Jörg Biesler: Gestern haben wir hier bei "Campus & Karriere" über die Unzufriedenheit von Nachwuchswissenschaftlern an den Hochschulen gesprochen. 80 Prozent, so hat das Deutsche Zentrum für Hochschule- und Wissenschaftsforschung ermittelt, werden die selbst gesteckten Karriereziele nicht erreichen, denn die deutschen Hochschulen haben viele befristete Mitarbeiterstellen und wenige unbefristete Professorenstellen. Es gibt noch mehr, was verbesserungsfähig ist an den deutschen Hochschulen, und deshalb hat die Arbeitsgruppe Bildung und Forschung der SPD-Bundestagsfraktion heute ein Positionspapier vorgestellt, das zehn Punkte zur Verbesserung der Arbeitsfähigkeit der Hochschulen aufführt. Simone Raatz hat es verfasst. Guten Tag, Frau Raatz!
Simone Raatz: Guten Tag, Herr Biesler! Ich grüße Sie!
Biesler: Die Karrierewege und die Arbeitsbedingungen der Wissenschaftler, die spielen in Ihrem Papier auch eine zentrale Rolle muss man sogar sagen. Das Thema ist ja nun auch schon alt, Jahrzehnte alt eigentlich – warum ist denn da bislang so wenig passiert?
Raatz: Na wo wenig ist nicht passiert, denn wir haben ja zwei wesentliche Projekte schon mal auf den Weg gebracht. Das ist zum einen, dass wir das Wissenschaftszeitvertragsgesetz novelliert haben. Das hatte zum einen zum Inhalt, dass die befristeten Arbeitsverhältnisse auf vernünftige Füße gestellt werden, dass sich die befristeten Arbeitsverträge zukünftig an dem Qualifizierungsziel der Wissenschaftler orientieren sollen. Das heißt, Promotion drei Jahre oder mehr, also der Erstvertrag entsprechend. Das zweite große Projekt ist der sogenannte Pakt für den wissenschaftlichen Nachwuchs, wo wir versucht haben, ein paar mehr Professorenstellen ins System zu bringen, um eben diesen Flaschenhals etwas zu weiten. Das reicht nicht, und darum haben wir das Papier, was Sie angesprochen haben, auf den Weg gebracht.
Biesler: Genau, das wäre jetzt auch meine Aufgabe gewesen, das zu sagen. Sie haben ja völlig recht mit dem, was Sie sagen, aber auch wenn die Befristung sich an dem Arbeitsvorhaben orientiert und jetzt nicht auf ein halbes begrenzt ist, wer sich in die Wissenschaft begibt – Tenure-Track haben Sie gerade auch angesprochen, mehr Professorenstellen, das sind ungefähr 1.000 bundesweit.
Raatz: Ja.
Beratung bei der Karriereplanung
Biesler: Wer sich in die Wissenschaft begibt, der steht irgendwann immer vor der Frage, schaffe ich es, Professor oder Professorin zu werden oder eben nicht, und dann ist hier für mich Feierabend, und dann muss ich gucken, wo ich sonst wo bleibe. Sie fordern jetzt in dem Papier auch, dass es da zumindest eine Hilfe gibt, indem man vielleicht so ein bisschen die Karrierewege zwischen Wirtschaft und Wissenschaft und so ein bisschen öffnet und auch mehr Flexibilität möglich macht.
Raatz: Genau, das Grundanliegen ist, dass die jungen Leute von Anfang an auch bei ihrer Karriereplanung beraten werden. Es schafft eben nicht jeder oder jede auf eine Professur, und das muss man dann aber auch klar und deutlich den jungen Leuten sagen und ihnen, sage ich mal, auch vielleicht ein paar andere Dinge nahebringen, wo man sagt, du bist vielleicht wirklich besser in der Forschung in der Wirtschaft aufgehoben oder für dich ist wirklich an der Uni eine sehr gute Möglichkeit, eine Professorin zu werden oder ein Professor. Das ist Inhalt auch das Papieres, und das, was Sie sagen, eben auch eine Durchlässigkeit zu schaffen zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft, und auch hier haben wir gesagt, braucht es eben dann auch an den Hochschulen und auch außeruniversitären Einrichtungen eine Möglichkeit, wo man sich beraten lassen kann dahingehend.
