Archiv


Hochschulstart ist "schon ein sehr komplexes Verfahren"

Softwareprojekte in der Größenordnung von hochschulstart.de laufen nicht ohne Reibungsverluste ab, sagt Rainer Paulsen, Projektleiter des Hochschul-Informations-Systems. Er hat bereits ein Online-Bewerbungsverfahren speziell für Musikhochschulen entwickelt.

Rainer Paulsen im Gespräch mit Manfred Götzke |
    Manfred Götzke: hochschulstart.de heißt das neue Online-Studienbewerbungsverfahren – und den Kalauer erlaube ich mir mal: Es wird wohl zum Hochschulfehlstart, denn bis heute ist nicht klar, ob das zentrale Bewerbungsportal noch rechtzeitig zum Wintersemester fertig wird. Heute beraten die Verantwortlichen für das Projekt, und möglicherweise gibt es am Abend endlich eine Entscheidung, denn seit Anfang April können sich Abiturienten normalerweise schon für Studienplätze bewerben. Nur wie das dieses Jahr läuft, ist eben überhaupt noch nicht klar. Zu dem ganzen Chaos wäre es vielleicht gar nicht gekommen, wenn die Informatiker von hochschulstart vorher mal mit Rainer Paulsen gesprochen hätten, vom Hochschul-Informations-System. Er hat nämlich bereits ein Online-Bewerbungsverfahren entwickelt, und zwar speziell für Musikhochschulen. Ja, und dieses Verfahren funktioniert, Rainer Paulsen! Herr Paulsen, haben die Kollegen von hochschulstart sich schon bei Ihnen gemeldet?

    Rainer Paulsen: Die Kollegen von hochschulstart haben sich schon bei der Firma, bei der ich arbeite, gemeldet, und wir waren auch als Berater für die T-Systems tätig, die ja die Software für hochschulstart entwickelt haben.

    Götzke: Welche Tipps konnten Sie denen denn mit auf den Weg geben?

    Paulsen: Schwierig. Man muss sagen, was wir bisher entwickelt haben, sind ja praktisch lokale Verfahren, also ein lokales Online-Bewerberverfahren, was in den Hochschulen eingesetzt wird. Da können wir sicherlich Tipps geben, was zum Beispiel die Gestaltung der Oberflächen betrifft, den Ablauf einer Online-Bewerbung, wie man so was so gestaltet, dass es eben freundlich und einfach bedienbar ist für Studierwillige. Das Ganze Verfahren hochschulstart hat ja aber auch eine andere Dimension. Es geht ja um eine zentrale Koordinierung der Hochschulzulassung an vielen Hochschulen, und das ist eigentlich das Neuartige an dem ganzen Verfahren, was eigentlich bislang so hier bundesweit noch nicht zum Einsatz gekommen ist und wo man natürlich sagen muss, da gibt es eigentlich noch keine Erfahrungen auch von unserer Seite.

    Götzke: Die Verantwortlichen von hochschulstart sagen immer mal wieder, das Ganze sei unglaublich komplex – würden Sie das mit Ihrer Erfahrung bestätigen oder ist das Chaos, das da jetzt gerade vorherrscht, einfach nur Schlamperei?

    Paulsen: Schlamperei auf keinen Fall, das ist schon ein sehr komplexes Verfahren. Das ist eine sehr komplexe Software, die da auch entsprechend entstehen muss, sowohl bei der Servicestelle für Hochschulzulassung, also zentrale Software, als letztendlich auch an den Hochschulen, die ja ihre dezentralen, ihre lokalen Systeme mit diesem zentralen Verfahren koppeln müssen. Und dadurch entsteht eine sehr hohe Komplexität, und wer Softwareprojekte von der Größenordnung kennt, dem muss klar sein, dass so was natürlich nicht ohne Reibungsverluste abläuft, gerade nicht in der ersten Kampagne. So was ist völlig undenkbar aus meiner Sicht.

    Götzke: Ihr System ist eine Nummer kleiner, da geht es nur um Musikhochschulen. Warum braucht man auch in diesem kleinen Bereich, in den Musikhochschulen in Deutschland überhaupt ein Online-Bewerbungssystem?

