Rainer Böttcher steht in einem großen üppig blühenden Garten unter der schleswig-holsteinischen Mittagssonne. Für Böttcher ist dies mehr als nur ein Garten, in dem er sich um Blumen, Obst und Gemüse kümmert.
"Den benutze ich auch als Kleinübungsfläche für meine Hunde."
Der 66-Jährige ist Besitzer von zwei Jagdhunden, die er abrichtet. Wenn er darüber spricht, schimmert an manchen Stellen sein durchs Militär geschultes Denken durch. Böttcher war mehr als vier Jahrzehnte bei der Bundeswehr, davon fünf Jahre im NATO-Hauptquartier in Brüssel. Im hinteren Bereich seines Gartens hat Böttcher ein Hindernis errichtet.
"Wo ich beispielsweise ein Apportel oder eine Fuchsattrappe oder irgendsowas rüberwerfe und dann das Überwinden von Hindernissen mit den Hunden übe."
Rainer Böttcher heißt in Wirklichkeit anders. Doch weder seinen echten Namen noch den des 400-Einwohner zählenden Wohnorts in der Nähe von Neumünster will er im Radio hören. Der Rentner befürchtet, sonst Probleme zu bekommen.
Anlass für das Treffen ist ein Interview, das der AfD-Co-Vorsitzende Jörg Meuthen am 24. April dem Deutschlandfunk gab. Meuthen hatte darin nochmals seine Darstellung bekräftigt, dass er in seiner Heimatstadt nur noch "vereinzelt Deutsche" sehe.
"Wenn ich sehe, ich sehe noch vereinzelt Deutsche, dann ist, glaube ich, jedem klar, was damit gemeint ist."
Fremd in der eigenen Welt
Daraufhin schickte Böttcher, der jeden Morgen den Deutschlandfunk hört, eine Mail an den Hörerservice. Das, was Meuthen beschreibe, sehe er differenzierter. Auch die deutschstämmige Bevölkerung trage zur Entfremdung bei. Deutschland sei sich selbst fremd geworden.
"Wenn ich selber zum Beispiel hier in Neumünster über den Markt gehe, so stelle ich fest: Aha, das ist kein Deutscher, das ist kein Deutscher. Man hört’s ja schon an der Sprache, man hört da Russisch, man hört türkische, man hört arabische Klänge. Und wenn man feststellt, dass man rundherum von Migranten umgeben ist oder von Ausländern und nur noch die Leute hinter den Marktständen – und auch die nicht immer – Deutsche sind, dann kommt man sich vielleicht `n bisschen fremd vor in der eigenen Welt, nech?"
Böttcher ist der Ansicht: Nicht nur in dem einen Meuthen-Interview, sondern vehement würden Journalisten und Politiker Forderungen der AfD als populistisch verunglimpfen.
Forderung nach einem Leitbild
Er ist überzeugt: Deutschland braucht eine Leitkultur, denn die stehe doch für das, was Deutschland ausmache. Dafür sei es wichtig die Leitkultur zu definieren. Böttcher hat das für sich getan, zählt ein christlich definiertes Weltbild ebenso dazu wie die Achtung des Grundgesetzes und der demokratischen Staatsform.
"Und dann die Kultur, was man allgemein drunter verstehe, nämlich Musik und die darstellende Kunst. Und dazu gehören auch Kenntnis der Werte, Selbstwertgefühl, Selbsterhaltungswille, Gesundheit, Vorbildlichkeit, Selbstbestätigung, Erziehung der Kinder und vieles mehr."
Doch die Leitkultur verändere sich durch Menschen, die neu nach Deutschland kommen. Zwar könnten viele Werte aus dem Islam übernommen werden – allerdings gehört der Islam für Böttcher nicht zu Deutschland.
"In Gänze betrachtet muss verlangt werden, dass derjenige, der zu uns kommt, unsere Kultur anerkennt. Und ich meine unter Kultur auch unsere Gesetze, unser Grundgesetz, unsere Grundrechte und die müssen absolut akzeptiert werden. Und das tut der Islam nicht."
Als Argument für diese Aussage führt Böttcher den Islamismus an, der seine Basis im Koran und den islamischen Rechten habe. Auch nennt er als Beispiel kostenlose Verteilungen des Korans in deutschen Fußgängerzonen. Auf den Einwand, dass es sich bei Islamisten nur um eine sehr kleine Gruppe handele, reagiert Böttcher skeptisch.
"Da stelle ich mir die Frage: Ist es wirklich die klare Minderheit? Ist es möglicherweise nämlich nicht."
Beim Spaziergang durch sein ruhig daliegenden Wohnort blickt Böttcher auf seine militärischen Laufbahn zurück. Seine Arbeit bei der Bundeswehr hat ihn durch ganz Deutschland geführt und 2000 nach Schleswig-Holstein, wo seine Frau herkommt. Doch auch das Leben im Ausland hat Böttcher kennengelernt – neben den fünf Jahren in Brüssel hat er drei Jahre im polnischen Stettin verbracht.
"Sich heimisch zu fühlen, das ist glaube ich nicht so einfach. Heimisch fühlt man sich tatsächlich nur in der Heimat. Aber wohlfühlen, das kann man sich schon. Das hängt sehr viel damit zusammen, wie sehr man akzeptiert wird. Und das wiederum hängt damit zusammen, wie man selbst darauf bedacht ist, akzeptiert zu werden."
Und seine politische Heimat – ist das die AfD? Böttcher schüttelt den Kopf und sagt, dass er die Partei vor allem wegen deren Europapolitik nicht wählen könne. Am nächsten stehe ihm die CDU – und mit noch einer anderen Partei fühlt sich der erklärte Atomkraftgegner vor allem wegen deren Umwelt- und Verkehrspolitik verbunden.
"Ich finde viele Ideen der Grünen sehr, sehr ordentlich. Sehr durchdacht. Allerdings stehe ich eher auf der Realo-Seite."
Vieles hat sich verändert
Dass in Kiel in Kürze voraussichtlich ein Jamaika-Bündnis aus CDU, Grünen und FDP regieren wird, freut Böttcher. Er ist nun ein paar hundert Meter durch einen angenehm kühlen Wald gelaufen und geht jetzt über einen schmalen Feldweg. Wenn er an seine eigene Jugend zurückdenke aber auch seine "mittleren Jahre", habe sich die deutsche Gesellschaft sehr verändert, sagt Böttcher. Das liege aber nicht nur an jenen, die in den letzten Jahrzehnten nach Deutschland gekommen sind.
"Gestern habe ich mir zum Beispiel noch mal die Leute in Neumünster angeschaut. Und dabei fiel mir auf, mal wieder, wie mächtig sie körperlich zugelegt haben in den letzten Jahren, wie sie leicht bekleidet sind, wie sie mit merkwürdigen Klamotten angezogen sind. Beispielsweise kauft man sich heutzutage Hosen, in denen die Löcher schon drin sind. "
Für Böttcher eine Entfremdung.
"Oder, dass man Männer sieht, die mit Ohrringen rumlaufen, wo man den Finger durchstecken kann. Oder in dem Frauen das ganze Gesicht mit irgendwelchen Metallgegenständen vollgepierct haben oder tätowiert. Ich finde, dass ist eine Abkehr auch von deutscher Kultur."
Böttcher ist der Auffassung: Wenn ein Deutscher selber nicht in seiner eigenen Leitkultur lebe, dann verteidige er sie auch nicht. Dann ist der Spaziergang vorbei und Rainer Böttcher schließt die Tür auf.
Am Eingang erwarten ihn schon seine Hunde.