Doris Schäfer-Noske: Warum hakt es in Deutschland bei der Integration von Migranten? Grundlagen zum Verständnis der Beziehungen zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft können helfen, konkrete Schwierigkeiten zu verstehen und Probleme zu lösen. So richten sich Hoffnungen auf einen neuen Lehrstuhl in München. Die von den Jesuiten geführte Hochschule für Philosophie hat dort heute mithilfe einer Stiftung den bundesweit ersten Lehrstuhl für Völkerverständigung eingerichtet. Diesen Lehrstuhl übernimmt der 36-jährige Philosoph Michael Reder, der sich in den vergangenen Jahren bereits mit den ethischen Aspekten des Welthandels und dem Thema Klimawandel und Gerechtigkeit beschäftigt hat. - Frage an den Präsidenten der Hochschule, den Jesuiten Michael Bordt: Herr Bordt, warum war denn die Zeit jetzt reif für diesen neuen Lehrstuhl?
Michael Bordt: Dass die Zeit reif war, liegt vor allen Dingen daran, dass seit weit über 20 Jahren das Thema, wie ein Dialog zwischen verschiedenen Kulturen und verschiedenen Religionen überhaupt gelingen kann, bei uns regelmäßig diskutiert worden ist. Wir haben ein von der Rottendorf-Stiftung finanziertes Rottendorf-Projekt, in dem wir uns den Fragen der Globalisierung stellen. Wir begrüßen die Globalisierung, wir finden, alles, was Grenzen überwinden hilft, ist begrüßenswert. Allerdings ist es wichtig, dass der Prozess der Globalisierung ethisch reflektiert wird und ethisch begleitet wird. Und dazu fühlen wir uns in der Hochschule für Philosophie besonders verpflichtet, schon deswegen, weil der Träger der Hochschule der Jesuitenorden ist und es mit dem Beginn der Jesuiten zusammenhängt, dass Jesuiten in andere Länder gefahren sind, andere Kulturen erforscht haben. Die ersten Jesuiten sind in Indien, China, Japan gewesen und haben Lexika geschrieben, Wörterbücher, Grammatiken herausgegeben, um die Sprache und um die Kultur zu verstehen, um ein inneres Verständnis davon zu erlangen. Dieser Tradition fühlen wir uns verpflichtet und freuen uns eben sehr, dass es ein privates Ehepaar in München gibt, die diesen Lehrstuhl gestiftet haben und den bei uns ansiedeln möchten.
Schäfer-Noske: Sie haben die Stichworte "Globalisierung" und auch "Die ethische Fragestellung" schon genannt. Wie groß ist denn das Feld, das da im Rahmen dieses neuen Lehrstuhls beackert werden soll?
Bordt: Nun, es ist tatsächlich nur ein Lehrstuhl, es ist kein Institut. Von daher hängt das, was gemacht werden kann, natürlich sehr an dem Vertreter des Lehrstuhls, dem Dr. Reder. Zum Beispiel ist ein Thema, mit dem sich der Dr. Reder beschäftigt, die ganze Frage nach Wasser und einer gerechten Verteilung von Wasser. Das wird mit Sicherheit ein Riesenproblem in den nächsten Jahrzehnten werden, die Frage, wie knapper werdende natürliche Ressourcen ethisch gerecht verteilt werden könnten, dass es nicht dazu führt, dass die ärmsten darunter leiden werden, dass es weniger natürliches Trinkwasser gibt und das wenige natürliche Trinkwasser von anderen gebraucht wird.
Schäfer-Noske: In welcher Weise könnte sich denn dann der Lehrstuhl einmischen auch in aktuelle Debatten?
