Michael Köhler: Die Wahl Eugenio Pacellis wurde damals begeistert aufgenommen, auch von jüdischen Medien übrigens, vom NS-Regime indes kritisiert, weil der Papst als Gegner des Nationalsozialismus bekannt war. Den 80-jährigen Theologen und Kirchenhistoriker Walter Brandmüller, Präsident des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaft, also so eine Art Chefhistoriker der Kurie, habe ich gefragt: Morgen beginnt in Berlin eine Ausstellung über Papst Pius XII., der in den Jahren der NS-Herrschaft das Amt bekleidete und zuvor apostolischer Nuntius in München und Berlin war, die Kirche von 1939 also anführte. Ein Generalvorwurf lautet, der Papst habe zum Judenmord geschwiegen. In den 60er-Jahren, einer der ersten großen Welle der Fragen und Aufarbeitung, hat der Dramatiker Rolf Hochhuth sein Drama "Der Stellvertreter" geschrieben, das hat das öffentliche Bild des Kirchenoberhauptes nachhaltig bestimmt. Was will Ihre Ausstellung? Das Bild von Pius XII. als Hitlers Papst korrigieren?
Walter Brandmüller: Das Anliegen der Ausstellung ist ganz nüchtern die Herstellung eines zutreffenden, wirklichkeitstreuen Geschichtsbildes einer großen Persönlichkeit des 20. Jahrhunderts aus Anlass des 50. Todestags Pius XII.
Köhler: Der war im letzten Jahr, und weil er apostolischer Nuntius in München und Berlin war, ist diese Ausstellung jetzt auch in Berlin. Der Dramatiker Rolf Hochhuth hat vor Beginn der Ausstellung gepoltert, der Publizist Ingo Langer, der die Ausstellung gemacht hat, erwidert, er sei nicht auf dem Stand der Dinge, auf dem Forschungsstand. Wie ist dieser Forschungsstand, Professor Brandmüller?
Brandmüller: Dieser Forschungsstand ist ganz eindeutig der, dass der Vorwurf, Pius habe zu dem Holocaust geschwiegen, einfach falsch ist. Pius hat gesprochen, mehrfach. Er hat in einer Sprache gesprochen, die vielleicht heutigen Erwartungen nicht entspricht, die aber zu ihrer Zeit sowohl von den Betroffenen, den Verfolgten als auch von den Verfolgern und der Weltöffentlichkeit sehr wohl verstanden wurde. Wir kennen die Reaktionen aus Kreisen des Nationalsozialismus, wir kennen auch die Reaktionen der amerikanischen Presse. Aus denen geht eindeutig hervor, dass man die Reden Pius XII. als ein Protest gegen die Verfolgung und Ausrottung der Juden verstanden hat.
Köhler: Zum Beispiel aus Tagebucheinträgen von Propagandaminister Goebbels. Was wären jetzt die nächsten Schritte zu einer Klärung auch für breitere Bevölkerungsschichten, beispielsweise eine Öffnung der Archive, der Zugang der vatikanischen Archive auch für Nicht-Kirchenhistoriker?
Brandmüller: Die vatikanischen Archive sind für alle, die wissenschaftlich ausgewiesen sind, geöffnet. Dass dies im Falle Pius XII. nur bis 1939 bisher möglich ist, hängt einfach damit zusammen, dass die unglaubliche Menge von Archivmaterial archivtechnisch noch nicht so aufbereitet ist, dass eine Konsultation durch die allgemeine Forschung möglich wäre.
Köhler: Aber das könnte ein Ziel sein oder ist ein Ziel?
Brandmüller: Das ist ein Ziel und das wird geschehen. Im Übrigen sei bemerkt, dass es ja auch andere Archive gibt als das vatikanische Archiv. Sie wissen ja, dass es immer Parallelüberlieferungen gibt. Ein und dasselbe Schriftstück kann in mehreren Archiven vorhanden sein. Es ist allerdings festzustellen, dass sehr, sehr viele, vor allem aus der Zahl jener, die Pius XII. anzuklagen versuchen, all dieses Dokumentenmaterial kaum zur Kenntnis genommen worden ist.
Köhler: Professor Brandmüller, in Agenturmeldungen kann man lesen, dass ein gewisser Zündstoff in der Ausstellung allein schon deshalb liegt, weil man, in Anführungszeichen, den "Vorwurf des Schweigens", dass man das Schweigen des Papstes hören kann, nämlich in einer Originalaufnahme der Weihnachtsansprache von 1942. Was antworten Sie jemandem, der Ihnen vorwirft, Sie würden eine Reinwaschung oder Absolution betreiben?
Brandmüller: Ja, da würde ich sagen, dass weder Absolution noch Reinwaschung notwendig sind. Es genügt, einfach und schlicht die historische Wahrheit ans Licht zu bringen.
Köhler: Beispielsweise, dass man diese Rede sich anhört und die Zeit versteht, in der sie gesprochen worden ist?
Brandmüller: Aber natürlich. Ich meine, wer sich mit Geschichte beschäftigt und über Geschichte schreibt, der sollte doch wenigstens die Grundsätze der historischen Methode kennen, denen zufolge ein Dokument, ein Text im Kontext seiner Zeit gelesen und verstanden werden muss.
Köhler: Heißt das im Umkehrschluss, dass wir Rolf Hochhuths Drama "Der Stellvertreter" zu den Akten legen müssen?
