Archiv


Hochschulverband von Qualifizierungsoffensive enttäuscht

Zur Bekämpfung des Fachkräftemangels will die Bundesregierung neben dem erleichterten Zuzug von Ausländern die Ausbildung im Inland verbessern. Doch den deutschen Hochschulen gehen die Vorschläge nicht weit genug. "Es passt nicht zusammen, dass wir auf der einen Seite Exzellenz haben wollen, dass wir auf der anderen Seite aber innerhalb von zehn Jahren fast 1500 Professuren in diesem Land verlieren", beklagte Michael Hartmer, Geschäftsführer des Deutschen Hochschulverbandes.

Moderation: Jörg Biesler | 24.08.2007
    Jörg Biesler: Das Bundeskabinett will die Ausbildung von Fachkräften in Deutschland verbessern. Mehr Ingenieure soll es zukünftig geben und mehr Naturwissenschaftler. Außerdem insgesamt mehr Studienanfänger, also eine höhere Quote von Akademikern.

    Am Telefon ist jetzt Michael Hartmer, Geschäftsführer des Deutschen Hochschulverbandes. Guten Tag, Herr Hartmer!

    Michael Hartmer: Guten Tag, Herr Biesler!

    Biesler: Wir haben gerade gehört, dass Annette Schavan Werbung für Naturwissenschaften plant und die Bundesbildungsministerin sich dafür ausspricht, auch Frauen für naturwissenschaftliche Studiengänge und Ingenieursstudiengänge zu gewinnen, dass sie eine Verzahnung, eine stärkere Verzahnung von beruflicher Qualifikation und Hochschulqualifikation anstrebt. Aber wenn man Ihre Forderungen im Vorfeld dieser Klausurtagung hört, dann ging es da ja auch um Geld und um mehr Stellen an den Hochschulen. Sind Sie enttäuscht, dass Sie da jetzt nicht gleich hören, die Bundesregierung stellt konkrete Mittel zur Verfügung?

    Hartmer: Grundsätzlich, Herr Biesler, geht von Meseberg, wenn die Entscheidungen so ausfallen, wie Ministerin Schavan es vorsieht, schon ein gewisses positives Signal aus, aber man muss auch sehen, es sind bislang Ankündigungen. Und konkret auf Ihre Frage, natürlich ist eine gewisse Enttäuschung nicht zu verbergen, denn in irgendeiner Form Unterstützung, Hilfe, finanzielle Hilfe für das hoffnungslos unterfinanzierte Hochschulsystem ist nicht gegeben worden. Davon gibt es bisher keine Korrespondentenmeldungen. Auch Frau Limberg hat gerade aus Berlin nichts anderes berichten können. (MP3-Audio, MP3-Audio ) Insofern schon, sagen wir mal, es geht in die richtige Richtung, aber es fehlt konkret, und alle Wahrheit ist konkret, es fehlt konkret an der Umsetzung für die Hochschulen.

    Biesler: Sie haben ja Anfang der Woche - und ich denke, nicht zufällig gerade Anfang der Woche - vor dieser Kabinettsklausur darauf hingewiesen, dass es über 1400 Professorenstellen sind, die in den letzten zehn Jahren an den Universitäten abgebaut worden sind. Gleichzeitig sollen ja jetzt mehr Studierende an die Hochschulen. Also es wird eine Quote von 40 Prozent Akademiker angestrebt. Das passt nicht zusammen, oder?

    Hartmer: Nein, das sind Brüche in der Bildungspolitik, die natürlich auch - auch das ist vorhin angesprochen worden - durch die Föderalismusreform begünstigt und befördert werden. Aber es passt nicht zusammen, dass wir auf der einen Seite Exzellenz haben wollen, dass wir auf der anderen Seite aber innerhalb von zehn Jahren fast 1500 Professuren in diesem Land verlieren, dass die Betreuungsziffern, also die Zahl von einzelnen Hochschullehrern auf die Studierenden bei 1:60, es gibt Fächer bei 1:179, also ein Hochschullehrer ist für 179 Studierende zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen für die rechtswissenschaftlichen Fächer zuständig. Das kann einfach nicht zusammenpassen. Der Bologna-Prozess in seiner Umsetzung kostet einfach Geld. Wir haben zwar einen Hochschulpakt, der bis 2010 für finanzielle Entlastung bei den Hochschulen sorgen soll, aber er ist darüber hinaus überhaupt nicht finanziert. Auf ein unterfinanziertes System kommt noch die zusätzliche Belastung durch den Bologna-Prozess, und jetzt soll auch noch die Studierquote weiter nach oben gebracht werden. Wenn also 40 Prozent eines Jahrgangs demnächst studieren soll, dann ist das mit diesen Mitteln schlichtweg nicht zu leisten für die Hochschulen. Insofern stehen wir schon vor einem Kollaps.

    Biesler: Die Kabinettsklausur heute war ja deswegen auch so wichtig, weil jetzt die Richtlinien für die nächsten zwei Jahre festgelegt werden sollten, also für die Bildungspolitik bis zum Ende dieser Legislaturperiode. Was erwarten Sie denn jetzt noch aus Berlin?

    Hartmer: Das Problem besteht darin, dass natürlich Berlin immer alles nur in Abstimmung mit den Ländern machen kann. Nach der Föderalismusreform liegt alle Zuständigkeit bei den Ländern. Man kann sich natürlich vorstellen, dass es eine gemeinsame nationale Bildungsoffensive von Bund und Ländern geben wird, kann man sich vorstellen, aber die Erfahrungen in der Vergangenheit haben nicht gerade gezeigt, dass solche Verhandlungen sehr einfach sind. Insofern, es gehen bestimmte positive Signale von Meseberg aus, aber alles, was jetzt kommt, wird man sehen müssen, inwieweit Frau Ministerin Schavan und die Bundesregierung das mit den Ländern gemeinsam umsetzen kann. Letztlich, das muss man immer wieder sagen, sind die Länder diejenigen, die Verantwortung tragen für die Ausstattung in den Hochschulen.

    Biesler: Michael Hartmer, der Geschäftsführer des Deutschen Hochschulverbandes zur Kabinettsklausur des Bundeskabinetts in Meseberg. Vielen Dank.