    Paulsen: Zum einen für eine Entlastung der Mitarbeiterinnen in der Studierendenverwaltung der Hochschulen, die ansonsten nicht mehr in der Lage wären, die wachsende Flut an Bewerbungen auch zu bewältigen. Und ich denke, es ist aber auch für die Studienbewerber und Studienbewerberinnen eine Erleichterung, weil sie praktisch nicht persönlich an die Hochschule müssen, sie können eigentlich von jedem beliebigen Ort der Welt auch sich online bewerben und ihre Daten eingeben. Und wenn das Verfahren einigermaßen benutzerfreundlich ist, denke ich mir, ist das für die auch ein wichtiger Servicegewinn, den sie haben.

    Götzke: Anders als bei den meisten Studiengängen gibt es ja bei einem Musikhochschulstudium immer die Notwendigkeit, eine Aufnahmeprüfung zu machen. Das fällt ja durch das Online-Bewerbungsverfahren nicht weg.

    Paulsen: Nein, das fällt nicht weg. Sie müssen schon bei der Bewerbung natürlich gewisse Referenzen angeben, also sie müssen nachweisen, welche Voraussetzungen sie mitbringen, um sich an der Musikhochschule für einen der dortigen Studiengänge zu bewerben. Aber sobald die Hochschule dann die Informationen geprüft hat und der Meinung ist, das ist ein Bewerber oder eine Bewerberin, die in die engere Auswahl kommt, werden die eingeladen und müssen dann an der Musikhochschule natürlich Aufnahmeprüfungen durchlaufen – sprich also zum Beispiel auf einem Instrument vorspielen oder vorsprechen, je nachdem, ob sie sich für ein Instrument beworben haben oder Schauspiel.

    Götzke: Die Online-Bewerbung ist dem sozusagen vorgeschaltet?

    Paulsen: Die ist dem vorgeschaltet, richtig, ja.

    Götzke: Glauben Sie, das wird noch was mit hochschulstart zum Wintersemester dieses Jahres?

    Paulsen: Oh, glauben, das ist ne Glaubensfrage ...

    Götzke: Was ist Ihre Prognose?

    Paulsen: Ich sag mal so: Ich könnte mir vorstellen, dass das Verfahren zum einen mit gewissen Einschränkungen in Betrieb gehen wird, also dass man sich vielleicht einigt auf drei oder vier Studiengänge, und zwar Studiengänge, die eben auch in der Regel sehr stark nachgefragt sind, wie zum Beispiel Betriebswirtschaft oder Psychologie. Das wäre eine Möglichkeit, dass man sich drauf einigt, dass man überwiegend eine dezentrale Bewerbung macht oder ausschließlich eine dezentrale Bewerbung, das heißt keine Bewerbung über das Portal der Servicestelle, sondern lokal über das Portal der Hochschule. Ja, das wären aus meiner Sicht die Einstellungen, die halt sich abzeichnen. Möglich wäre es aber auch, wenn jetzt sagen wir mal die Hochschulrektorenkonferenz eine Empfehlung ausspricht, der zufolge die Hochschulen sich nicht beteiligen sollen, dass man vielleicht im ersten Semester auf freiwilliger Basis dann mit einigen Hochschulen, die am Verfahren teilnehmen möchten, das einfach mit den Hochschulen ausprobiert.

    Götzke: Wenn ich das so höre, dann sind Sie nicht besonders zuversichtlich, dass das in vollem Umfang zum Wintersemester klappt?

    Paulsen: Ja, das betriff also weniger die Technik, ich denke mal, technisch ist das Verfahren schon recht gut und aus meiner Sicht auch technisch machbar, das zum geplanten Produktivstart in Gang zu setzen, aber es gibt halt massive Vorbehalte an den Hochschulen, die vielleicht auch aus den Einschränkungen, die jetzt sich abzeichnen, hervorrühren, dass eben die Hochschulen sagen, wenn ich da halt nur mit ein paar Studiengängen teilnehme, eventuell auch nicht mit Studiengängen, die mehrere Fächer zulassen, dann bringt das mir eigentlich nicht so viel. Das sind eigentlich eher so meine Bedenken.

    Götzke: Rainer Paulsen hat ein Online-Bewerbungsverfahren für Musikhochschulen entwickelt. Vielen Dank!