Susanne Schrammar: Angriffe auf Polizisten und Rettungskräfte sollen künftig strenger geahndet werden. Das Bundeskabinett hat heute einen entsprechenden Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht, der unter anderem schärfere Strafe vorsieht. Wer einen Vollstreckungsbeamten angreift, soll danach zu einer Freiheitsstrafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren verurteilt werden können. Außerdem sieht der Gesetzesentwurf eine neue Regelung vor: Bisher kann ein Angriff auf Polizisten nur im Vollstreckungsdienst gesondert geahndet werden, also wenn er jemanden festnimmt oder die Personalien feststellt. Künftig soll ein Angriff auch dann ein Straftatbestand sein, wenn sich Beamte zum Beispiel auf Streife befinden, Unfälle aufnehmen oder auf der Wache ihren Dienst verrichten.
"Die Täter handeln aus einem anderen Motiv"
Rita Steffes-enn leitet das Zentrum für Kriminologie und Polizeiforschung in Kaisersesch. Frau Steffes-enn, Sie forschen zum Thema Gewalt gegen Polizeibeamte aus Tätersicht, waren selbst als Polizeibeamtin im Einsatz. Was halten Sie denn von den Plänen der Bundesregierung?
Rita Steffes-enn: Ja, also wenn ich das Ganze mal aus Perspektive der Täter betrachte, da ist es so, dass es wohl nicht den gewünschten Effekt bringen wird, also mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, weil die Täter aus einem anderen Motiv handeln. Und Abschreckung, was ja damit erzielt werden soll oder auch die Normen und Werte, die damit obengehalten werden sollen, eben nicht das durchschlagende Argument sind bei diesen Klienten, dass man sagen würde, das würde die abhalten von einer solchen Straftat.
"Das sind komplett unterschiedliche Einsatzlagen"
Schrammar: Wenn Strafverschärfung aus Ihrer Sicht nichts bringt, wo sollte man stattdessen ansetzen?
Steffes-enn: Also es gibt so drei verschiedene Gruppen, die besonders auffallen, wenn es auf Angriffe auf Polizeibeamte geht: Das eine ist, wenn Sie im häuslichen Gewaltbereich unterwegs sind, also Polizei in Fällen von häuslicher Gewalt vor Ort gerufen wird. Das andere sind allgemein gewaltbereite Personen, die also generell Gewalt als ein gutes Konfliktlösungsmuster sehen, das auch häufig anwenden, nicht selten auch sehr lustorientiert Gewalt anwenden. Und die dritte Gruppe ist quasi dort, wo Polizeikräfte bei Großeinsatzlagen angegriffen werden. Da haben wir es nicht selten neben Fußballspielen auch mit politischen Demonstrationen oder Einsätzen zu tun, aus dem linken und/oder rechten Spektrum. Das sind komplett unterschiedliche Einsatzlagen.
Bei der häuslichen Gewaltlage, da müssen Sie zum Beispiel viel stärker drauf schauen, was haben die Polizeikräfte für Eigensicherungsmittel, was haben sie für Schutzausrüstung, was haben sie aber auch für Mittel an der Hand, wenn eine Situation eskaliert, eben die Lage sozusagen zu entschärfen, und da ist meistens eben nur die körperliche Gewalt oder eben die Schusswaffe, und wir haben wenig Raum dazwischen, und da werden sehr, sehr viele Polizeibeamte verletzt. Da muss an der Schutzausrüstung gearbeitet werden, Gesprächsführung ist in diesen Bereichen ganz, ganz wichtig.
Bei den allgemeinen Gewalttätern ist auch das Thema, Täterdenkstrukturen zu kennen, und das andere, bei Großeinsatzlagen, können Sie nur über Personal, über Masse, über Schutzausrüstung agieren. Personal muss besser ausgebildet werden in Täterdenkstrukturen, Schutzausrüstungen, Personalaufstockung - das ist das, was Polizei direkt an der Front tun kann, und dafür braucht sie Politik, und dafür braucht es Geld, und dafür braucht es einfach mehr Personal. Der Rest muss wirklich auf großer politischer, gesellschaftlicher Ebene, ein Wandel erfolgen, sonst funktioniert das nicht.
"Die haben Spaß an Gewalt"
Schrammar: Sie forschen über Täter, die Polizeibeamte angreifen. Was sind denn deren Motive, was haben Sie herausgefunden?
Steffes-enn: Die Leute, die im häuslichen Gewaltbereich sind, die wollen wirklich mehr ihr Territorium verteidigen. Da geht es darum, extreme Emotionslagen zu regulieren mittels Gewalt. Also da sind sie in einer sehr aufgebrachten, aufgewühlten emotionalen Lage unterwegs. Bei den anderen Tätern, die haben Spaß an Gewalt und trainieren teilweise auch mit Polizeikräften Gewalt sozusagen, wenn sie in solche Situationen reingehen, oder haben einfach Bock auf Gewalt oder sind eben leicht kränkbar durch bestimmte Verhaltensstrukturen von Polizeikräften. Und die dritte Gruppe, bei den Großeinsätzen, neben Fußballspielen, wo auch viel lustorientierte Gewalt läuft, bei den politischen Lagern, da findet sich nur bei dieser Gruppe Hass auf den Staat, und Polizei ist quasi symbolisch Staatsvertreter und damit Teil des Staates, der in seiner jetzigen Form nicht akzeptiert wird. Da tun sich rechts und links gar nichts, beide mögen den Staat so nicht, hassen den Staat, wie er ist, und lehnen deswegen auch die Polizeikräfte dementsprechend ab.
Äußerung von Rainer Wendt: "Ein bisschen eindimensional"
Schrammar: Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sagt, man müsse den Menschen wieder beibringen, dass Polizisten Respektspersonen seien. Warum fehlt dieser Respekt vor den Einsatzkräften, die uns Bürger ja eigentlich schützen?
Steffes-enn: Also zum einen fehlt es nicht an Respekt gegenüber Polizeikräften. Also das finde ich ein bisschen eindimensional. Schauen Sie sich das Thema Hatespeech an, also diese Hasssprache im Internet, empört zu sein, entrüstet zu sein, aggressiv ablehnend zu sein, ist zurzeit sehr en vogue. Also das bezieht sich ja nicht nur auf Polizeikräfte per se. Menschen, die sich unsicher fühlen, die sich ungerecht behandelt fühlen, die Angst haben, neigen durchaus dazu, auch aggressiv ablehnend auf andere zu reagieren, auf wen auch immer. Da ist Polizei eben nur eine Gruppe. Also das ist jetzt nicht so, dass wir sagen müssen, Polizei müssen Respektspersonen sein - das ist ein generelles Thema in unserer Gesellschaft, von unserem Miteinander.
Schrammar: Sagt Kriminologin Rita Steffes-enn. Wir haben über den neuen Gesetzesentwurf der Bundesregierung gesprochen, wonach Angriffe auf Polizeibeamte künftig strenger geahndet werden sollen. Wir haben das Gespräch vor der Sendung aufgezeichnet. Vielen Dank!
Steffes-enn: Danke auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.