Jürgen Zurheide: Wie denn die Lage vor Ort ist, darüber wollen wir uns jetzt ein Bild machen. Und dazu begrüßen ich herzlich am Telefon Karlheinz Böhm, Initiator und Gründer der Hilfsorganisation "Menschen für Menschen", den wir in Addis Abeba erreichen, guten Morgen, Herr Böhm!
Karlheinz Böhm: Einen schönen guten Morgen Ihnen und allen Zuhörerinnen und Zuhörern sehr herzliche Grüße.
Zurheide: Ich freue mich, dass wir heute Morgen mit Ihnen reden können. Sie sind, das wissen wir hier bei uns, schon seit langen Jahren unterwegs und versuchen, den Menschen zu helfen. Wenn ich Sie mal fragen darf, zum Beispiel die Medikamentenversorgung, Herr Böhm, die gerade angesprochen worden ist, wo es ja schon Versprechen auch der westlichen Welt gegeben hat, dass sie besser werden soll. Wenn Sie das in Äthiopien beobachten und in den Ländern, in denen Sie aktiv sind, hat sich denn da schon was verändert oder wartet man da immer noch?
Böhm: Verzeihen sie, welcher Versorgung, was haben Sie gesagt?
Zurheide: Der Medikamentenversorgung, zum Beispiel.
Böhm: Medikamenten. Ja, das ist ein Beispiel von vielen, vielen, vielen. Aber ich möchte vielleicht generell noch mal etwas sagen, was diesen ganzen Gipfel betrifft, diesen G8-Gipfel und die ganzen Gespräche. Ich habe mich zum Teil mit dem, was in Mali gesagt wurde, sehr, hundertprozentig, identifizieren können, und auf der anderen Seite, etwas wird immer und immer wieder vergessen: Ich kann es nicht laut genug erwähnen, ich bin vielleicht einer dieser wenigen, der da wirklich den Mund aufmacht und sagt, was er denkt, und halte das für sehr, sehr wichtig, und zwar: Der Kolonialismus, über den man gerne, das Wort überhaupt nicht mehr gerne ausspricht, hat ja immerhin 487 Jahre gedauert. Das ist in der Geschichte der Menschheit nicht mehr ein kleiner Tropfen, sondern ein halbes Jahrtausend, ist schon eine ganz schön lange Zeit. In diesem Zeitraum wurden fast alle afrikanischen Staaten mit ganz wenigen Ausnahmen wie zum Beispiel Äthiopien, das eine eigene Feudaldiktatur hatte und einen Feudalkolonialismus, wenn man so will, aber, wurden diese ganzen Staaten auf die brutalste Art und Weise an jeglicher Form einer eigenen Entwicklung, sei es im kulturellen Bereich, sei es im religiösen Bereich, sei es im soziopolitischen Bereich, sei es im wirtschaftlichen Bereich, in allen Bereichen, ganz gleich was, das waren die Sklaven der Kolonialmächte und sonst nichts. Und dieser Zeitraum, und das ist in Vergessenheit geraten, hat dazu geführt, dass sich diese fast eine Milliarde Menschen von Afrika einfach nicht so entwickeln konnten, wie wir das in Europa oder in anderen Kontinenten auf dem Planeten Erde getan haben.
Zurheide: Wenn ich da mal zwischenfragen darf: Ist es deshalb, Herr Böhm, vielleicht ungerecht, wenn wir jetzt dann sagen, na ja, tut mal was gegen Korruption, aber wir selbst haben dazu beigetragen und tun es heute noch, dass so was wie Korruption zum Beispiel da ist?
Böhm: Schauen Sie, wenn ich das Wort Korruption höre, muss ich manchmal geradezu, wenn Sie mir das Wort verzeihen, lachen. Denn wenn ich mich erinnere, in den letzten paar Jahren, ganz wenige Jahre, da brauche ich gar nicht so lange zurückzudenken, gab es in Europa unter anderem in meiner Heimat Österreich, wie auch in Deutschland, wie auch in anderen Staaten Europas, es gab Korruptionsskandale, die in Nummern gegangen sind, in Zahlen, womit das, was in Afrika passiert, geradezu lächerlich erscheint. Das heißt, das sind riesige Korruptionsskandale, die meistens auf Individuen beruhen, die dann mit Milliarden und Abermilliarden irgendwelche schrecklichen Dinge machen und man sich jetzt überlegt, wie man sie vor Gericht stellen soll et cetera. Das zu vergleichen mit dem, was man hier Korruption nennt in Afrika, das finde ich höhnisch und zynisch, anders kann ich es nicht sagen.
