Für Bundesbildungsministerin Johanna Wanka ist es eine Frage der Auslegung. Im Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern, 2006 beschlossen, will sie bei ihrer Rede im Bundestag keinen Fehler erkennen. Zwar sei damit eine dauerhafte finanzielle Förderung durch den Bund in Bereichen, für die die Länder zuständig sind, verboten worden. Zum Beispiel bei Bildung und Forschung, aber:
"Wir haben im Hochschulbereich zwischen Bund und Ländern so viel Kooperation wie noch nie. So viel gab es noch nie in den Jahren der Bundesrepublik Deutschland. Alles was wir haben, die großen Pakte, der Hochschulpakt wäre nicht möglich ohne die Grundgesetzänderung, der Qualitätspakt Lehre wäre nicht möglich ohne die Grundgesetzänderung. Die Qualifizierungsinitiative Lehrerbildung wäre nicht möglich ohne die Grundgesetzänderung."
Wenn die Große Koalition jetzt das Kooperationsverbot zumindest teilweise wieder lockern will, dann sei das keine Korrektur von Fehlern.
"Sondern es geht um ein Fortführen des Prozesses."
"Sondern es geht um ein Fortführen des Prozesses."
Dauerhafte Investitionen möglich
Zukünftig soll es dem Bund deshalb möglich sein, auch dauerhaft in Hochschulprojekte zu investieren. Die Opposition – und auch Teile der SPD – sehen darin zwar einen Schritt in die richtige Richtung. Weit genug geht ihnen die Änderung jedoch bei Weitem nicht, sagt auch Kai Gehring, der Hochschulpolitische Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion:
"Leider fehlt der Großen Koalition die gemeinsame Idee, was sie dann eigentlich mit den neuen Kooperationsmöglichkeiten in der Wissenschaft überhaupt anfangen will. Weder für Spitzenforschung mit internationaler Strahlkraft noch für regionale Strukturpolitik, also weder für Spitze noch für Breite haben Sie dann zusätzliches Geld zur Verfügung."
Und das Geld, was da sei, das fließe dann nur in die Exzellenzcluster, in die wissenschaftlichen Vorzeigeprojekte, fürchtet die Opposition.
Halbe Problemlösung
Außerdem werde mit der jetzt geplanten Änderung nur das halbe Problem gelöst. Denn der heute beratene Gesetzentwurf sieht vor, dass sich die Lockerung beschränkt auf die Zusammenarbeit im Hochschulbereich. Nicht auf Schulen oder Kindergärten. Damit bleibt eine verfassungsrechtliche Barriere bestehen und ein ganz wesentlicher Bereich außen vor. Ohne die Anschubfinanzierung des Bundes hätte etwa der Ausbau der Ganztagsschulen nie Fahrt aufgenommen. Nicht das einzige Beispiel. Weitere findet auch Ernst Dieter Rossmann von der SPD:
"Was ist eigentlich die Plausibilität, wenn wir gesamtstaatlich die UN-Behindertenkonvention unterzeichnen. In New York. Und wir kommen zurück und können diesen Impuls nicht aufnehmen. Sondern müssen mit kleinster Münze darauf achten, wo darf der Bund Inklusion am Schlüsselsystem Schule fördern oder nicht."
Überhaupt machten die Sozialdemokraten in der Debatte keinen Hehl daraus, dass auch sie als Koalitionspartner das Kooperationsverbot lieber abgeschafft hätten als bloß gelockert. Hubertus Heil zitiert den früheren Fraktionsvorsitzenden und heutigen Außenminister Frank Walter Steinmeier. Das Kooperationsverbot sei:
"Ein in Verfassungsrecht gegossener Irrtum, der beseitigt werden muss. Wir bleiben dabei, das ist unsere Aufgabe, dass wir das miteinander hinbekommen müssen."
Durchgesetzt hat sich die SPD gegenüber ihren Koalitionspartnern CDU und vor allem CSU aber nicht. Denn gerade die Bayern sperren sich gegen die Vorstellung, der Bund könnte in Bildungsfragen mitreden.
Ob es tatsächlich zur geplanten Verfassungsänderung kommt, hängt auch von den Ländern im Bundesrat ab. Enthalten sich zu viele Länder, in denen die Grünen an der Regierung beteiligt sind, scheitert die Änderung. Allerdings wurde sie von den Parteivorsitzenden von Union und SPD als Teil eines Gesamtpaketes beschlossen. Zu dem gehört als Anreiz auch, dass der Bund ab kommendem Jahr den Länderanteil an den BAföG-Kosten übernimmt. Beide Änderungen sollen Ende Dezember im Bundesrat zusammen verabschiedet werden. Bei den Grünen führt das zu Unmut. Sie sprechen von einem Koppelgeschäft. Sylvia Löhrmann, die NRW-Schulministerin warf dem Bund im Sommer sogar "Erpressung" vor.