Grundfinanzierung verbessern
Biesler: Morgen ist ja Zehnjahrestag der Föderalismusreform, mit der sich der Bund 2006 völlig aus dem Bereich der Bildung zurückgezogen hat. Erst vor zwei Jahren dann wurde das Kooperationsverbot im Bereich der Bildung aufgehoben, und der Bund kann in Sachen Hochschulen jetzt wieder mitfinanzieren. Wenn ich Ihr Papier richtig verstehe, dann ist das auch ein Appell an die Länder, jetzt mehr zu tun, oder?
Raatz: Natürlich haben wir mit der Aufhebung des Kooperationsverbots im Hochschulbereich eine Möglichkeit geschaffen, dass auch der Bund finanziell hier stärker unterstützend wirkt, und damit beschäftigt sich ja unser Papier auch, sodass wir sagen, es stimmt, die Hochschulen müssen gut finanziell ausgestattet werden, damit sie eben auch entsprechende Stellensituationen schaffen können, sodass wir vorhaben, auch die Grundfinanzierung der Hochschulen zu verbessern.
Biesler: Ja, das ist die Frage – wie passiert das, und in welchem Umfang passiert das? Grundfinanzierung der Hochschulen, das ist, solange ich mich zurückerinnern kann, immer ein Thema gewesen. Mittlerweile haben wir die Exzellenzinitiative, die für wenige ausgezeichnete Hochschulen tatsächlich viel Geld zur Verfügung stellt. Also man muss ja sagen, an den meisten Hochschulen ist es ein Problem, einen neuen Schreibtisch zu kaufen oder das Dach zu reparieren – jetzt sozusagen in Bildern zu sprechen, da regnet es rein. Woher soll denn das Geld für die Grundfinanzierung kommen, das so lange schon fehlt?
Raatz: Also, Sie haben recht, es ist eine ganz lange Forderung, dass gesagt wird, ist das denn richtig, immerzu Projekte zu finanzieren, die meistens sehr kurzfristig sind, auslaufen und die Hochschulen dann auch vor Probleme eben stellen, ihre wissenschaftlichen Mitarbeiter entsprechend dann weiter zu beschäftigen. Ich denke, wir werden nicht ganz ohne Projektfinanzierung auskommen, das ist schon richtig, hier Schwerpunkte auch zu unterstützen. Wichtig ist aber wirklich, dass, was Sie auch gesagt haben, die Grundfinanzierung hier zu verbessern. Das heißt eben, dass eine Hochschule auch eigenständig, unabhängig jetzt mal von stetig befristeten Projekten, agieren kann, um auch Karriereperspektiven anders einfach in der Hand dann zu haben.
Biesler: Ja, das ist jetzt das Ziel, die Grundfinanzierung zu erhöhen, aber wie wollen Sie das denn erreichen?
Raatz: Wir haben ja jetzt viele Projekte laufen, sei es der Hochschulpakt, der Pakt für Forschung und Innovation, wo man dann eben auch sagt, lassen wir vielleicht dann zum Beispiel das ein oder andere Projekt auslaufen, können damit Mittel freischaufeln für die Grundfinanzierung, aber ich denke, es muss auch prinzipiell eine grundlegende Überlegung in der kommenden Legislatur rein, dass man sagt, wie wollen wir zukünftig unsere Hochschulen gemeinsam, Bund und Länder ausstatten und gucken, wo dann auch welche Länder machen bereits viel, und wo können wir da unterstützen, aber welche Länder müssen wir da vielleicht auch noch ein bisschen mit mehr auf den Weg bringen.