Zurheide: Ich danke Ihnen für diese Erfahrung, ich würde gerne versuchen: Was können wir denn lernen daraus, aus Ihren Erfahrungen? Sind es die Staaten, haben Sie noch Hoffnung, dass die Politik etwas ändert? Oder müssen wir Menschen etwas ändern nach dem Beispiel, was Sie gegeben haben, was ja darauf hinläuft, dass Menschen für Menschen da sind und das die kleinen Dinge verändert werden und dass man von unten etwas aufbaut? Auf welches Entwicklungsmodell setzen Sie heute?
Böhm: Als Erstes, dass man den Menschen die Möglichkeit gibt, sich selbst zu entwickeln und zwar nach ihren eigenen Kulturen, nach ihren eigenen Traditionen, so unterdrückt sie auch waren, hat sich das ja trotzdem entwickelt auf einer ganz anderen Ebene, und es ist gar nicht gesagt. Ich sage es einmal als ein Beispiel, was wir uns immer vorstellen, dass Demokratie die ideale Staatsform ist. Wer sagt, dass das für den Status des Kontinentes Afrika heute es auch eine ideale Staatsform ist? Ich stelle das sehr in Zweifel.
Aber es gibt da so viele Dinge, weil wir immer aus unserer Perspektive heraus denken. Wo wir wirklich aus unserer Perspektive denken müssten, das ist das Problem Wirtschaft. Ich bitte um Entschuldigung, habe ein bisschen Husten. Das Problem Wirtschaft, das muss ich deswegen erwähnen, weil wenn ich denke, was wir für einen Kilo Kaffee in Österreich oder Deutschland zum Beispiel bezahlen und was hier ein Kaffeebauer verdient im Monat mit einem Durchschnittseinkommen für seine ganze Familie von etwa 25 Euro, und wenn man sieht, dass da noch immer kolonialistisches Denken ist, gerade was den Handel betrifft, es müsste langsam Schritt für Schritt nicht nur ein wirklich freier und gerechter Handel entstehen. Sondern es müsste auch etwas entstehen, dass man das Interesse hat, das, was man ein halbes Jahrtausend verhindert hat, halt zu unterstützen, so gut es geht. Nämlich, das was zum Beispiel "Menschen für Menschen" versucht jetzt seit 25 Jahren, den Menschen die Möglichkeit zu geben, sich selber so zu entwickeln, dass sie Partner von uns werden können.
Zurheide: Ich habe, Herr Böhm, gelesen, dass Sie ja etwas Ähnliches machen, was auch der Nobelpreisträger Yunus in Asien empfiehlt, dieses Institut der Mikrokredite. Ist das auch aus Ihrer Erfahrung etwas, was in Afrika aus ihrer ganz persönlichen Beurteilung her den Menschen weiterhelfen kann?
Böhm: Kleinkredite, um es auf Hochdeutsch zu sagen, sind sicher ein sehr, sehr gutes System, ganz besonders, was die Stellung der Frau in der Gesellschaft betrifft. Die Stellung der Frau in der Gesellschaft in Äthiopien zum Beispiel ist so, wie es bei uns einmal in Europa vor 130, 150 Jahren gewesen ist. Und um das zu verändern und um der Frau eine gewisse Selbstständigkeit zu geben, dass sie auch selber Geld verdienen kann und damit einen kleinen Schritt weiter in eine Gleichberechtigungsstufe rückt, das ist ein sehr schönes System. Ich unterstütze das sehr und halte es in jeder Beziehung auch auf der wirtschaftlichen Basis für etwas sehr Gutes.
Zurheide: Wenn Sie zum Schluss Angela Merkel eine besondere Botschaft übermitteln würden aus Ihrer afrikanischen Erfahrung, zum Schluss ganz kurz, welche wäre das, Herr Böhm?
Böhm: Ich versuche, es so kurz als möglich zu machen: Zum einen würde ich mir wünschen, dass sie über die Erziehungsministerien durchsetzt, dass ab sofort, oder ab dem nächsten Schuljahr, über den Kolonialismus in den Schulen ausführlich gelehrt wird, damit die kommenden Generationen über das informiert sind, was der Kontinent Afrika heute ist und warum er so ist, was es ist. Das halte ich für einen ganz, ganz wichtigen Punkt, auch für die kommenden Generationen, für die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen denen. Das wäre einer der wichtigsten Punkte.
