Benedikt Schulz: Mehr als 14.000 zulassungsbeschränkte Studienplätze sind in diesem Wintersemester unbesetzt geblieben. Kurz zur Erinnerung: Das Wintersemester, das ist so gut wie vorbei. Die Studienplätze werden nicht richtig verteilt. Überfüllte Hörsäle treffen auf leere Plätze - wie kann das sein? Wir haben bereits gestern darüber berichtet. Der Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, Achim Mayer auf der Heyde, sagte gestern in dieser Sendung:
"Zum einen hängt es sicherlich natürlich damit zusammen, dass die Dialogorientierte Studienzulassung eben zum Teil nur von einigen Hochschulen genutzt werden, ich glaube, es sind 62. Das heißt also, überregional findet gar keine vernünftige Verteilung statt."
Früher gab es dafür, für diese Verteilung, die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen, bekannter unter dem Kürzel ZVS. Vor einigen Jahren wurde die ersetzt durch die Stiftung für Hochschulzulassung, die das Onlineportal Hochschulstart betreibt. Ulf Bade ist Geschäftsführer der Stiftung, und zuvor war er auch schon Chef der ZVS. Ich grüße Sie!
Ulf Bade: Guten Tag, Herr Schulz!
Schulz: Wie sehr trauern Sie denn der ZVS hinterher, wenn Sie diese Zahlen sehen?
Bade: Nein, ich trauere der ZVS keinesfalls hinterher, denn die Aufgaben, die die ZVS erledigt hat, werden nach wie vor auch von der Stiftung erledigt. Es sind nur neue Aufgaben hinzugekommen, nämlich das, was sich hinter dem Dialogorientierten Serviceverfahren verbirgt. Nachdem erkannt worden ist, dass örtliche Zulassungsbeschränkungen zu Mehrfachzulassungen führen, die nicht koordiniert werden, und infolgedessen Studienplätze frei bleiben, haben Hochschulen und Länder gemeinsam das Dialogorientierte Serviceverfahren initiiert, und ich halte es auch für den richtigen Ansatz, um die erkannten Allokationsprobleme zu lösen.
"Ausbau erfolgt schrittweise"
Schulz: Aber es funktioniert ja noch nicht sehr gut. Dieses Dialogorientierte Serviceverfahren ist ja nun nicht erst seit letzter Woche erfunden worden. Warum sind die Fortschritte so klein bis jetzt?
Bade: Zunächst mal möchte ich Ihnen widersprechen. Das Verfahren funktioniert. Wir müssen vielleicht differenzieren in technischer und in inhaltlicher Hinsicht. Technisch läuft das Verfahren inzwischen, und jede Hochschule, die teilnehmen will, kann auch teilnehmen. Das heißt aber nicht, dass Sie sich das so einfach vorstellen können wie den Stecker eines Geräts in die Steckdose zu stecken, und der Motor läuft. Es sind immer in der IT kleine Anpassungsarbeiten vorzunehmen. Deswegen erfolgt der Ausbau auch schrittweise. Wenn Sie sich vergegenwärtigen, vor drei Jahren ist das DoSV zum Wintersemester 12/13 gestartet mit 17 teilnehmenden Hochschulen, im letzten Jahr waren es 47, und jetzt sind es zum Wintersemester 14/15 62 gewesen. Noch viel beeindruckender die Zahl der Studienangebote: von 22 über 176 auf 289. Dahinter stehen 2.500, 17.000 und nun 28.000 Studienplätze.
Schulz: Ich möchte aber jetzt eine andere Zahl dazwischen geben. Von den örtlich zulassungsbeschränkten rund 4.000 Studiengängen, von denen reden wir, ist für 289 eine Bewerbung über Hochschulstart möglich. Die Zahl haben Sie gerade selber genannt. Das ist ja nun nicht sehr viel, oder?
Bade: Das ist noch nicht sehr viel, wobei Sie jetzt bitte sehen mögen, dass wir zunächst einmal Cluster gebildet haben in fachlicher Hinsicht, insbesondere in dem Fach Psychologie. Hier hat sich auch der Abgleicheffekt durchaus schon eingestellt, nachdem mehr als dreiviertel aller psychologieführenden Hochschulen teilgenommen haben. Weiterhin muss man sehen, dass wir ungefähr eine Zahl von 180 Hochschulen im Blick haben, für die das Dialogorientierte Serviceverfahren konzipiert worden ist.
