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Hochschulfinanzierung
Universitäten und Forschungsgruppen machen Druck

Ein halbes Jahr nach Unterzeichnung des Koalitionsvertrages ist die Frage nach der Finanzierung im Bildungsbereich weiterhin unklar. Einig ist sich die Große Koalition bisher nur über eins: Es soll mehr Geld geben. Und das ist offenbar auch dringend nötig.

Von Julian Kuper |
    Eine Studentin der Schulpädagogik schreibt am 17.10.2012 während einer Vorlesung in einem vollen Hörsaal in der Universität in Tübingen (Baden-Württemberg) mit.
    Die Hochschulen wollen kurzfristig Geld von der Politik erhalten. (picture alliance / dpa - Jan-Philipp Strobel)
    Es ist ein düsteres Bild, das die Spitzenvertreter aus Hochschule und Forschung beschreiben: Universitäten stellen Mitarbeiter nur noch befristet ein, Lehrende haben wenig Zeit für die Studenten, die Spitzenforschung in Gefahr. Keine Vorhersagen, sondern ganz real laut Deutscher Forschungsgemeinschaft, Hochschulrektorenkonferenz und Wissenschaftsrat. Das Problem: Eine sichere Finanzierung fehlt. Deswegen haben die drei Präsidenten der Einrichtungen heute Vormittag mit einem gemeinsamen Appell Druck gemacht auf die Politik. Die nächsten Schritte seien klar, sagt der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Wolfgang Marquardt:
    "Wir müssen kurzfristig die sechs Milliarden klarkriegen und längerfristig an den Strukturen drehen - wir kommen sonst nicht weiter."
    Ein halbes Jahr nach Unterzeichnung des Koalitionsvertrages ist die Frage nach der Finanzierung im Bildungsbereich weiterhin unklar. Einig ist sich die Große Koalition bisher nur über eins: Es soll mehr Geld geben. Sechs Milliarden Euro zusätzlich zur Finanzierung von Kitas und Hochschulen, drei Milliarden mehr für Forschung und Entwicklung.
    Doch eigentlich darf sich der Bund finanziell nicht in den Bildungsbereich einmischen - das regelt das Kooperationsverbot. Deswegen ist die Frage jetzt: Wie können die Bildungseinrichtungen an die sechs plus drei Milliarden herankommen? Die SPD will große Teile der Gelder ohne Zweckbindung an die Länder auszahlen. Peter Strohschneider von der Deutschen Forschungsgemeinschaft hält das für falsch:
    "Das wäre nach unserer Überzeugung so ziemlich die schlechteste denkbare Lösung. Sie würde zu völlig falschen Prioritätensetzungen führen abseits der Zukunftsinvestitionen, abseits von Bildung und Wissenschaft und sie würde gewiss mit dem Risiko einhergehen, dass das Geld in den Landeshaushalten einfach so versickert."
    Forderung: Kooperationsverbot abschaffen
    Stattdessen fordert er, dass das Kooperationsverbot abgeschafft wird - es sei ein völlig ungeeignetes Instrument für die Wissenschaft. Ein Staatsvertrag zwischen Bund und Ländern soll eine sichere Grundfinanzierung ermöglichen. Falls nicht schnell genug gehandelt werde, befürchtet er großen Schaden für das Wissenschaftssystem und die akademische Ausbildung in Deutschland.
    Einige der Probleme zeigen sich nämlich schon jetzt. Vor allem die fehlende Planungssicherheit wirkt sich auf den Alltag an den Hochschulen aus. Peter Strohschneider sieht das vor allem im Bereich der Spitzenforschung. Die DFG kommt Strohschneider zufolge in die Situation, mit Drittmitteln fehlende Grundmittel für die Forschung ersetzen zu müssen:
    "Das führt dazu, dass auch beste Forschung nicht mehr durch die DFG finanziert werden kann, weil der Drittmitteldruck insgesamt zu groß geworden ist."
    Die Hochschulen könnten häufig Mitarbeiter nur noch befristet beschäftigen, weil nicht klar sei, wie viel Geld in den nächsten Jahren zur Verfügung stehe. Um gutes Personal zu behalten, dränge die Zeit:
    "Weil sich die Mitarbeitenden, die Forschenden fragen, die Nachwuchsleute: Wo sollen sie künftig arbeiten. Die Spitzenforscher: Wo werden sie künftig hingehen? Wenn man nicht über Weiterfinanzierung verhandeln kann und über deren strukturelle Rahmenbedingungen."
    Sorgen, wie es weitergeht
    Gleichzeitig fordern Wissenschaftsvertreter, dass die drei großen Pakte in dem Bereich ausgebaut und fortgeführt werden - also die Exzellenzinitiative, der Pakt für Forschung und Innovation sowie der Hochschulpakt. Der läuft 2016 aus. Doch weil die Studienanfängerzahlen nicht wie erwartet sinken, fehlen schon jetzt 4,5 Milliarden zur ursprünglichen Planung, sagt Horst Hippler, der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz.
    Wolfgang Marquardt vom Wissenschaftsrat plädiert deshalb dafür, gar nicht mehr auf Pakte als Finanzierungsinstrument zu setzen:
    "Auf Dauer ist die Wettbewerbsfähigkeit des Wissenschaftssystems deshalb nicht mit Pakten, mit projektförmigen Instrumenten, zu steigern. Mit Pakten, die für jeweils fünf Jahre laufen. Denn schon nach zwei Jahren, wie wir gesehen haben, gerade am Beispiel der Exzellenzinitiative, beginnen die Sorgen darüber, wie es weitergeht."
    Notwendig sei eine Reform der Gesamtstruktur - sprich eine Neuregelung der Bund-Länder-Kompetenzen. Als eine mögliche Vision schlägt er vor, regionale Aufgaben in regionale Verantwortung und nationale Aufgaben in nationale Verantwortung zu legen:
    "Also um konkret zu werden: die Kitas und die vorschulische Bildung eben in die Hauptverantwortung der Kommunen. Die Schulen und die regional wirksamen, vorwiegend auf die Ausbildung konzentrierten Hochschulen vorwiegend in die Verantwortung der Länder. Und die Hochschulen mit nationaler Bedeutung eben in die Verantwortung des Bundes."
    Doch jetzt richten sich alle Augen erst einmal auf die aktuelle Finanzlage. Eine abschließende Entscheidung darüber wollen die Parteivorsitzenden der Großen Koalition noch im Mai treffen. Die Wissenschaftsorganisationen machen Druck, denn am Mittwoch geht der Haushalt zur Beratung in die Ausschüsse.