"Das wissenschaftliche Hoch- und Höchstleistungsrechnen ist einfach inmitten der Gesellschaft angekommen, wird benötigt und wird an verschiedensten Stellen produktiv eingesetzt." So bewertet Professor Arndt Bode vom Leibniz-Rechenzentrum in Garching bei München die Situation des Supercomputings in Deutschland. Inzwischen gibt es kaum noch ein Produkt, das ohne Simulation auf einem Hochleistungsrechner entwickelt worden wäre. Auch die Politik setzt auf Supercomputer, etwa auf Big-Data-Analysen, um zum Beispiel politische Gegner einschätzen zu können oder die geopolitische Lage vor einer internationalen Politik-Konferenz simulieren zu können. Wie hat sich diese Situation denn an den Themen widergespiegelt, die die Internationale Supercomputer-Konferenz in dieser Woche in Frankfurt am Main beherrschten, Peter Welchering?
Welchering: Mit einer unglaublichen Vielfalt, die von 400 Rednern vorgetragen wurde. Vom Human Brain Project über Anwendungen für die Automobil- und Luftfahrtindustrie, Big-Data-Anwendungen in Politik und Wirtschaft bis hin zu einer eigens aufgesetzten Diskussionsreihe: Frauen im Supercomputing, bei der sich übrigen gezeigt hat, im Supercomputing sind viel mehr Frauen tätig als im Durchschnitt der IT-Branche. Chinas Supercomputer-Zentren haben sich auf dieser Konferenz so weit geöffnet wie noch nie. Die National University of Defense Technology in Changsha hat sogar einen ihrer Stars, die Informatik-Professorin Yutong Lu für eine Keynote nach Frankfurt geschickt. So viel Einblick in die Supercomputing-Szene Chinas wie in Frankfurt hat auch die wissenschaftliche Community bisher nicht gehabt.
Kloiber: Ich hatte den Eindruck, dass insgesamt die technischen Themen nicht mehr so isoliert wie früher diskutiert wurden.
Welchering: Das hat sich bei der Diskussion über künftige Supercomputer-Architekturen klar gezeigt. Der Weg zum Exascale-System, also zum Computer, der eine Trillion Gleitkommaoperationen in der Sekunde schafft (eine Eins mit 18 Nullen) – das ist ein Dauerthema auf allen Supercomputerkonferenzen, so auch in Frankfurt. Allerdings beschäftigen sich die Entwickler jetzt stärker mit Brückentechnologien, weil der Exascale-Computer doch noch ein Jahrzehnt auf sich warten lassen wird. Und bei diesen Brückentechnologien spielen wirtschaftliche und gesellschaftliche Fragen eine große Rolle. Die Brückentechnologien müssen nämlich auch vom Mittelstand genutzt werden. Der Mittelstand steht gerade vor seiner Supercomputer-Revolution.
Kloiber: Und da kommen wir natürlich zu den Anwendungsthemen. Simulationsanwendungen für den Mittelstand werden da ja zum großen Thema.
Welchering: Ja, vor allen Dingen weil sich ein mittelständisches Unternehmen kein Supercomputerzentrum leisten kann. Da wollen und müssen sich die wissenschaftlichen Supercomputerzentren noch stärker öffnen, um die Wirkung von Medikamenten simulieren zu können. Simulation von Produkten wird für den deutschen Mittelstand zur Pflicht, wenn er internationale wettbewerbsfähig bleiben will.