Ob ein Asylbewerber Arzt, Ingenieur oder Mathematiker ist, spielt für sein Verfahren keine Rolle. Geprüft werden die Fluchtgründe. Wer danach nicht anerkannt werden kann, wird abschlägig beschieden. Und das, obwohl diese Ausländer an sich gute Chancen auf eine "Blue Card" in Deutschland hätten: einen Aufenthaltstitel für Hochqualifizierte.
Nämlich dann, wenn sie einen Arbeitsplatz gefunden haben, bei dem sie gut 4.000 Euro im Monat verdienen würden. Das ist nicht ganz unrealistisch. Nicht zuletzt, weil viele Asylverfahren jahrelang dauern, lang genug für den Bewerber, inzwischen Deutsch zu lernen. Die Blue Card bekommt er trotzdem nicht. Zuerst müsste er zurück ins Heimatland oder ein anderes Land außerhalb der Europäischen Union, um dort einen Antrag zu stellen.
Raimund Becker, Vorstand in der Bundesagentur für Arbeit, kritisiert das. In der "Rheinischen Post" nennt er die Antragstellung im Heimatland im Fall all derer, die vor Krieg und Verfolgung geflüchtet sind, eine absurde Vorstellung. Er verlangt den Abbau bürokratischer Hürden - und die Möglichkeit des sogenannten Spurwechsels. Diese Menschen müssten also von einem Verfahren ins andere wechseln können.
SPD-Fraktionsvize Högl findet die Idee gut
Bei der SPD rennt der Arbeitsmarktexperte damit offene Türen ein. Fraktionsvize Eva Högl spricht von einer sehr guten Idee, fügt aber gegenüber unserem Hauptstadtstudio hinzu:
"Ich bin allerdings der Auffassung, dass wir den sogenannten Spurwechsel erst vornehmen sollten, wenn das Asylverfahren durchlaufen ist, denn die betroffenen Personen haben nach dem Asylverfahren, nach dem Flüchtlingsrecht, etwa nach der Genfer Flüchtlingskonvention, einen deutlich stärkeren Aufenthaltsstatus, wenn sie das Verfahren gut abschließen."
Tatsächlich wird selbst die Blue Card erst einmal befristet vergeben. Die Union ist grundsätzlich skeptisch, was die Vermengung von Asylrecht und anderen Zuwanderungsmöglichkeiten betrifft. Trotzdem hält auch ihr innenpolitischer Sprecher Stephan Mayer, CSU, den Vorschlag für überlegenswert:
"In wenigen Ausnahmefällen kann ich mir durchaus vorstellen, dass bei höchstqualifizierten Asylbewerbern und Flüchtlingen die Blue-Card-Richtlinie dahingehend geändert wird, dass die Antragstellung in Europa möglich ist, auch in Deutschland möglich ist."
Wobei Mayer glaubt, dass es um einen äußerst kleinen Personenkreis geht. Die SPD-Politikerin Högl will einen solchen Spurwechsel nicht nur Hochqualifizierten, sondern auch besonders gut Integrierten ermöglichen.
CDU-Politiker Mayer will nicht zu weit gehen
Hier allerdings ist für Stephan Mayer Schluss. Denn die derzeitigen Beschränkungen sind nicht einfach - wie der BA-Vorstand es formuliert - "bürokratische Hürden", sondern durchaus gewollt:
"Eine Vermengung dieser beiden Stränge hielte ich für falsch, es würden auch die falschen Zeichen, die falschen Signale gesetzt werden."
"Pull Effect" nennen Skeptiker solche falschen Anreize. SPD-Fraktionsvize Eva Högl schreckt das nicht:
"Natürlich ist das ein Pull Effect, wenn ich das Signal sende, Hochqualifizierte haben in Deutschland eine gute Chance, frühzeitig auf dem deutschen Arbeitsmarkt integriert zu werden. Aber ich sage auch ganz deutlich: Wir brauchen Zuwanderung, wir brauchen Menschen aus anderen Ländern, die bei uns arbeiten wollen. Und deswegen sehe ich den Pull Effect nicht als so eine Gefahr an."
Im SPD-geführten Arbeitsministerium heißt es: Der Vorschlag aus der Bundesagentur entspreche nicht aktuellem Regierungshandeln und werde auch derzeit in der Regierung nicht diskutiert. Das könnte sich ändern. Der Unionspolitiker Mayer glaubt allerdings, das wäre nur über den Weg der Europäischen Union möglich. Er kann sich dafür aber auch eine Initiative der Bundesregierung in Brüssel vorstellen.