Wie sich Geschichte doch wiederholt: unter den Talaren - der Muff von 1.000 Jahren. Dieser Spruch der 68er-Studentenbewegung begleitet in diesen Tagen das Münchner Symposium - vor allem symbolisch. Viele der heutigen Institutsleiter und Hochschulpräsidenten kämpften damals um eine Neustrukturierung der bundesdeutschen Bildungslandschaft, heute stehen sie wieder vor einem Umbruch. Dieses Mal geht es um Wirtschaftlichkeit, um Flexibilität, der Kampf um Forschungsgelder und Forschungsfelder in einer globalisierten Welt - und um Transparenz. Zu Recht und längst überfällig an den Universitäten und Forschungsorganisationen wie Leibnitz-Gemeinschaft oder Max-Planck-Gesellschaft meint Manfred Prenzel, Vorsitzender des Wissenschaftsrates:
"Sie muss sich ein wenig mehr drum kümmern, dass sie der Öffentlichkeit erklärt, was denn da gemacht wird, so weit man das erklären kann, aber das ist eine Verantwortlichkeit dahingehend zu sagen, wir verwenden das Geld der Gesellschaft und sind da auch auskunftspflichtig."
Doch: Wer Auskunft geben will, muss erst einmal in sich selbst hineinschauen: Evaluation, das neue Zauberwort, greift nicht nur bei neuen Studiengängen um sich. Auch altehrwürdige Institutionen wie die über 250 Jahre alte Bayerische Akademie der Wissenschaften hat sich evaluieren lassen, ein schmerzhaftes Lifting mit grundlegenden Strukturveränderungen, so Arnold Picot, der Vizepräsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Die traditionelle Zweiklassenstruktur der Akademie wurde zugunsten von vier neuen Sektionen aufgelöst, neue Projektausschüsse kümmern sich um die Forschungsvorhaben:
"Die werden neu organisiert mit neuen Führungsstrukturen versehen, die auch modernisiert sind, eine klare Trennung zwischen operativer Führung und Aufsicht und Beratung und weiteren Maßnahmen, wir werden auch langfristig Akademieinstitute schaffen, die bisher faktisch schon da sind, denen wir jetzt eine gewisse Verfassung geben."
Kurzum: viel Unternehmensstrategie. Schlanker und flexibler sollen Deutschlands Forschungsdampfer werden, haben ihnen Beratungsfirmen wie McKinsey verordnet. Mehr marktwirtschaftliches Denken, mehr Kooperationen. Auf den ersten Blick sei das begrüßenswert, sagt Isabell Welpe, Leiterin des Bayerischen Staatsinstitutes für Hochschulforschung und Hochschulplanung IHF, die das Symposium mitorganisiert hat:
"Also erst mal ist das ja kein Gegensatz. Marktsteuerung ist ganz hervorragend, da wo es funktionierende Märkte gibt. Punkt. Es gibt auch in der Universität Aufgabenbereiche die managementmäßig und marktwirtschaftlich gesteuert werden können, sage ich explizit."
Wissenschaftliche Forschung hat die Welt verändert, jetzt muss sie sich selbst ändern. Nur wo genau, da sind sich die Hochschulen und die Teilnehmer des Symposiums nicht einig. Zum Wirtschaftsunternehmen, der Universitäts-AG, will und wird man sich nicht reformieren lassen, darin herrscht Konsens. Vor allem im Bereich der Grundlagenforschung könne man nicht marktwirtschaftlichen Prinzipien folgen. Denn das Dogma von Angebot und Nachfrage wende sich gegen nicht anwendungsbezogene Forschungsprojekte, die kurzfristig keine Rendite bringen. Die Unis müssten sich deshalb ganz klar von privaten Organisationen distanzieren, die Forschungsprojekte nach Marktanwendungspotential beurteilen. Wissenschaftler leiden derzeit darunter:
"Dass zunehmend künstliche Märkte und Wettbewerbe geschaffen werden für die Beurteilung von Exzellenz von Forschungseinrichtungen und dass die Kriterien, die darüber entscheiden, wer diese Wettbewerbe gewinnt, andere sind als die Ziele, die diese Organisationen verfolgen", so Hochschulforscherin Welpe.
Das Problem: Den deutschen Hochschulen fehlen großteils die Managementstrukturen, um eigenverantwortlich diese Aufgaben zu übernehmen. Die Flut an Projektanträgen erzeuge einen Teufelskreis, so Thomas Mellewigt von der Freien Universität Berlin. Immer mehr Forschungsanträge gingen an den Hochschulen ein, gleichzeitig könnten die sich immer weniger Gutachter leisten. Unterm Strich würden deshalb auch weniger Anträge bewilligt. Also bleibt nur die freie Wirtschaft als Retter? Für Karl Max Einhäupl, Vorstandsvorsitzender der Charité keine Frage, zumindest in der Medizin:
"Es geht darum, dass wir in einem Bereich der beschränkten Ressourcen gerade in der Medizin das Maximale für die Menschen herausholen. Das heißt, dass wir darauf achten müssen, dass wir Ressourcen nicht durch Forschungsansätze verschwenden, die von ihrer Qualität nicht hochrangig sind."
Nur welche Forschung ist in Zukunft noch wichtig? Universitäten müssen sich künftig so aufstellen, dass Gelder für Grundlagenforschung vorhanden sind, angewandte Forschung könne sie erwirtschaften, so ein Fazit aus dem Münchner Symposium, losgelassen vom Gängelband der Kultusministerien. Die Hochschulen heute könnten das noch nicht leisten, meint Isabell Welpe: Sie sind noch nicht eigenständig genug für eine selbstbestimmte Finanzierung.
"Ich habe ja keine Glaskugel, aber ich vermute, dass sie sich noch mehr öffnen muss, also das Thema sich als Plattform aufzustellen und offen zu sein für die Beteiligung aller Anspruchsgruppen, die um eine Universität herum existieren, wage ich zu prognostizieren, werden eintreten."