AfD will Staatsverträge kündigen
MDR fürchtet trotzdem keine Abschaffung

Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke hat angekündigt: Sollte er Ministerpräsident werden, möchte er den MDR-Staatsvertrag kündigen und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk umbauen. Der MDR reagiert gelassen. Könnte Höcke seine Vorhaben umsetzen?

25.07.2024
    Björn Höcke, Fraktionsvorsitzender und Spitzenkandidat in Thüringen, gibt ein Interview am Rande des Parteitags
    Sollte Björn Höcke nach den Landtagswahlen Ministerpräsident in Thüringen werden, will er den MDR umbauen. (picture alliance / Chris Emil Janßen)
    Im April 2024 haben Wissenschaftler vom Verfassungsblog mit dem „Thüringen-Projekt“ auf eine Schwachstelle in der Thüringer Landesverfassung hingewiesen: Unter der aktuellen Verfassung sei es Ministerpräsidenten möglich, Staatsverträge von ARD, ZDF und MDR zu kündigen, ohne dabei den Landtag einbinden zu müssen. Würde die AfD mit Björn Höcke in Thüringen an die Macht kommen, könnte er das also im Alleingang tun.
    Dass er genau das beabsichtigt, hat Höcke bereits auf dem Parteitag der Thüringer AfD im November 2023 angekündigt. Dort wurde er zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl in Thüringen im September 2024 gewählt. Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) sieht sich trotz solcher Ankündigungen in seiner Existenz nicht bedroht.

    Inhalt

    Was hat Björn Höcke bezüglich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks angekündigt?

    Der AfD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Thüringen, Björn Höcke, hat im November 2023 in seiner Rede auf dem Parteitag in Pfiffelbach unweit von Weimar einen Fünf-Punkte-Plan vorgestellt. Darin hat er erklärt, als Ministerpräsident von Thüringen alle Staatsverträge kündigen zu wollen, die mit Öffentlich-Rechtlichen zu tun haben. Diese Verträge enthalten die zentralen Regelungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, geben den Sendeanstalten also den Auftrag, Programm zu gestalten.
    Außerdem möchte die AfD das Budget des MDR um 90 Prozent kürzen und durch eine Steuer finanzieren. Diese solle etwa von Amazon und Netflix gezahlt werden.
    Die Pläne von Höcke und der AfD umfassen auch die Konzeption eines sogenannten „Grundfunks“. Nach Angaben der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag solle dieser mit einem Zehntel der Mittel des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auskommen. Dieser wird in einem auf der Fraktionsseite verlinkten PDF als kostenintensiv dargestellt und sei „in seiner heutigen Ausgestaltung“ ein „Relikt aus den 1950er Jahren“. Auch spricht Höcke von angeblicher "Regierungspropaganda“ in Bezug auf den derzeitigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

    Welche Folgen hätten Höckes Maßnahmen für den MDR und die Medien?

    Dass ein Ministerpräsident oder eine Ministerpräsidentin die Verträge mit öffentlich-rechtlichen Sendern mit einer Unterschrift aufkündigen kann, hat damit zu tun, dass ihr Bestehen nicht durch Gesetze geregelt ist, sondern eben nur vertraglich. Und um einen Vertrag zu kündigen, genügt eine Unterschrift. Davon gehen zumindest die Wissenschaftler des Verfassungsblogs aus. Das gibt der Landesregierung und dem Ministerpräsidenten große Macht.
    Sollte Höcke den Vertrag kündigen, würde das aber nicht dazu führen, dass der MDR aufgelöst wird. Schließlich sendet der MDR auch noch in Sachsen und Sachsen-Anhalt. Es handelt sich also um einen Dreiländerstaatsvertrag.
    Der öffentlich-rechtliche Rundfunk würde also nicht in Gänze dadurch aufhören zu existieren, sagt Tobias Mast vom Leibniz-Institut für Medienforschung.
    Er sei aber zumindest in Ländern wie Thüringen bei entsprechendem Wahlausgang „bedroht“. Was wiederum Auswirkungen auf die gesamte Bundesrepublik haben könne. Die Medienordnung würde sich seiner Einschätzung nach dadurch fundamental verändern.
    „Zwar würden die Rundfunkanstalten auch ohne Beteiligung Thüringens mit den übrigen Ländern fortbestehen“, schreiben die Wissenschaftler vom Verfassungsblog zu der Situation. „Allerdings wäre die bundesweite Finanzierung des Rundfunks stark beeinträchtigt und Gremien müssten neu besetzt werden. Die Rundfunkanstalten wären auch nicht mehr berechtigt, ihren Sendebetrieb in Thüringen fortzusetzen“. Allerdings würde die Kündigung frühestens 2026 in Kraft treten. Denn die Kündigungsfrist beträgt zwei Jahre.

    Wie hat der MDR auf die AfD-Pläne reagiert?

    Jens-Ole Schröder, Juristischer Direktor beim Mitteldeutschen Rundfunk, teilt die Einschätzungen der Wissenschaftler vom "Thüringen-Projekt" nicht in vollem Umfang - und sieht der Ankündigung des thüringischen AfD-Spitzenkandidaten Björn Höcke eher gelassen entgegen. Der MDR könne auch weiterhin Programm für und vor allem aus Thüringen machen, sagte er im Deutschlandfunk.
    Auch müsse der Rundfunkbeitrag von den Menschen in Thüringen weiterbezahlt werden. Der aktuell gültige Rundfunkbeitrag von 18,36 Euro pro Monat und Haushalt gehe nämlich auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zurück - und nicht auf einen gültigen Staatsvertrag. Die Entscheidung des Gerichts könne aber „durch keine Kündigung eines Staatsvertrages aus der Welt geschafft werden“.
    Wenn einzelne Länder den öffentlich-rechtlichen Rundfunk neu ordnen wollten, dann ginge das grundsätzlich, so Schröder: „Aber nicht so, wie sie lustig sind, sondern so, wie es die Rahmenbedingungen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorsehen. Das ist ganz wichtig! Man kann nicht den öffentlich-rechtlichen Rundfunk durch Kündigung in Teilen des Bundesgebiets beseitigen, sondern man müsste etwas den Regelungen des Bundesverfassungsgerichts Entsprechendes an seine Stelle setzen.“

    Wie ließe sich die Umsetzung von Höckes Plänen verhindern?

    Damit nicht länger ein einzelner Ministerpräsident oder Ministerpräsidentin derartige Verträge kündigen kann, muss die Landesverfassung geändert werden. Hier könnte zum Beispiel festgelegt werden, dass eine Kündigung von Staatsverträgen nur mit der Zustimmung des Landtags erlaubt ist. Dazu wäre eine Zweidrittel-Mehrheit nötig. Die ließ sich aber bisher nicht finden.
    Mittlerweile ist der Landtag in der Sommerpause. Eine Abstimmung vor den Wahlen wäre nur noch Ende August möglich. Ob dann ausreichend Abgeordnete für eine Verfassungsänderung stimmen würden, ist mehr als ungewiss.

    vg