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Hochschulen
Kein Widerstand gegen den Nationalsozialismus

Viele renommierte Wissenschaftler mussten Hitlerdeutschland den Rücken kehren, weil sie jüdische Wurzeln hatten oder politisch verfolgt wurden. Erst spät begannen erste Hochschulen mit der Aufarbeitung ihrer rassistischen Hochschulpolitik. An der Leibniz Universität Hannover hat eine Arbeitsgruppe mehr Licht in dieses "dunkelste Kapitel der Hochschule" gebracht.

Von Michael Engel |
    Theodor Lessing war sicher das prominenteste Opfer der Hochschulpolitik in Hannover während der nationalsozialistischen Diktatur. Doch nicht der Einzige. Mitglieder des AStA verlesen die Namen von 69 Betroffenen. Neben Professoren, Privatdozenten und Assistenten waren es vor allem Studierende - 41 an der Zahl - denen die akademische Ausbildung rigoros verbaut wurde. Weil sie Juden waren, politisch auf Gegenkurs gingen, als homosexuell galten. Titel wurden aberkannt, die Lehrerlaubnis entzogen, Rauswurf aus der Uni. Viele emigrierten rechtzeitig, andere landeten im KZ und wurden ermordet. Schon mit den Bücherverbrennungen 1933 ging die Hetzjagd los, erinnert Gastredner Professor Wolfgang Benz, ehemaliger Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung der TU Berlin.
    "Die sogenannten Verbrennungsfeiern waren von der Nationalsozialistischen Deutschen Studentenschaft organisiert, nicht vom Reichspropagandaministerium, wie lange vermutet wurde. Und das machte präludierend deutlich, dass die Universitäten dem Nationalsozialismus keinerlei Widerstand entgegensetzten."
    Profitiert von den sogenannten "Säuberungen" an der Hochschule haben nicht nur die strammen Nazis. Opportunisten aus der zweiten Reihe erhielten begehrte Positionen. Und es wurde mächtig geforscht: zur Rassenkunde, zur Strategie der Besiedelung des Ostens, lange bevor die Wehrmacht in Russland einfiel. Wie kann es sein, dass heute erst - 80 Jahre später - an die Opfer gedacht wird, mahnt die AStA-Sprecherin, Lisa Dopke.
    "Als Christian-Alexander Wäldner im Herbst 2001 im studentischen Rat von den fünf aufgefundenen Fällen sprach, denen ihre akademischen Würden während der NS-Zeit aberkannt wurden, wurde sofort klar: Viel zu lang hat die Universität ihre Vergangenheit ruhen lassen und auch die Studierendenschaft in Hannover zeigte bisher trotz intensiver antifaschistischer, antirassistischer und antihomophober Arbeit wenig Interesse an der universitätseigenen Geschichte."
    Die Historiker haben das einfach nicht korrekt gemacht
    Die musikalisch getragene "Gedenkveranstaltung" täuscht nicht darüber hinweg, dass die Leibniz Universität Hannover als Nachfolger der Technischen Hochschule sehr lange geschlafen hat. Wie auch anderswo in Deutschland. 50 Jahre lang passierte nichts: Erst 1996 arbeitete die Uni München den Titelentzug auf. Göttingen erinnerte 2004 an die Opfer. Andere Universitäten haben bis heute nicht reagiert. Schätzungen gehen von mehr als 2000 aberkannten Doktorgraden im deutschsprachigen Raum aus. Professor Erich Barke, der Präsident der Leibniz Universität, mit dem Versuch einer Erklärung:
    "Ja, furchtbar, man kann das eigentlich überhaupt nicht verstehen. Woran liegt es? Ich kann zumindest sagen, was bei uns gewesen ist. Wir haben ja Historiker bei uns. Und die Historiker haben sich auch mit dieser Zeit befasst, aber sie haben das einfach nicht konkret gemacht, was die Hochschule selbst betrifft. Hier hat es Anstöße bedurft, die ja auch gekommen sind, die Masterarbeit von Herrn Wäldner möchte ich noch mal ganz explizit erwähnen. Das hat so eine Art Weckruf in der Hochschule verursacht, und dann ist die Arbeit konkret gewesen, und dann hat man auch gesehen, was vorher schon getan worden ist. Aber, die Frage beantwortet das letztlich auch nicht, warum es so lange gedauert hat."
    Lebende Opfer aus diesem "dunkelsten Kapitel der Hochschule" - wie Präsident Barke sagt - gibt es nicht mehr. Aber deren Angehörige. Und die zeigen sich versöhnlich. Am weitesten gereist ist Charlotte Common - aus Mauritius. Ihr Vater Walter Nörrenberg-Sudhaus wurde im Studium wegen Homosexualität von der Hochschule verjagt.
    "Ja, gut. Vielleicht kommt es spät. Und vielleicht werden auch viele sagen, es ist viel zu spät. Aber was ist denn die andere Alternative: Keine Entschuldigung zu bekommen! Und wenn diese Entschuldigung so spät kommt und wir das auch noch miterleben können, dann ist es doch ein Geschenk. Es ist doch auch ein Geschenk für meinen Vater."