Überschwemmung
Staat oder Bürger – wer hilft beim Hochwasserschutz?

Mit dem Hochwasser in Süddeutschland wird eine alte Debatte neu geführt: Wer soll für Wiederaufbau und Vorsorge bezahlen – der Staat oder die Bevölkerung? Dabei stellt sich die Frage, wie sich Privatleute überhaupt schützen können.

    Bewohner von Stein an der Donau (Krems) treffen am Montag, 3. Juni 2013, Schutzmassnahmen gegen die drohenden Überschwemmungen.
    Wie viel Eigenverantwortung braucht es im Hochwasserschutz? (Symbolbild) (picture alliance / HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com)
    Vor dem Hintergrund des Hochwassers in Bayern und Baden-Württemberg wird nun gefordert, dass die Vorsorge und Absicherung gegen Überschwemmungsschäden bundesweit verbessert werden soll. Dabei konkurrieren zwei Ansätze: Während sich die einen mehr staatliche Unterstützung wünschen, sehen andere die Bürgerinnen und Bürger stärker in der Pflicht, selbst vorzusorgen.
    Die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Gerda Hasselfeldt, forderte in der „Augsburger Allgemeinen“, dass dringend in die Zukunft eines starken öffentlichen Bevölkerungsschutzes investiert werden müsse.
    Der Deutsche Städte- und Gemeindebund sieht das anders: "Allen voran braucht es mehr Eigenverantwortung, Eigenvorsorge und eine Bereitschaft der Gesellschaft, das Problem gemeinsam anzugehen und auch selbst aktiv zu werden", sagte DStGB-Präsident Uwe Brandl der gleichen Zeitung.

    Inhalt

    Was würde mehr öffentlicher Bevölkerungsschutz bedeuten?

    Dabei würden verschiedene Bereiche gestärkt und ausgebaut:
    Schnelle und verlässliche Hilfsgelder
    Nach der Flut 2021 im Ahrtal hatten Bund und Länder 770 Millionen Euro für Soforthilfen bereitgestellt. Zusätzlich gab es einen Aufbauhilfefonds in Höhe von 30 Milliarden Euro.
    Der Blick in die Vergangenheit zeigt aber, dass ein solches finanzielles Kissen vom Staat keinesfalls immer auf die Beine gestellt wird. Ein Ausbau der öffentlichen Katastrophenvorsorge würde das im Idealfall sicherstellen und dafür sorgen, dass z.B. Haushalte Gelder zum Wiederaufbau mit möglichst wenigen Hürden erhalten. Im Fall der Ahrtal-Flut hatten Geschädigte noch ein Jahr später beklagt, dass es bei der Bewilligung und Auszahlung hakt.
    Mehr technischer Hochwasserschutz
    Droht eine Flut, können technische Lösungen wie Deiche, Mauern, mobile Schutzwände oder Rückhaltebecken an gefährdeten Orten errichtet werden. Auch Sandsäcke sind noch immer ein viel eingesetztes Mittel. Ebenso gehören gute Ablaufsysteme und Kanalisationen in diesen Bereich.
    Mehr natürlicher Hochwasserschutz
    Zum natürlichen Hochwasserschutz zählen unter anderem Polder und Retentionsflächen. Diese Gebiete befinden sich zwischen Flüssen und Gebäuden jeglicher Art und erlauben es übergetretenem Wasser, sich breitflächig auszubreiten und später zu versickern.
    Ein Problem: Es gibt nur noch wenige dieser Flächen: „Generell haben wir in Deutschland nur noch ein Drittel der ganzen Flussauen, die es früher mal gab", sagt der Hydrologe Ralf Merz. "Die Flussauen sind diese Überschwemmungsgebiete, wo die Flüsse über die Ufer gehen können und das Wasser zurückhalten.“
    Illustration unterschiedlicher Massnahmen, die helfen können, den Hochwasserschutz zu verbessern.
    Vieles kann helfen, mit Hochwasser besser umzugehen. (dpa / Bundesumweltministerium)
    Problem Nummer zwei: Die Wiederherstellung dürfte Jahrzehnte dauern. Außerdem wäre es dafür notwendig, bereits bestehende Deiche großflächig zurückzuverlegen - die sogenannte Rückdeichung. Auen könnten dann nicht mehr als Acker genutzt werden. Auch müsste mit Protest gerechnet werden, wenn Landwirtinnen und Landwirte solche Flächen abgeben sollen.
    Personelle Stärkung des Bevölkerungsschutzes
    Organisationen und Einheiten, die beim Katastrophenschutz zum Einsatz kommen, müssten personell aufgestockt werden – vor allem mit mehr hauptberuflichen Kräften. Dazu zählen z. B. das Technische Hilfswerk (THW), die Feuerwehren, das Deutsche Rote Kreuz (DRK), die Bundeswehr und weitere. Durch mehr Personal könnten im Idealfall auch überlange Schichten vermieden werden.
    Ebenfalls beklagen Fachleute, dass es derzeit an nötigen Fahrzeugen mangele sowie an Einsatzmaterial wie Pumpensystemen oder Sandsack-Füllmaschinen.