Schulz: Aber warum ist das Interesse bis jetzt - warum ist es denn bis jetzt so gering? Warum ist es für die Hochschulen noch nicht attraktiv, jetzt noch nicht attraktiv, an dem Verfahren voll teilzunehmen? Das ist ja schließlich das Ziel langfristig.
Bade: Weil wir es da bisweilen mit einem klassischen Zirkelschluss zu tun haben. Es wird argumentiert, das Verfahren kann noch nicht seine volle Wirksamkeit entfalten, weil nicht alle teilnehmen, und deswegen nehmen wir auch nicht teil. Wenn alle teilnehmen, sind wir auch dabei.
Schulz: Und wie können Sie, von sich aus, von Ihrer Stiftung aus, das Ganze attraktiver machen, um diesen Zirkelschluss zu durchbrechen?
Bade: Durch Überzeugungsarbeit, dass das Dialogorientierte Serviceverfahren das geeignete Instrument ist, die erkannten Allokationsprobleme zu beheben. Der Wettbewerb zwischen Hochschulen ist erwünscht. Ausdruck des Wettbewerbs sind Mehrfachbewerbungen. Wenn aus Mehrfachbewerbungen unkoordinierte Mehrfachzulassungen werden, ist dies ein nicht erwünschter Zustand.
Schulz: Ich will mal einen anderen Vorschlag in den Raum stellen: Es sollten vielleicht die Länder die Hochschulen dazu zwingen, an dem ganzen Verfahren teilzunehmen?
Bade: Das sollten Sie die Länder fragen.
Schulz: Wie ist Ihre Meinung dazu?
Bade: Da spare ich mir jede Meinung.
"Nachrückverfahren sind erforderlich"
Schulz: Ein anderes Problem möchte ich noch kurz - darauf möchte ich noch kurz zu sprechen kommen, sind lange Nachrückverfahren. Warum fressen Nachrückverfahren momentan immer noch so viel Zeit, und was könnte man unternehmen, um diese Nachrückverfahren zu beschleunigen?
Bade: Nachrückverfahren sind erforderlich, weil nicht jeder vermeintlich Glückliche, der eine Zulassung bekommen hat, diese Zulassung auch annimmt. Dann muss das Verfahren noch mal angestoßen werden. Mit entsprechenden Fristen müssen sich die nun Angeschriebenen äußern, einschreiben et cetera. Auch aus dem Grunde wird das Dialogorientierte Serviceverfahren für die Hochschulen Entlastung schaffen.
Schulz: Betrifft alles eine Zeit, die hoffentlich bald kommen wird. Kommen wir mal auf die zu sprechen, die es jetzt gerade betrifft, nämlich diejenigen, die sich jetzt bald für einen Studienplatz bewerben. Können Sie denn diesen Anwärtern ganz guten Gewissens empfehlen, dass die ihre Bewerbung nur über Ihr Portal abwickeln, wenn ein Großteil der Studiengänge jetzt zumindest noch nicht vertreten ist?
Bade: Wenn es sich um einen Studiengangwunsch handelt, der nahezu vollständig im Dialogorientierten Verfahren abgebildet ist, kann man diese Empfehlung aussprechen.
Schulz: Welche sind das, außer Psychologie?
Bade: Psychologie in der Hauptsache. Da werden wir nahezu eine Flächendeckung erreichen. In anderen Bereichen wird dies mittelfristig angestrebt. Dazu gehört unter anderem die Ingenieurwissenschaft, die Betriebswirtschaft. Jura ist auch schon sehr weit fortgeschritten. Es hängt dann allerdings auch noch von dem Wunsch der Bewerberschaft ab: Es kann ja auch durchaus sein, dass sich jemand noch nicht abschließend festgelegt hat, ich möchte Jura studieren, sondern sich überlegt, vielleicht Jura, vielleicht doch BWL, vielleicht ganz was anderes. Und dann wird er entsprechend auch seine Wünsche platzieren. Also mit anderen Worten: Wenn es Wünsche betrifft, die noch nicht oder nicht vollständig im DoSV abgebildet werden, würde ich aus Bewerbersicht jederzeit sowohl über hochschulstart.de als auch bei allen übrigen Hochschulen, die noch nicht teilnehmen, meine Bewerbung platzieren.
Schulz: Sagt Ulf Bade. Er ist Geschäftsführer der Stiftung für Hochschulzulassung, die das Onlineportal hochschulstart.de betreibt. Ganz herzlichen Dank!
Bade: Ja, gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.