Zurheide: Herr Böhm, ich bedanke mich herzlich für das Gespräch.
Karlheinz Böhm: Einen schönen guten Morgen Ihnen und allen Zuhörerinnen und Zuhörern sehr herzliche Grüße.
Zurheide: Ich freue mich, dass wir heute Morgen mit Ihnen reden können. Sie sind, das wissen wir hier bei uns, schon seit langen Jahren unterwegs und versuchen, den Menschen zu helfen. Wenn ich Sie mal fragen darf, zum Beispiel die Medikamentenversorgung, Herr Böhm, die gerade angesprochen worden ist, wo es ja schon Versprechen auch der westlichen Welt gegeben hat, dass sie besser werden soll. Wenn Sie das in Äthiopien beobachten und in den Ländern, in denen Sie aktiv sind, hat sich denn da schon was verändert oder wartet man da immer noch?
Böhm: Verzeihen sie, welcher Versorgung, was haben Sie gesagt?
Zurheide: Der Medikamentenversorgung, zum Beispiel.
Böhm: Medikamenten. Ja, das ist ein Beispiel von vielen, vielen, vielen. Aber ich möchte vielleicht generell noch mal etwas sagen, was diesen ganzen Gipfel betrifft, diesen G8-Gipfel und die ganzen Gespräche. Ich habe mich zum Teil mit dem, was in Mali gesagt wurde, sehr, hundertprozentig, identifizieren können, und auf der anderen Seite, etwas wird immer und immer wieder vergessen: Ich kann es nicht laut genug erwähnen, ich bin vielleicht einer dieser wenigen, der da wirklich den Mund aufmacht und sagt, was er denkt, und halte das für sehr, sehr wichtig, und zwar: Der Kolonialismus, über den man gerne, das Wort überhaupt nicht mehr gerne ausspricht, hat ja immerhin 487 Jahre gedauert. Das ist in der Geschichte der Menschheit nicht mehr ein kleiner Tropfen, sondern ein halbes Jahrtausend, ist schon eine ganz schön lange Zeit. In diesem Zeitraum wurden fast alle afrikanischen Staaten mit ganz wenigen Ausnahmen wie zum Beispiel Äthiopien, das eine eigene Feudaldiktatur hatte und einen Feudalkolonialismus, wenn man so will, aber, wurden diese ganzen Staaten auf die brutalste Art und Weise an jeglicher Form einer eigenen Entwicklung, sei es im kulturellen Bereich, sei es im religiösen Bereich, sei es im soziopolitischen Bereich, sei es im wirtschaftlichen Bereich, in allen Bereichen, ganz gleich was, das waren die Sklaven der Kolonialmächte und sonst nichts. Und dieser Zeitraum, und das ist in Vergessenheit geraten, hat dazu geführt, dass sich diese fast eine Milliarde Menschen von Afrika einfach nicht so entwickeln konnten, wie wir das in Europa oder in anderen Kontinenten auf dem Planeten Erde getan haben.
Zurheide: Wenn ich da mal zwischenfragen darf: Ist es deshalb, Herr Böhm, vielleicht ungerecht, wenn wir jetzt dann sagen, na ja, tut mal was gegen Korruption, aber wir selbst haben dazu beigetragen und tun es heute noch, dass so was wie Korruption zum Beispiel da ist?
Böhm: Schauen Sie, wenn ich das Wort Korruption höre, muss ich manchmal geradezu, wenn Sie mir das Wort verzeihen, lachen. Denn wenn ich mich erinnere, in den letzten paar Jahren, ganz wenige Jahre, da brauche ich gar nicht so lange zurückzudenken, gab es in Europa unter anderem in meiner Heimat Österreich, wie auch in Deutschland, wie auch in anderen Staaten Europas, es gab Korruptionsskandale, die in Nummern gegangen sind, in Zahlen, womit das, was in Afrika passiert, geradezu lächerlich erscheint. Das heißt, das sind riesige Korruptionsskandale, die meistens auf Individuen beruhen, die dann mit Milliarden und Abermilliarden irgendwelche schrecklichen Dinge machen und man sich jetzt überlegt, wie man sie vor Gericht stellen soll et cetera. Das zu vergleichen mit dem, was man hier Korruption nennt in Afrika, das finde ich höhnisch und zynisch, anders kann ich es nicht sagen.
