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Der Klang der Stadt Bonn

Die Beethovenstiftung fördert in Bonn moderne Klangkünstler, Komponistinnen und Komponisten – und erlaubt ihnen, mitten im Stadtbild mit ganz unterschiedlichen Sounds zu experimentieren. In den letzten fünf Jahren sind viele Hör-Stationen in der Innenstadt und am Rheinufer entstanden.

Von Henning Hübert |
    Die noch kahlen Äste eines Baumes ragen am 28.03.2014 in Bonn (Nordrhein-Westfalen) auf dem Petersberg über dem Rheintal in den blauen Himmel.
    Die Klänge der Stadt Bonn sammeln einige Künstler für ihre Installationen. (picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    Die gelben Klangfahrräder wissen, wo es gerade lang geht. Denn sie haben GPS-Geräte auf den Gepäckständern. Und je nachdem, durch welche Gasse man gerade unterwegs ist, tönt es aus den Lautsprechern ganz unterschiedlich. Hier hat die Komponistin Kaffe Matthews High-Tech und Hörsinn zusammengebracht. Alle Klänge und Geräusche hat die Britin in Bonn vorgefunden und elektronisch bearbeitet.
    "Die Stadt ist friedlich und ziemlich lärmig zugleich. Viele Leute, viele Kaffeemaschinen, viele Glocken, viele Klimaanlagen. Und elektronische Geräusche. Ich harmonisiere das alles. Mit den Rädern sollen sie durch die Stadtteile kreuzen, die ich akustisch markiert habe. Und dann geschehen unterschiedliche Sachen."
    Klimaanlagensound aus dem Lautsprecher. Kaffe Matthews und ihre bis zu elf Mitradler fallen auf in der Fußgängerzone. Etwa, so wie früher, wenn mal einer mit dem Gettoblaster auf der Schulter unterwegs war. Dabei gibt Kaffe Matthews der Stadt Bonn nur die Klänge zurück, die sie hier gehört und aufgenommen hat.
    Ähnlich, bloß leiser, verarbeitet Stadtklangkünstler Stefan Rummel die Töne Bonns. Seinen Hör-Kubus beschallt er dezent mit Klängen des Rheins. Die klobige pyramidenförmige Klangkiste steht am rechten Rheinufer und versperrt den Joggern auf ihrem Trampelpfad den Weg. Wer stoppt und seine Klanginstallation betritt, blickt über den Fluss Richtung Villa Hammerschmidt und auf eine schräg darunter liegende muschelförmige Grotte. Hier wie dort hat Stefan Rummel vier kleine Lautsprecher montiert:
    "Die Klänge, die ich benutze, das ist kein Field-Recording im klassischen Sinne. Ich mache jetzt hier nicht unendlich viele Aufnahmen und dann suche ich mir was raus. Sondern ich entwerfe die Installation so zeichnerisch. Dann kriegt das Form und dafür suche ich mir dann Klänge raus. Nachdem es auch damit zu tun hat: Wie überquere ich den Rhein? Mit einer Fähre, über die Brücken – sind das natürlich auch Soundquellen."
    Auch Christina Kubisch, Bonner Stadtklangkünstlerin des Jahres 2013, hat den Klang des Flusses thematisiert. Ihr fiel die Diskrepanz auf zwischen dem idyllischen Blick von Ufer zu Ufer und den lauten Überquerungen des Rheins. Ihre Lautsprecher stehen am Ufer unter einer Autobahnbrücke.
    Weiter zum Bonner Friedensplatz. Großer Busbahnhof, Bauarbeiter, Schnellrestaurants und Straßencafés. Während des Festivals "Bonn hoeren" hat hier der Leipziger Erwin Stache seine Klangstäbe installiert. Auch er ein Bonner Stadtklangkünstler der Beethovenstiftung. Kleinkinder haben eine diebische Freude daran, dass erst dann was aus den Lautsprechern kommt, wenn man mindestens zwei der mannshohen Metallstäbe gleichzeitig anpackt. Handwerker, Passanten, Pärchen testen die Stäbe. An diesem urban-lärmigen Ort begreifen auch der Bonner Physikstudent Tobi Rudolf und seine Freundin die Klanginstallation:
    "Ich finde es sehr interessant. Also, man geht hier vorbei und sieht so Stäbe, die aus dem Boden ragen, aus Metall. Und hat so die Versuchung, die zu berühren. Und sobald man zwei verbindet, kommt halt so ein Sound aus dem Boden raus. Es gibt so verschiedene Möglichkeiten, die zu kombinieren. Fester zu drücken oder nicht. Macht Spaß, einfach damit rumzuspielen."
    Die Klang-Tankstellen gibt es inzwischen an mehreren Orten. Der Künstler Erwin Stache belebt damit zum Beispiel auch Bad Hersfeld, das belgische Brügge oder Leipzig. Wobei er zugibt, dass längst nicht jeder Lärm zu Klang geadelt werden kann:
    "Natürlich gibt es Lärm. Ich glaube, man ist schon ziemlich genervt. Komischerweise auch direkt von Maschinen. Man kriegt so mit, was Maschinen kaputtmachen und wie unsensibel die sind. Man könnte ja eigentlich das Laub auch kehren. Und dann kommt einer mit dem Laubsauger und macht alles tot. So für einen Moment ist das ein Akzent, durchaus auch musikalisch. Aber für die Dauer gewinnt das Starke gegen das Schwache. Und das finde ich manchmal nicht gut und dann hör ich auch weg."
    Bonns Stadtklang-Leiter und Organisator Carsten Seiffarth gibt einer Vielzahl von Künstlern und Kunststudenten die Möglichkeit, ihre Installationen zu zeigen oder auch erst in den Bonner Straßen zu entwickeln. Extra gedruckte Stadtpläne führen zu den vielen Hör-Orten - bis hinein nach Bad Godesberg, wo Orgelpfeifenklänge den Pavillon der Kurfürstenquelle umspielen. Für den Ohrenmenschen Carsten Seiffart steht dennoch fest, dass wir in einem fürs Hören schlechten Zeitalter leben:
    "Natürlich leben wir seit hunderten Jahren in einer sehr visuell orientierten Zeit. Alle vermeinen, wenn sie etwas sehen, die Wahrheit zu erfahren. Unsere Ohren sind ein Sinnesorgan, was viel komplexer ist als das Auge. Wir können von hinten was wahrnehmen, wir können Räume wahrnehmen klanglich. Wir hören, wenn ein Bus kommt, den sehen wir vielleicht gar nicht, aber wir hören ihn. Und wir können einfach nicht nach hinten gucken, aber wir können nach hinten hören. Und diese Qualität zu untersuchen und die Vision der Künstler, hier in Bonn exemplarisch zu erarbeiten, wie man mit Klang umgeht in einer Stadt und wie man auch wieder hören lernen kann, das ist das, was wir seit Jahren tun."
    Und so bekommt man selbst im Botanischen Garten nicht nur was fürs Auge, sondern auch was für die Ohren: Zwei Windharfen des Briten Max Eastley schwimmen auf dem Teich hinterm Poppelsdorfer Schloss. Und wenn ein Luftzug durch den Garten weht, dann beginnen die Bögen zu säuseln. Äolsharfen, mitten in der Stadt.