Bordt: Nun ja, ich glaube, dass die Debatte der Integration eine Debatte ist, die unmittelbar mit dem Thema Völkerverständigung zu tun hat. Wir erhoffen uns von dem Lehrstuhl, dass eine differenziertere Betrachtung auf bestimmte kulturelle Phänomene möglich ist, die uns verstehen hilft, warum Leute, die aus einem bestimmten kulturellen Hintergrund kommen, so handeln, wie sie handeln, so reagieren, wie sie reagieren, das sagen, was sie sagen. Ich denke, der Prozess des Verstehens der anderen Kulturen wird unmittelbar Auswirkungen darauf haben, dass wir eben auch hier die Ausländer, die bei uns leben, besser verstehen, und so hoffe ich, dass vor allen Dingen auch Ängste beseitigt werden können, die in der Integrationsdebatte ja vorhanden sind, wenn nicht sogar auch absichtlich geschürt werden. Denken Sie zum Beispiel nur an das Phänomen, dass für Terroristen aus der arabischen Welt der Ausdruck "Islamist" geprägt worden ist, von der Öffentlichkeit, von Politik und Medien. Eigentlich ist dieser Ausdruck ein Unding, weil er den Terrorismus ganz unmittelbar im Wort "Islamist" mit der Religion verbindet und damit eine im Kern friedfertige Religion unter einen Generalverdacht stellt, und da geht es los bei der Erforschung des Zusammenhangs zwischen arabischer Kultur und dem Koran und den Fragen, was für einen Einfluss hat Religion auf die Kultur in den verschiedenen arabischen Ländern, was heißt das für einen Dialog mit dem Islam zum Beispiel.
Schäfer-Noske: Wie grenzen Sie sich denn von Lehrstühlen für Konfliktforschung ab, zum Beispiel wie es sie in Augsburg gibt?
Bordt: Ein Unterschied, ohne dass das eine Abgrenzung ist, könnte zu Konfliktforschung in anderen Universitäten sein, dass wir hier ja eine Jesuitenhochschule sind und die 550 Studierenden, die bei uns studieren, in ein globales Netzwerk einbindbar sind, was wir als Jesuitenorden haben. Es gibt zum Beispiel nicht wenige Studierende, die gerne mal so eine Art "Expose experience" in einem Flüchtlingscamp machen möchten, die nach Afrika gehen möchten, und da können wir sie natürlich an bestimmte Projekte verweisen, mit denen wir als Jesuiten zu tun haben - jetzt nicht als Hochschullehrer und Philosophen, aber weil wir eben Jesuiten sind. Ich glaube, dass das unseren Lehrstuhl für Völkerverständigung noch mal ein wenig unterscheidet von anderen, wissenschaftlich arbeitenden Institutionen, weil der Link und die Verbindung zur Praxis leichter herstellbar ist.
Schäfer-Noske: In München gibt es den bundesweit ersten Lehrstuhl für Völkerverständigung. Das war der Jesuit Michael Bordt, Präsident der Münchner Hochschule für Philosophie.
Michael Bordt: Dass die Zeit reif war, liegt vor allen Dingen daran, dass seit weit über 20 Jahren das Thema, wie ein Dialog zwischen verschiedenen Kulturen und verschiedenen Religionen überhaupt gelingen kann, bei uns regelmäßig diskutiert worden ist. Wir haben ein von der Rottendorf-Stiftung finanziertes Rottendorf-Projekt, in dem wir uns den Fragen der Globalisierung stellen. Wir begrüßen die Globalisierung, wir finden, alles, was Grenzen überwinden hilft, ist begrüßenswert. Allerdings ist es wichtig, dass der Prozess der Globalisierung ethisch reflektiert wird und ethisch begleitet wird. Und dazu fühlen wir uns in der Hochschule für Philosophie besonders verpflichtet, schon deswegen, weil der Träger der Hochschule der Jesuitenorden ist und es mit dem Beginn der Jesuiten zusammenhängt, dass Jesuiten in andere Länder gefahren sind, andere Kulturen erforscht haben. Die ersten Jesuiten sind in Indien, China, Japan gewesen und haben Lexika geschrieben, Wörterbücher, Grammatiken herausgegeben, um die Sprache und um die Kultur zu verstehen, um ein inneres Verständnis davon zu erlangen. Dieser Tradition fühlen wir uns verpflichtet und freuen uns eben sehr, dass es ein privates Ehepaar in München gibt, die diesen Lehrstuhl gestiftet haben und den bei uns ansiedeln möchten.
