eiskristalle und die führen zu einer mechanischen Zerstörung der Zellen. "

    Verbraucherfreundlicher machen es die Hersteller der Tiefkühlkost im Supermarkt. Sie frieren bei tieferen Temperaturen und dadurch schneller ein. Die Eiskristalle haben nicht so lange Zeit zu wachsen und das Gewebe wird weniger zerstört. Doch die Probleme sind damit nicht ganz gelöst.

    " Die Hauptprobleme beim konventionellen Gefrieren bestehen darin, dass herkömmliches Eis, das heißt Eis, das unter atmosphärischen Bedingungen gebildet wird, etwa zehn Prozent größeres Volumen als Wasser hat. Das bedeutet, dass Gewebe durch die Ausdehnung zerstört wird. "

    Aus dem gleichen Grund explodiert eine Sprudelflasche im Tiefkühlfach. Wenn Wasser gefriert, lagern sich die H2O-Moleküle in bestimmter Form aneinander. Dadurch dehnt es sich aus, anders als alle anderen Flüssigkeiten. Eis hat deshalb eine kleinere Dichte als Wasser, so lernt man es auch in der Schule. Das stimmt aber nicht immer. Lebensmitteltechnologen können insgesamt neun unterschiedliche Eisarten erzeugen, bei denen sich die H2O-Moleküle in anderer Form verbinden.

    " Das heißt, Sie haben das konventionelle Eis. Eis I ist das, was wir unter atmosphärischen Bedingungen kennen. Das Erstaunliche ist, dass die Eisformationen, die unter Druck gebildet wurden, also von II aufwärts bis IX, alle dichter sind als Wasser. Sie haben nicht diese Unterschiede, die Sie zwischen Eis I haben und Wasser. Das heißt, Sie können einen Gefrierprozess vornehmen, wo Sie aus der Wasserphase mit gleicher Dichte in die gefrorene Phase übergehen und haben damit diese Volumenunterschiede minimiert. "

    Um Eis III statt Eis I zu erzeugen, müssen die Lebensmittel unter etwa 3000fachem Atmosphärendruck bei zirka minus 25 Grad gefroren werden. Für den Außenstehenden ein kleines Wunder, dass die empfindliche Erdbeere dadurch nicht platt gedrückt wird. Die Lebensmitteltechnologen frieren die Erdbeere aber in Wasser ein, dadurch wirkt der Druck von allen Seiten und sie wird nur wenig verformt. Nach dem Auftauen hat Dietrich Knorr unter anderem die Festigkeit gemessen:

    " Im Gegensatz zum konventionellen langsamen Gefrieren wird die Gewebezerstörung minimiert. Sie werden nie mit dem intakten frischen Lebensmittel gleichziehen können, aber Sie haben die Zerstörungsgrad weitgehend minimiert. "

    Das Gleiche gilt auch für Kartoffeln, Brokkoli, Fisch und Fleisch. Um den vollen Effekt zu erreichen, muss die Tiefkühlkost allerdings bis zum Auftauen unter immensem Druck gehalten werden. Ein hoher Aufwand, der weder für den Supermarkt noch für den Hausgebrauch in Frage kommt. Attraktiv ist das Hochdruckgefrieren beim Hersteller trotzdem. Wenn Erdbeeren danach im Laden nur unter Normaldruck gelagert werden, verwandelt sich zwar das Eis III zurück in das "normale" Eis I und dehnt dabei sich aus. Die Kristalle sind aber homogener und kleiner als beim konventionellen Gefrieren. Und auch das beugt der Gefahr vor, dass Erdbeeren matschig werden.