Zurheide: Ich danke Ihnen für diese Erfahrung, ich würde gerne versuchen: Was können wir denn lernen daraus, aus Ihren Erfahrungen? Sind es die Staaten, haben Sie noch Hoffnung, dass die Politik etwas ändert? Oder müssen wir Menschen etwas ändern nach dem Beispiel, was Sie gegeben haben, was ja darauf hinläuft, dass Menschen für Menschen da sind und das die kleinen Dinge verändert werden und dass man von unten etwas aufbaut? Auf welches Entwicklungsmodell setzen Sie heute?
Böhm: Als Erstes, dass man den Menschen die Möglichkeit gibt, sich selbst zu entwickeln und zwar nach ihren eigenen Kulturen, nach ihren eigenen Traditionen, so unterdrückt sie auch waren, hat sich das ja trotzdem entwickelt auf einer ganz anderen Ebene, und es ist gar nicht gesagt. Ich sage es einmal als ein Beispiel, was wir uns immer vorstellen, dass Demokratie die ideale Staatsform ist. Wer sagt, dass das für den Status des Kontinentes Afrika heute es auch eine ideale Staatsform ist? Ich stelle das sehr in Zweifel.
Aber es gibt da so viele Dinge, weil wir immer aus unserer Perspektive heraus denken. Wo wir wirklich aus unserer Perspektive denken müssten, das ist das Problem Wirtschaft. Ich bitte um Entschuldigung, habe ein bisschen Husten. Das Problem Wirtschaft, das muss ich deswegen erwähnen, weil wenn ich denke, was wir für einen Kilo Kaffee in Österreich oder Deutschland zum Beispiel bezahlen und was hier ein Kaffeebauer verdient im Monat mit einem Durchschnittseinkommen für seine ganze Familie von etwa 25 Euro, und wenn man sieht, dass da noch immer kolonialistisches Denken ist, gerade was den Handel betrifft, es müsste langsam Schritt für Schritt nicht nur ein wirklich freier und gerechter Handel entstehen. Sondern es müsste auch etwas entstehen, dass man das Interesse hat, das, was man ein halbes Jahrtausend verhindert hat, halt zu unterstützen, so gut es geht. Nämlich, das was zum Beispiel "Menschen für Menschen" versucht jetzt seit 25 Jahren, den Menschen die Möglichkeit zu geben, sich selber so zu entwickeln, dass sie Partner von uns werden können.
Zurheide: Ich habe, Herr Böhm, gelesen, dass Sie ja etwas Ähnliches machen, was auch der Nobelpreisträger Yunus in Asien empfiehlt, dieses Institut der Mikrokredite. Ist das auch aus Ihrer Erfahrung etwas, was in Afrika aus ihrer ganz persönlichen Beurteilung her den Menschen weiterhelfen kann?
Böhm: Kleinkredite, um es auf Hochdeutsch zu sagen, sind sicher ein sehr, sehr gutes System, ganz besonders, was die Stellung der Frau in der Gesellschaft betrifft. Die Stellung der Frau in der Gesellschaft in Äthiopien zum Beispiel ist so, wie es bei uns einmal in Europa vor 130, 150 Jahren gewesen ist. Und um das zu verändern und um der Frau eine gewisse Selbstständigkeit zu geben, dass sie auch selber Geld verdienen kann und damit einen kleinen Schritt weiter in eine Gleichberechtigungsstufe rückt, das ist ein sehr schönes System. Ich unterstütze das sehr und halte es in jeder Beziehung auch auf der wirtschaftlichen Basis für etwas sehr Gutes.
Zurheide: Wenn Sie zum Schluss Angela Merkel eine besondere Botschaft übermitteln würden aus Ihrer afrikanischen Erfahrung, zum Schluss ganz kurz, welche wäre das, Herr Böhm?
Böhm: Ich versuche, es so kurz als möglich zu machen: Zum einen würde ich mir wünschen, dass sie über die Erziehungsministerien durchsetzt, dass ab sofort, oder ab dem nächsten Schuljahr, über den Kolonialismus in den Schulen ausführlich gelehrt wird, damit die kommenden Generationen über das informiert sind, was der Kontinent Afrika heute ist und warum er so ist, was es ist. Das halte ich für einen ganz, ganz wichtigen Punkt, auch für die kommenden Generationen, für die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen denen. Das wäre einer der wichtigsten Punkte.
Zurheide: Herr Böhm, ich bedanke mich herzlich für das Gespräch.