Manfred Hampe denkt an seine Studentinnen und Studenten. Eigentlich immer. Auch kurz bevor der Darmstädter Maschinenbau-Professor heute in Bonn den „Ars Legendi Preis 2013“ bekommt, den bedeutenden Preis für gute Lehrkonzepte an den Hochschulen:
"Ich bereite mich glaube gar nicht darauf vor. Ich bin in freudiger Erwartung darauf, was jetzt kommen wird. Insbesondere bin ich auf unsere Studentin gespannt, die die Laudatio halten wird. Was die wohl über mich erzählen wird?"
Was Manfred Hampe für gute Lehre hält, wird schon spürbar, wenn man den Flur betritt, an dem sein Büro liegt. An vielen Stellen stehen feuerrote, moderne Sitzbänke, die zum Verweilen einladen. Durch Fenster zum Flur kann man in sogenannte „Lernzentren“ hineinschauen, in denen Kleingruppen von Studierenden an Computern gemeinsam arbeiten. Im Maschinenbau-Gebäude der TU Darmstadt herrscht eine freundliche, offene Lernatmosphäre, die Manfred Hampe mit geschaffen hat:
"Ich glaube zunächst mal, dass man seine Studenten mag, das ist die Grundvoraussetzung! Und man weiß ziemlich genau, wozu man sie ausbilden möchte. Das ist das, was Wilhelm von Humboldt die Selbsttätigkeit genannt hat, zu der deutsche Studierende an Universitäten befähigt werden müssen."
Ausbildung der Studierenden zur Selbsttätigkeit und Kooperation - klingt trivial, ist es aber nicht, gerade international. Das weiß Manfred Hampe aus der engen Kooperation mit der US-Hochschule Virginia Tech, mit der ein regelmäßiger Studierendenaustausch gepflegt wird.
Dort, so Hampe, sei Zusammenarbeit in Kleingruppen geradezu verpönt:
"Dort gibt es Beispiel einen honor code, der verbietet den amerikanischen Studierenden, gemeinsam mit Kommilitonen Übungsaufgaben zu bearbeiten. Das ist etwas, was bei uns geradezu befürwortet wird, angeregt wird. Ein völlig anderes Herangehen an Ausbildungsfragen."
Völlig anders an Ausbildungsfragen geht der Darmstädter Maschinenbauprofessor auch mit interdisziplinären Kursen heran, in die er die angehenden Ingenieure schickt. Etwa in einen Kurs „Philosophische Aspekte des Maschinenbaus“. Dort wird diskutiert, welche Technik sozial und ökologisch verantwortbar ist und welche nicht:
"Ganz besonders wichtig ist Wechselwirkung mit den Geisteswissenschaften. Denn unsere Studierenden müssen lernen, die Projekte, die sie durchziehen, Produkte, die sie entwickeln, auch in eine Gesellschaft hineinzutragen, die diese Produkte abnimmt. Es macht keinen Sinn für einen Ingenieur, ein Produkt zu entwerfen, das nachher von der Gesellschaft nicht akzeptiert wird."
Der Darmstädter Maschinenbau-Professor Manfred Hampe findet, dass die Reflektion über die gesellschaftliche Funktion von Technik in seiner eigenen Studienzeit in den 60er- und 70er-Jahren zu kurz kam. Und dies, obwohl deutsche Ingenieure noch wenige Jahrzehnte zuvor maßgeblich an der Entwicklung der Atombombe beteiligt gewesen waren:
"Wir haben nach dem Krieg uns Gedanken gemacht, wie wir Ingenieure erziehen können, die gesellschaftliche Verantwortung tragen. Das Ganze ist dann in den 60er-Jahren, in den 70er-Jahren wieder verloren gegangen, jedenfalls ist das mein Eindruck, dass das verloren gegangen ist. Als ich studierte, haben wir kaum über gesellschaftliche Zusammenhänge nachgedacht."
Dass dies heute im renommierten Darmstädter Maschinenbau wieder passiert und mit der Bologna-Reform auch Teil der normalen Studienordnung für angehende Ingenieure geworden ist, dafür bekommt Manfred Hampe heute in Bonn den „Ars Legendi“-Preis. Gerade der viel gescholtene Bologna-Prozess habe ihm und seinen Kollegen in Darmstadt eine bessere Lehre ermöglicht, betont der Preisträger:
"In den Bologna-Reformen waren wir in der Lage, erstmals aus den Rahmenprüfungsordnungen auszubrechen. Dinge zu machen, die anders waren, als in den Rahmenprüfungsordnungen vorgesehen. Nun kann man Bologna-Reformen gut machen und man kann sie schlecht machen. Man kann in den Bologna-Himmel kommen oder in die Bologna-Hölle. Und ich denke, wir sind mit unserer Studienreform eher Richtung Himmel marschiert und nicht in Richtung Hölle."
Geholfen habe dabei, dass die Darmstädter Uni seit vielen Jahren eine weitgehende Autonomie hat. Gebt den Hochschulen bundesweit mehr Freiheit - das ist die Botschaft, die Manfred Hampe an die Bildungspolitik richtet:
"Ich würde der Kultusministerkonferenz empfehlen, die Restriktionen, die sie in Deutschland dem Bologna-Prozess auferlegt hat, sausen zu lassen. Und den deutschen Hochschulen die Freiheit zu geben, das ist halt eine europäische Hochschulreform, diese Hochschuleform so umzusetzen, so wie es tatsächlich sinnvoll ist. Ich glaube, wenn den Hochschulen die Autonomie gegeben wird, das zu machen, werden sie dieser Verantwortung gerecht werden. Und ich glaube, wir könnten noch besser werden, als wir es schon sind."