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Hochschulpersonalräte
"Auch immer ein bisschen Sand im Getriebe"

Personalräte gibt es nicht nur in der öffentlichen Verwaltung, sondern auch an Hochschulen. Die Herausforderungen seien für die Gremien an den Universitäten "ganz ähnlich", sagte Andreas Keller von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft im Deutschlandfunk. Doch stelle etwa das Wissenschaftszeitvertragsgesetz die Räte vor eine besondere Herausforderung.

Andreas Keller im Gespräch mit Ulrike Burgwinkel |
    Die Fassaden eines Universitätsgebäudes bei Nacht mit hell erleuchteten Fenstern, im Vordergrund der Schriftzug "Universität".
    Hochschulpersonalräte haben die manchmal heikle Aufgabe, einen Interessensausgleich zwischen Uni-Leitung und Angestellten zu finden. (dpa / Jens Wolf)
    Ulrike Burgwinkel: Der Personalrat, das ist die Vertretung der Beschäftigten einer Dienststelle der öffentlichen Verwaltung. Seine Aufgabe: Die Arbeiter, Angestellten und Beamten gegenüber dem Dienstherrn zu vertreten, ihre Interessen und Rechte natürlich wahrzunehmen, zu verteidigen oder aber auch zum Beispiel Probleme innerhalb des Kommunikationsgefüges lösen zu helfen. Derzeit werden in Kassel Hochschulpersonalräte qualifiziert. Dr. Andreas Keller ist Vorstandsmitglied der GEW, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, für Hochschule und Forschung zuständig. Und von denen läuft die Qualifizierungsmaßnahme. Deshalb sage ich guten Tag nach Frankfurt!
    Andreas Keller: Guten Tag, Frau Burgwinkel!
    Burgwinkel: Herr Keller, wofür genau werden die Kolleginnen und Kollegen fit gemacht?
    Keller: Wir machen sie fit, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Und das machen wir eigentlich in zweierlei Weise. Zum einen geben wir ihnen ganz praktische Informationen, Fertigkeiten, die sie brauchen, um ihre Aufgaben zu erledigen. Das fängt an beim Arbeitsrecht, beim Umgang mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz und geht hin zu praktischen Fragen wie etwa die Debatte um Dual Career oder Datenschutz. Und auf der anderen Seite ist aber die Qualifizierung für Hochschulpersonalräte immer auch eine Vernetzung. Das heißt, Kolleginnen und Kollegen aus Universitäten und Fachhochschulen, aus verschiedenen Bundesländern, die können sich kennenlernen und ihre Probleme austauschen. Wird dann auch viel mit Arbeitsgruppen gemacht.
    "Arbeit der Personalräte wird oft erschwert"
    Burgwinkel: Unterscheidet sich denn die Arbeit von Hochschulpersonalräten ganz deutlich von der Arbeit anderer Personalräte? Also, ist die Hochschule ein ganz besonderes Pflaster?
    Keller: Es ist ein besonderes Pflaster. Das fängt im Prinzip schon an bei dem Recht. Es gibt zwar in allen Bundesländern ein Personalvertretungsgesetz, aber die allermeisten Bundesländer, die sehen umfangreiche Ausnahmen für die Hochschulen vor. Also, man könnte auch sagen, Einschränkungen für die Personalräte. Das geht so weit, dass in einer Reihe von Bundesländern die Personalräte gar nicht berechtigt sind, die Interessen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu vertreten, oder in anderen Bundesländern, dass die Wissenschaftler einen Antrag stellen müssen, dass der Personalrat sie vertreten darf. Man kann sich vorstellen, dass man sich darin auch schon gleich als Querulant outet, wenn man so einen Antrag stellt. Und das alles erschwert also die Arbeit der Personalräte, obwohl eigentlich die Herausforderungen ganz ähnlich sind wie sonst im öffentlichen Dienst, teilweise sogar noch sehr viel größer. Wenn man etwa an das große Ausmaß an Zeitverträgen denkt, die es ja an Hochschulen gibt: Im Bereich der wissenschaftlichen Angestellten haben wir mittlerweile die Situation, dass 90 Prozent der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler befristet beschäftigt sind, und die brauchen natürlich auch eine starke Vertretung.
    Burgwinkel: Sind da besondere Strategien erforderlich?
    Keller: Ja, insbesondere das Wissenschaftszeitvertragsgesetz oder überhaupt die ganze Zeitvertragsproblematik, die setzt natürlich voraus, dass sich da auch Hochschulpersonalräte strategisch austauschen, wie gehen wir denn damit um. Also, das heißt zum einen, dass sie sehr genau überprüfen, ist überhaupt zu Recht befristet worden. Es gibt ja da ganz verschiedene Gesetze, das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, das Teilzeit- und Befristungsgesetz, die hier greifen können, aber auf der anderen Seite geht es auch um eine strategische Frage: Die Personalräte, die wollen ja im Interesse der Beschäftigten handeln und setzen sich dann immer schnell dem Vorwurf aus, wenn sie mal eine Frage stellen oder ein Verfahren verzögern, dass dann Kolleginnen und Kollegen, die sie vertreten, sagen: "Ihr blockiert jetzt meine Vertragsverlängerung oder meine Einstellung." Und das ist ein Spannungsverhältnis, wo man auch eine gute strategische Abstimmung braucht.
    Kritik an Bürokratie
    Burgwinkel: Was Sie jetzt gerade beschrieben haben, das klingt so, als hätten Sie damit auch schon Erfahrung gemacht! Also, eine nicht ganz positive Erfahrung, sagen wir so!
    Keller: Na ja, das ist so, dass natürlich die Arbeitgeber immer schnell dabei sind, dass sie sagen, der Personalrat blockiert deine Einstellung, lieber Wissenschaftler! De facto blockiert ein Personalrat eine Einstellung ja immer nur dann, wenn ein Fehler gemacht wurde, und versucht dann auch immer, einen Interessensausgleich zu finden. Wenn wir aber die Situation haben, dass über die Hälfte der Zeitverträge an Hochschulen eine Laufzeit von unter einem Jahr haben, also über die Hälfte unter einem Jahr, dann ist natürlich klar, dass ein Personalrat, der seine Arbeit ernst nimmt, auch immer ein bisschen Sand im Getriebe sein muss. Und da sozusagen müssen sich die Hochschulleitungen auch selbst immer die Frage gefallen lassen: Ginge das eigentlich nicht alles ein bisschen unbürokratischer, indem man von vornherein auch längere Zeitverträge abschließt und nicht alle paar Monate dann wieder zum Personalrat gehen muss?
    Burgwinkel: Dann würden Sie eventuell Ihren Leuten, die jetzt da in Kassel weitergebildet werden, auch ein Psychotraining zukommen lassen müssen, damit die sich besser durchsetzen können!
    Keller: Das ist ein guter Hinweis, Frau Burgwinkel, das wird man in der Tat aufgreifen. Ja, das ist notwendig. Auf jeden Fall die Kolleginnen und Kollegen nicht nur juristisch oder mit irgendwelchen Tricks und Kenntnissen zu unterstützen, sondern ihnen auch mental zu helfen. Und dazu haben wir eben auch vor allem in Kleingruppen immer einen Austausch vorgesehen und offene Diskussionen. Das ist auf jeden Fall notwendig, dass wir sie da unterstützen und die sich auch gegenseitig helfen können.
    Burgwinkel: Vielen Dank für die Information! Das war Dr. Andreas Keller von der GEW. Wir sprachen über Qualifizierungsmaßnahmen für Hochschulpersonalräte.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.