Kate Maleike: Thüringen plant sie, Mecklenburg-Vorpommern ebenfalls, Sachsen und auch Bremen: Kürzungen im Hochschulbereich sind in vielen Bundesländern in der Schublade oder sogar schon auf dem Tisch. In dieser Woche nämlich steht die Finanzierung der Hochschulen auf der Tagesordnung in einigen Landtagen und deshalb soll es in dieser Woche auch bundesweite Protestaktionen geben gegen diese Rotstiftpolitik. Aufgerufen hat dazu das Bündnis "Bildung braucht Zukunft", das auch vom studentischen Dachverband fzs unterstützt wird, und Steffen Regis ist Sprecher des Bündnisses. Er studiert an der Uni Kiel Geografie und Rechtswissenschaften, guten Tag, Herr Regis!
Steffen Regis: Guten Tag!
Maleike: Welches Ausmaß an Kürzungen befürchten Sie denn?
Regis: Das ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, aber wir befürchten teils radikale Einschnitte an den Hochschulen. Man kann das so weit führen, dass es um ganze Fachbereiche gehen wird, zum Beispiel auch im Saarland. In Thüringen befürchtet man auch massive Stellenstreichungen von ungefähr 125 Vollzeitstellen, das hat also schon ganz massive Auswirkungen auf die Studienqualität und auch überhaupt auf das ganze Hochschulleben.
"Da ist eine rote Linie erreicht"
Maleike: Sie aber sagen, Bildung braucht Priorität, und damit denken Sie das, was vielleicht so mancher in dieser Bildungsrepublik ja auch denkt. Die Politik handelt aber anders und die Realität spricht eine andere Sprache. Wie geht das für Sie zusammen?
Regis: Das geht aus unserer Sicht überhaupt nicht zusammen. Wir bekommen quasi in jeder großen Regierungserklärung zu hören, dass das eben eine Bildungsrepublik sei und dass Bildung ja auch die Zukunft von Deutschland sichere und so weiter und so fort, sehen an anderer Stelle allerdings, wie Gebäude nicht mehr saniert werden können, geschlossen werden, Bibliotheken geschlossen werden müssen, wie Stellen wegfallen an den Hochschulen, wie es auch an den Schulen inzwischen aussieht. Dass zum Beispiel dort auch Inklusion nicht mehr vernünftig gewährleistet werden kann, weil einfach die Stellen dafür fehlen. Und ganz akut sieht man es eigentlich immer dann, wenn zum Beispiel gerade der eigene Studiengang von der Schließung bedroht ist. Die Auswirkungen davon sind massiv, sehr unterschiedlich von Bundesland zu Bundesland, aber so auf jeden Fall, dass wir inzwischen sagen: Da ist eine rote Linie erreicht, so kann es nicht weitergehen. Die Länder sind offensichtlich nicht in der Lage durch die Bank, ihre Bildungslandschaft so zu finanzieren, wie es eigentlich angemessen wäre. Und wir sagen ganz klar, da muss der Bund jetzt einspringen. Weil man es sich einfach nicht leisten kann und das einfach demokratisch auch nicht zu vertreten ist, den Bildungsbereich so zu vernachlässigen, wie das momentan stattfindet.
Maleike: Sie schreiben in Ihrer Pressemitteilung, dass zur Ausfinanzierung des Bildungsbereichs nach Ihren Berechnungen circa 57 Milliarden Euro pro Jahr erforderlich wären. Das ist ziemlich unrealistisch, dass dieses Geld tatsächlich noch in den Bildungsbereich gepumpt wird, oder?
Regis: Unrealistisch vielleicht ja, aber wenn man sich diese Zahl mal auf der Zunge zergehen lässt, ist es eigentlich eine schockierende Tatsache, die man sich erst mal vor Augen führen muss, dass es überhaupt so weit gekommen ist, dass man in diesen Dimensionen inzwischen schon spricht. Inzwischen kann man das sogar noch ein bisschen steigern, dass man eigentlich sagt: Es hat eigentlich niemand mehr den Überblick darüber, wie viel Geld der Bildung in Deutschland eigentlich fehlt. Das allein ist vielleicht auch schon ein Indiz dafür, dass Bildungspolitik bislang nicht die Priorität genossen hat, die es eigentlich hätte haben müssen. Aber als unmittelbare Maßnahme muss natürlich schon erst mal der Kürzungspolitik in den Bundesländern Einhalt geboten werden. Darüber hinaus ist es aus unserer Sicht momentan unerlässlich, dass der Bund da eben einspringt, und zwar auch in die Grundfinanzierung und nicht nur in diese sogenannten Leuchtturmprojekte wie Exzellenzinitiative oder hochkarätige Forschungseinrichtung. Und gerade vor dem Gesichtspunkt, dass jetzt eben eine neue Bundesregierung demnächst ja wohl ins Amt kommt, ist das eigentlich ein Zeitpunkt, wo man mal Alarm schlagen muss, wie es eigentlich momentan aussieht, kann das so nicht weiterlaufen. Der Koalitionsvertrag bietet aber nach derzeitigem Stand wenig Aussicht auf Besserung.
"Bildung ist kein kleines Kleckerthemenfeld"
Maleike: Das heißt, Sie gehen davon aus, dass die Proteste, die Sie bis zum Ende der Woche planen, tatsächlich die Sparminister beeinflussen? Was, wenn nicht?
Regis: Ja, was, wenn nicht, das mag man sich gar nicht vorstellen. Wir werden sicherlich nicht nachgeben. Der Bund ist da, wie gesagt, gefordert und alle anderen sind sozusagen gefordert, da auch entsprechende Allianzen zu schließen und diese Forderung, "Bildung braucht Priorität", noch stärker in die Öffentlichkeit zu bringen, auf die Probleme aufmerksam zu machen und immer wieder in Erinnerung zu rufen, dass Bildung eben nicht irgendwie ein kleines Kleckerthemenfeld in der Politik ist, sondern wie gesagt eine der Kernaufgaben eines Staates ist. Und dass die derzeitige Entwicklung eben weit jenseits der Grenze des Zumutbaren eigentlich ist. Also, man muss sich ja nur Schulen mal angucken, um zu sehen, dass das ein Zustand ist, der so nicht tragbar ist.
Maleike: Wir werden die Proteste jedenfalls in dieser Woche in "Campus und Karriere" im Auge behalten. Herzlichen Dank, das war Steffen Regis, der Sprecher des Bündnisses "Bildung braucht Zukunft", das in dieser Woche gegen die Kürzungen im Hochschulbereich protestieren will und auf die Straße geht. Vielen Dank für das Gespräch!
Regis: Vielen Dank auch!
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