Brandmüller: Ja, ich habe mehrfach gesagt, Hochhuth ist Vergangenheit.
Köhler: Zur Ausstellung über Papst Pius XII. mit kostbaren Stücken und Zeugnissen aus dem Vatikan in einer Ausstellung in Berlin war das der Kirchenhistoriker Walter Brandmüller.
Informationen:
Opus Justitiae Pax. Eugenio Pacelli - Papst Pius XII. - Die Papstausstellung
Ausstellung vom 23. Januar 2009 bis 7. März 2009
Walter Brandmüller: Das Anliegen der Ausstellung ist ganz nüchtern die Herstellung eines zutreffenden, wirklichkeitstreuen Geschichtsbildes einer großen Persönlichkeit des 20. Jahrhunderts aus Anlass des 50. Todestags Pius XII.
Köhler: Der war im letzten Jahr, und weil er apostolischer Nuntius in München und Berlin war, ist diese Ausstellung jetzt auch in Berlin. Der Dramatiker Rolf Hochhuth hat vor Beginn der Ausstellung gepoltert, der Publizist Ingo Langer, der die Ausstellung gemacht hat, erwidert, er sei nicht auf dem Stand der Dinge, auf dem Forschungsstand. Wie ist dieser Forschungsstand, Professor Brandmüller?
Brandmüller: Dieser Forschungsstand ist ganz eindeutig der, dass der Vorwurf, Pius habe zu dem Holocaust geschwiegen, einfach falsch ist. Pius hat gesprochen, mehrfach. Er hat in einer Sprache gesprochen, die vielleicht heutigen Erwartungen nicht entspricht, die aber zu ihrer Zeit sowohl von den Betroffenen, den Verfolgten als auch von den Verfolgern und der Weltöffentlichkeit sehr wohl verstanden wurde. Wir kennen die Reaktionen aus Kreisen des Nationalsozialismus, wir kennen auch die Reaktionen der amerikanischen Presse. Aus denen geht eindeutig hervor, dass man die Reden Pius XII. als ein Protest gegen die Verfolgung und Ausrottung der Juden verstanden hat.
Köhler: Zum Beispiel aus Tagebucheinträgen von Propagandaminister Goebbels. Was wären jetzt die nächsten Schritte zu einer Klärung auch für breitere Bevölkerungsschichten, beispielsweise eine Öffnung der Archive, der Zugang der vatikanischen Archive auch für Nicht-Kirchenhistoriker?
Brandmüller: Die vatikanischen Archive sind für alle, die wissenschaftlich ausgewiesen sind, geöffnet. Dass dies im Falle Pius XII. nur bis 1939 bisher möglich ist, hängt einfach damit zusammen, dass die unglaubliche Menge von Archivmaterial archivtechnisch noch nicht so aufbereitet ist, dass eine Konsultation durch die allgemeine Forschung möglich wäre.
Köhler: Aber das könnte ein Ziel sein oder ist ein Ziel?
Brandmüller: Das ist ein Ziel und das wird geschehen. Im Übrigen sei bemerkt, dass es ja auch andere Archive gibt als das vatikanische Archiv. Sie wissen ja, dass es immer Parallelüberlieferungen gibt. Ein und dasselbe Schriftstück kann in mehreren Archiven vorhanden sein. Es ist allerdings festzustellen, dass sehr, sehr viele, vor allem aus der Zahl jener, die Pius XII. anzuklagen versuchen, all dieses Dokumentenmaterial kaum zur Kenntnis genommen worden ist.
Köhler: Professor Brandmüller, in Agenturmeldungen kann man lesen, dass ein gewisser Zündstoff in der Ausstellung allein schon deshalb liegt, weil man, in Anführungszeichen, den "Vorwurf des Schweigens", dass man das Schweigen des Papstes hören kann, nämlich in einer Originalaufnahme der Weihnachtsansprache von 1942. Was antworten Sie jemandem, der Ihnen vorwirft, Sie würden eine Reinwaschung oder Absolution betreiben?
Brandmüller: Ja, da würde ich sagen, dass weder Absolution noch Reinwaschung notwendig sind. Es genügt, einfach und schlicht die historische Wahrheit ans Licht zu bringen.
Köhler: Beispielsweise, dass man diese Rede sich anhört und die Zeit versteht, in der sie gesprochen worden ist?
Brandmüller: Aber natürlich. Ich meine, wer sich mit Geschichte beschäftigt und über Geschichte schreibt, der sollte doch wenigstens die Grundsätze der historischen Methode kennen, denen zufolge ein Dokument, ein Text im Kontext seiner Zeit gelesen und verstanden werden muss.
Köhler: Heißt das im Umkehrschluss, dass wir Rolf Hochhuths Drama "Der Stellvertreter" zu den Akten legen müssen?
Brandmüller: Ja, ich habe mehrfach gesagt, Hochhuth ist Vergangenheit.
Köhler: Zur Ausstellung über Papst Pius XII. mit kostbaren Stücken und Zeugnissen aus dem Vatikan in einer Ausstellung in Berlin war das der Kirchenhistoriker Walter Brandmüller.
Informationen:
Opus Justitiae Pax. Eugenio Pacelli - Papst Pius XII. - Die Papstausstellung
Ausstellung vom 23. Januar 2009 bis 7. März 2009