Bessere Karriereoptionen für junge Leute
Biesler: Da würden Sie also sagen, dass sich da Bund und Länder noch mal grundsätzlich gemeinsam an den Tisch setzen müssen nach den nächsten Wahlen und gucken, was sollen die Hochschulen eigentlich leisten, wie viele Studenten und Studentinnen gibt es da, was brauchen die, und woher kann das Geld kommen?
Raatz: Ich sage mal, mit der Aufhebung des Kooperationsverbots, im Paragraf 91b, hat sich jetzt auch eine Staatssekretärsrunde der Länder gebildet. Ich denke, da werden uns dann auch einige Vorschläge erreichen, wie die Länder sich das vorstellen. Genauso gut ist es aber auch und wichtig, dass wir uns als Bund Gedanken machen, wie wir, sage ich mal, auch uns eine Finanzierung vorstellen. Länder sagen nämlich häufig, gibt uns mal das Geld, wir machen dann schon was draus, ich denke aber, dass es auch wichtig ist, wenn wir Geld in die Länder geben, dass wir auch definieren, wofür die geben und Kriterien entsprechend festlegen, unter anderem eben das Thema nehmen, was Sie jetzt auch gerade angesprochen haben, bessere Karriereoptionen für unsere jungen Leute zu gewährleisten.
Biesler: Zehn Punkte hat Ihr Papier. Zwei, drei zähle ich noch mal auf, um so eine Übersicht zu bekommen. Also Grundfinanzierung haben wir angesprochen, die Tenure-Track-Stellen, also die Verbesserung der Karrierewege, faire Bezahlung und Arbeitsverträge für Lehrbeauftragte und Privatdozenten – über die Armen haben wir noch gar nicht gesprochen, die oft unter prekären Bedingungen arbeiten müssen –, die Wissenschaft soll für die Frauen offener werden, Vereinbarkeit von Familie und Beruf soll verbessert werden Inklusion spielt bei Ihnen eine Rolle, die Durchlässigkeit von Beschäftigten zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft haben wir schon angesprochen. Die Punkte hätte man genauso schon vor fünf oder vor zehn Jahren formulieren können. Wie sicher sind Sie, dass Sie die nicht in fünf Jahren wieder genauso formulieren?
Mit Vehemenz dranbleiben
!Raatz:!! Da bin ich mir relativ sicher. Ich bin jetzt seit 2013 im Deutschen Bundestag und muss sagen, dass die beiden Projekte, die ich ganz am Anfang erwähnt habe, also Wissenschaftszeitvertragsgesetz und Pakt für den wissenschaftlichen Nachwuchs, die haben wir ja in dieser Legislatur insbesondere mit starkem Einfluss der SPD-Fraktion realisiert, und die nächsten Punkte – deswegen habe ich auch gedacht, dass es wichtig ist, ein neues Papier auf den Tisch zu legen mit den Punkten, die Sie gerade erwähnt haben, um eben deutlich zu machen, mit diesen beiden Projekten allein ist es nicht getan. Hier muss es weitergehen, und da muss man eben jetzt auch ein bisschen mit Vehemenz dranbleiben, und das ist mir oder uns mit den anderen beiden Projekten gut gelungen, und so bin ich optimistisch, dass das jetzt mit den Punkten auch weitergeht, und gerade die faire Bezahlung, die Sie jetzt am Schluss erwähnt haben, für die eigenständigen Lehrbeauftragten. Ich glaube, das ist jetzt ein Punkt, der als nächstes und möglichst noch in dieser Legislatur geklärt werden muss.
Biesler: Simone Raatz von der SPD-Bundestagsfraktion zum Positionspapier "Gute Arbeit in der Wissenschaft", das die Bundestagsfraktion heute vorgestellt hat. Dankeschön!
Raatz: Gerne!
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