Schäfer-Noske: Sie haben die Stichworte "Globalisierung" und auch "Die ethische Fragestellung" schon genannt. Wie groß ist denn das Feld, das da im Rahmen dieses neuen Lehrstuhls beackert werden soll?
Bordt: Nun, es ist tatsächlich nur ein Lehrstuhl, es ist kein Institut. Von daher hängt das, was gemacht werden kann, natürlich sehr an dem Vertreter des Lehrstuhls, dem Dr. Reder. Zum Beispiel ist ein Thema, mit dem sich der Dr. Reder beschäftigt, die ganze Frage nach Wasser und einer gerechten Verteilung von Wasser. Das wird mit Sicherheit ein Riesenproblem in den nächsten Jahrzehnten werden, die Frage, wie knapper werdende natürliche Ressourcen ethisch gerecht verteilt werden könnten, dass es nicht dazu führt, dass die ärmsten darunter leiden werden, dass es weniger natürliches Trinkwasser gibt und das wenige natürliche Trinkwasser von anderen gebraucht wird.
Schäfer-Noske: In welcher Weise könnte sich denn dann der Lehrstuhl einmischen auch in aktuelle Debatten?
Bordt: Nun ja, ich glaube, dass die Debatte der Integration eine Debatte ist, die unmittelbar mit dem Thema Völkerverständigung zu tun hat. Wir erhoffen uns von dem Lehrstuhl, dass eine differenziertere Betrachtung auf bestimmte kulturelle Phänomene möglich ist, die uns verstehen hilft, warum Leute, die aus einem bestimmten kulturellen Hintergrund kommen, so handeln, wie sie handeln, so reagieren, wie sie reagieren, das sagen, was sie sagen. Ich denke, der Prozess des Verstehens der anderen Kulturen wird unmittelbar Auswirkungen darauf haben, dass wir eben auch hier die Ausländer, die bei uns leben, besser verstehen, und so hoffe ich, dass vor allen Dingen auch Ängste beseitigt werden können, die in der Integrationsdebatte ja vorhanden sind, wenn nicht sogar auch absichtlich geschürt werden. Denken Sie zum Beispiel nur an das Phänomen, dass für Terroristen aus der arabischen Welt der Ausdruck "Islamist" geprägt worden ist, von der Öffentlichkeit, von Politik und Medien. Eigentlich ist dieser Ausdruck ein Unding, weil er den Terrorismus ganz unmittelbar im Wort "Islamist" mit der Religion verbindet und damit eine im Kern friedfertige Religion unter einen Generalverdacht stellt, und da geht es los bei der Erforschung des Zusammenhangs zwischen arabischer Kultur und dem Koran und den Fragen, was für einen Einfluss hat Religion auf die Kultur in den verschiedenen arabischen Ländern, was heißt das für einen Dialog mit dem Islam zum Beispiel.
Schäfer-Noske: Wie grenzen Sie sich denn von Lehrstühlen für Konfliktforschung ab, zum Beispiel wie es sie in Augsburg gibt?
Bordt: Ein Unterschied, ohne dass das eine Abgrenzung ist, könnte zu Konfliktforschung in anderen Universitäten sein, dass wir hier ja eine Jesuitenhochschule sind und die 550 Studierenden, die bei uns studieren, in ein globales Netzwerk einbindbar sind, was wir als Jesuitenorden haben. Es gibt zum Beispiel nicht wenige Studierende, die gerne mal so eine Art "Expose experience" in einem Flüchtlingscamp machen möchten, die nach Afrika gehen möchten, und da können wir sie natürlich an bestimmte Projekte verweisen, mit denen wir als Jesuiten zu tun haben - jetzt nicht als Hochschullehrer und Philosophen, aber weil wir eben Jesuiten sind. Ich glaube, dass das unseren Lehrstuhl für Völkerverständigung noch mal ein wenig unterscheidet von anderen, wissenschaftlich arbeitenden Institutionen, weil der Link und die Verbindung zur Praxis leichter herstellbar ist.
Schäfer-Noske: In München gibt es den bundesweit ersten Lehrstuhl für Völkerverständigung. Das war der Jesuit Michael Bordt, Präsident der Münchner Hochschule für Philosophie.