Silvia Engels: Seit neun Uhr heute Früh läuft in München der Prozess wegen Steuerhinterziehung gegen Uli Hoeneß, Präsident des erfolgreichsten deutschen Fußballvereins: des FC Bayern München. Es geht um die Zukunft des berühmten Managers, aber es geht auch um eine Menge Geld, mehr als gedacht.
Mitgehört hat Professor Jürgen Wessing, er ist Fachanwalt für Strafrecht und außerdem Lehrbeauftragter für Strafprozessrecht und Steuerstrafrecht an der Universität Düsseldorf, ein Mann aus der Praxis. Guten Tag, Professor Wessing!
Jürgen Wessing: Seien Sie gegrüßt!
Engels: Wir haben es gerade verfolgt: Offenbar plant die Verteidigung von Uli Hoeneß, mit einem Gesamtgeständnis, was dann eine noch viel umfangreichere Steuerschuld auf den Tisch legt, voranzukommen, um möglichst gut für Uli Hoeneß zu agieren. Ist das aus Ihrer Sicht eine gute Strategie?
Wessing: Die einzige. Eine Strategie der Verfahrensverzögerung, der Beweisantragsstellung bis ins letzte Detail hinein, würde vor diesem Gericht, vor diesem Richter und in dieser Situation überhaupt keinen Ertrag bringen, sondern würde letztendlich die Situation für Uli Hoeneß verschärfen.
Engels: Aber wenn man alles zusammenzieht, das, was er selbst hinterzogen hat, plus die jetzt offenbar nicht einzurechnenden Verlustvorträge, dass er Verluste in seiner Steuererklärung geltend gemacht hat, obwohl er ja aus anderen Kassen doch gut verdient hat, diese Gesamtsumme, kann die überhaupt dazu führen, dass Uli Hoeneß trotzdem ohne Gefängnisstrafe davonkommt?
Wessing: Das wäre Verteidigungskunst auf allerhöchstem Niveau. Die Aussichten sind nicht besonders gut.
Engels: Das heißt, Sie rechnen damit, dass Uli Hoeneß alleine aufgrund dieser Summe mit allen mildernden Umständen, die man da noch einrechnen kann, nicht am Gefängnis vorbeikommt?
Hoeneß droht Gefängnis
Wessing: Ich bin nicht das Gericht, aber wenn ich den BGH ernst nehme und die Münchner Justiz kenne, dann weiß ich, dass die Chancen für Uli Hoeneß vor dem Hintergrund dieser doch wirklich enormen Zahlen, mehr als nur schwierig sind.
Engels: Prozessbeobachter sagen ja, es wird die entscheidende Rolle spielen, ob das Gericht – ich zitiere – "besondere Milderungsgründe" anerkennt. Könnte es dann doch sein, dass die Tatsache, dass jetzt alles auf dem Tisch liegt, auch wahrscheinlich mehr als das, was ihm je umgekehrt hätte nachgewiesen werden können, dass das letztendlich doch noch so strafmildernd wirken kann, dass er nicht einfährt?
Wessing: Die Möglichkeit ist da, und auf diese Möglichkeit zielt die Verteidigung erkennbar und richtigerweise. Ob es tatsächlich sein wird, dass man bei Uli Hoeneß und den Summen überhaupt vertreten kann, ich sage mal, politisch vertreten kann, ein solches Urteil, ist eine andere Frage. Denn Uli Hoeneß hin und her, bei dieser Summe wird sich die Frage des Prominentenbonus oder -malus ganz deutlich erheben, und ich fürchte, dass schon die Tatsache, dass dieser Prozess so groß und so öffentlich ist, verhindern wird, dass man Milde anwendet, für die der Richter ohnehin nicht bekannt ist.
Engels: Auf der anderen Seite ist es ja durchaus auch ein Argument zu sagen, dass Uli Hoeneß durch die Tatsache, dass sein Steuergeheimnis vorab verraten wurde, dass er so in der Öffentlichkeit steht, dass er dementsprechend auch keinen Malus durch sein Prominentsein erhalten darf. Muss also hier vielleicht besondere Milde dadurch, dass er so öffentlich schon vorgeführt und auch bestraft worden ist, durch den Verlust seiner Reputation, eine Rolle spielen?
Wessing: Auf jeden Fall. Das ist ein sogenannter Strafzumessungsgrund, und der BGH hat ja die Millionen nicht festgeschrieben, sondern, wie eben richtig gesagt wurde, ein Soll, und in dieses Soll sind ganz viele Dinge einzustellen: Natürlich die Lebensleistung, auch die Vorverurteilung, die erfolgt ist. Das ist eine Gesamtschau, die das Gericht später hier machen wird. Da spielt die Summe eine erhebliche Rolle, aber nicht die alleinige.
"Ich rechne mit einer längeren Verfahrensdauer"
Engels: Haben Sie denn auch die Vermutung, dass der Prozess am Donnerstag tatsächlich schon zu Ende gehen wird, oder muss der Richter mit diesen neuen Fakten seine Gesamtschau vielleicht noch mal anders betrachten?
Wessing: Ich bin nicht so optimistisch, dass es bereits dann zu Ende geht. Ich rechne eigentlich mit einer längeren Verfahrensdauer. Es gibt so viele neue Tatsachen, die das Gericht überprüfen muss. Auch wenn die Geständnisse gleich vorgebracht werden, verlangt der Bundesgerichtshof immer, dass man auch ein Geständnis in seinen Fakten nachprüfen muss, und wenn diese Details auf dem Tisch liegen, bleibt dem Gericht gar nichts anderes übrig, als sie sich genau anzugucken.
Engels: Das war Professor Jürgen Wessing. Wir hören, dass die Leitung schlechter wird. Aber die wichtigsten Einschätzungen zum Fall Uli Hoeneß hatten wir von Ihnen. Wir danken ganz herzlich für das Gespräch, Herr Professor Wessing.
Wessing: Aber gerne!
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