    Was würde das kosten?

    Vor allem auf Bundesebene halte die Finanzierung beim Zivil- und Katastrophenschutz nicht mit den realen Umständen mit, sagt René Burfeindt vom Deutschen Roten Kreuz. Seine Finanzkalkulation: „Wir brauchen zwei Milliarden Euro im deutschen Bevölkerungsschutz jährlich. Das sind etwa 0,5 Prozent des Bundeshaushaltes. Derzeit sind wir bei 0,14 Prozent.“


    Was bedeutet mehr Eigenverantwortung beim Hochwasserschutz?

    Nach Ansicht des Städte- und Gemeindebunds besteht mehr Eigenverantwortung auch darin, dass die Bevölkerung Schutzmaßnahmen mitfinanziert und darauf verzichtet, in potenziellen Überschwemmungsgebieten Häuser zu bauen. Ebenfalls gehöre es dazu, „Grundstücke abzugeben, wenn das zum Hochwasserschutz erforderlich ist“, sagt der Präsident der Organisation, Uwe Brandl.
    Das Balkendiagramm zeigt, welche Überschwemmungen im Zeitraum 2002 bis 2023 die teuersten Sachversicherungsschäden verursacht haben.
    Das Balkendiagramm zeigt, welche Überschwemmungen im Zeitraum 2002 bis 2023 die teuersten Sachversicherungsschäden verursacht haben. (Statista/GDV )
    Auch die Diskussion um eine Pflichtversicherung für Elementarschäden aller Wohngebäude hat wieder an Fahrt aufgenommen. Befürworter sind unter anderem NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Eine Motivation hinter dieser Forderung: Die Länderhaushalte sollen weniger durch Naturereignisse belastet werden.
    Eine solche Versicherungspflicht könnte bedeuten, dass sich alle Immobilienbesitzer gegen sogenannten Elementarschaden (wozu auch Hochwasser zählt) versichern müssen – auch diejenigen, deren Haus nicht in einem Flutrisikogebiet steht. Aufgrund der großen Menge der Versicherten könnten auch Gebäude in Risikozonen zu einem realistischen Preis mitversichert werden.


    Welche Möglichkeiten gibt es, sich vor Hochwasser zu schützen?

    Wie kann ich mein Haus gegen Hochwasser schützen? Die Frage dürften sich immer mehr Menschen stellen.
    Freiwillige Elementarschadenversicherung
    Zu den sogenannten Elementarschäden zählen Naturgefahren wie Erdrutsch, Starkregen und ebenfalls Überschwemmungen. Wichtig: Eine Versicherung gegen solche Elementarschäden ist in der Regel ein freiwilliger und zusätzlicher Baustein bei Abschluss einer Wohngebäudeversicherung. „Eine reine Wohngebäudeversicherung sichert andere Gefahren ab, wie z.B. Feuer, Sturm und Hagel“, sagt Versicherungsexperte Christian Groß.
    Bauliche Maßnahmen
    Wer ein Haus mit Lichtschacht besitzt, dem empfiehlt Groß, um diesen eine Backsteinreihe zu bauen. Das könne schon "viele Überschwemmungsschäden vermeiden, weil das Wasser dann einfach nicht mehr in den Lichtschacht eindringt".
    Eine weitere Möglichkeit ist es, eine Rückstauklappe im Keller einzubauen. Dadurch wird verhindert, dass Kanalwasser eindringt. Menschen, die in direkter Nähe eines Gewässers, in der sogenannten Bachzone, leben, können darüber nachdenken, druckfeste Türen und Fenster anzuschaffen, so Groß.

    Wie teuer wäre mehr Eigenverantwortung für jeden Einzelnen?

    Nach Angaben von Christian Groß kostet eine Elementarschadenversicherung für ein Standard-Einfamilienhaus in der geringsten Gefahrenlage 60 bis 270 Euro jährlich. In höheren Gefahrenzonen könne die Summe auch bei 1000 Euro und mehr liegen.
    Würde eine Elementarschadenversicherung für alle Immobilienbesitzer verpflichtend, wie es manche fordern, lägen die Kosten pro Haushalt bei etwa 190 Euro im Jahr. Das hat das Beratungsunternehmen Meyerthole Siems Kohlruss errechnet, ein Zusammenschluss von Versicherungsmathematikern.
    Für einen Großteil der bisher Versicherten würde demnach die Jahresprämie steigen. Für einige andere würde die Versicherung dadurch erst erschwinglich.
    Mögliche Alternative für Elementarschadenversicherung
    Manche Hausbesitzer dürften vor den mitunter hohen Kosten einer freiwilligen Elementarschadenversicherung zurückschrecken. Darauf hat der Markt teilweise schon reagiert, wie Versicherungsfachmann Groß erläutert. So gebe es Versicherungen, "die nur den Katastrophenfall abdecken". Kleinere Schäden müssten die Betroffenen selbst bezahlen, was günstigere Beiträge ermögliche.

    jma