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Hoff: De Maizière muss die Verantwortungen klarer herausarbeiten

FDP-Sicherheitsexpertin Elke Hoff nimmt Thomas de Maizière in Schutz. Sie rät ihm aber, "einen sehr intensiven Blick" in den Bericht der Weise-Kommission zu werfen und die dort gemachten Vorschläge zu strukturellen Reformen "sehr zeitnah" umzusetzen.

Elke Hoff im Gespräch mit Peter Kapern |
    Peter Kapern: Die Drohne namens Euro-Hawk wird wohl niemals für die Luftwaffe abheben. Gleichwohl hat das Gerät schon Geschichte geschrieben. 662 Millionen kostet das Projekt, das Geld ist weg. Der Minister aber bleibt, sagt er jedenfalls. Gestern hat Thomas de Maizière die abenteuerliche Geschichte dieses Rüstungsprojekts geschildert, um am Ende zu dem Fazit zu gelangen, dass er nicht zurücktreten wird.

    – Am Telefon die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Elke Hoff. Guten Morgen!

    Elke Hoff: Guten Morgen, Herr Kapern.

    Kapern: Frau Hoff, überall im Land wird gespart und gestrichen, um die Schuldenberge in den Griff zu bekommen. Und das Verteidigungsministerium verbrennt mehr als eine halbe Milliarde. Und der zuständige Minister sagt, er wolle im Amt bleiben. Wenn ich Ihnen jetzt 60 Sekunden gebe, das unseren Hörern zu erklären, schaffen Sie das?

    Hoff: In 60 Sekunden kann man bestimmt kein Projekt erklären, das weit über zehn Jahre hinweg auf der Tagesordnung steht und drei Bundesregierungen und auch entsprechend viele Parlamente beschäftigt hat.

    Kapern: Aber es reicht ja, wenn Sie das Projekt Amtsverbleib für Thomas de Maizière erklären.

    Hoff: Gut. Der Minister hat gestern erklärt, dass er weiterhin sein Amt führen möchte. Er hat erklärt, dass er die Verantwortung übernimmt und die Verantwortung so umsetzen will, dass er dafür sorgt, dass in Zukunft solche Dinge nicht mehr in seinem Hause passieren. Diese Chance sollte er bekommen. Allerdings gibt es noch eine Reihe von Fragen, die aufseiten der Opposition offen sind. Deswegen haben wir uns gestern auch dafür entschieden, am Montag noch mal eine weitere Sondersitzung des Verteidigungsausschusses durchzuführen, dass auch hier die Gelegenheit besteht, noch offene Fragen zu beantworten.

    Kapern: Darf ich Ihnen mal, Frau Hoff, ein Zitat von Thomas de Maizière vorlesen. Er hat gestern gesagt: "Ich hätte früher mein Haus so ordnen müssen, dass ich als Minister bei Entscheidungen dieser Größenordnung beteiligt werde." Kann man eigentlich klarer ein komplettes Versagen als Chef eines Ministeriums einräumen?

    Hoff: Ich habe ihn auch damals, zu Beginn der Legislatur, beraten und ihn darauf hingewiesen, dass gerade dieser Bereich der herausforderndste ist. Aber man darf bei aller Kritik nicht vergessen, dass Thomas de Maizière zu Beginn seiner Amtszeit zwei große Projekte zu stemmen hatte. Das war einmal die Umsetzung der Aussetzung der Wehrpflicht, was von uns im Parlament so beschlossen worden ist. Und den Anschub der großen Bundeswehrreform, also die Reduzierung auch des Streitkräfteumfangs. Das hat sehr viel Kraft und sehr viel Energie gebunden. Aber auf der anderen Seite ist es völlig klar und das hat er auch eingeräumt, dass er an dieser Stelle versäumt hat, das zu tun, was er als Minister hätte tun müssen. Aber ich denke, man muss auch anerkennen, dass er jetzt diese Selbstkritik so vorgetragen hat. Und ihm die Chance geben, die Fehler auszumerzen.

    Kapern: Wenn jemand versäumt, etwas zu tun, was ein Minister zu tun hat, muss er dann nicht zurücktreten?

    Hoff: Ich glaube, dass wir heute immer sehr schnell bei der Hand sind, der Minister soll zurücktreten. Ich persönlich wünschte mir, dass die Bundeswehr endlich einmal zur Ruhe kommt und dass wir die großen Reformvorhaben, die schon seit langen, langen Jahren überfällig waren und die in dieser Koalition zum ersten Mal angestoßen worden sind, dass wir die jetzt zu Ende bringen. Es muss Ruhe in die Truppe einkehren. Und ich glaube, dass der Minister jetzt auch gut beraten ist, in den nächsten Jahren sehr eng mit den Soldaten zusammenzuarbeiten und das Ohr an der Truppe zu haben, damit wir gemeinsam unsere Sicherheitskräfte vernünftig stabilisieren können. Weil sie sind diejenigen, die für unsere Sicherheit zuständig sind. Er hat jetzt diese Chance, er muss liefern, das ist völlig klar. Ich glaube, daran hat auch niemand einen Zweifel gelassen. Das wird sich jetzt in den nächsten Monaten so zeigen.

    Kapern: Frau Hoff, wie soll denn Ruhe in der Truppe einkehren, wenn der Minister hingeht und die Verantwortung für das Drohnen-Debakel seinen Mitarbeitern zuweist?

    Hoff: Ich hatte nicht den Eindruck, dass er, um sich selbst aus der Verantwortung herauszustehlen, die Verantwortung seinen Mitarbeitern zugewiesen hat.

    Kapern: Aber er hat doch geschildert, dass er lange Zeit nicht informiert worden ist.

    Hoff: Allerdings kann man eine Tatsache eben auch nicht wegdiskutieren, und das hat ja auch der unabhängige Bericht des Rechnungshofes deutlich gemacht, dass es selbstverständlich auch im Ministerium, in den Strukturen, auch auf der Ebene der Mitarbeiter gravierende Fehler gegeben hat. Das ist alles jetzt aufzuarbeiten. Es sind sehr, sehr deutliche Botschaften auch in diesem Bericht niedergeschrieben. Und wenn der Minister sich dafür entscheidet, dass er jetzt sein Haus so organisieren will, dann muss er jetzt, wie ich das auch schon gesagt habe, liefern. Wir werden ihn dabei unterstützen, ganz klar. Aber auf der anderen Seite muss jetzt auch in der Tat was passieren.

    Kapern: Was denn?

    Hoff: Er muss zum Beispiel die Verantwortungen klarer herausarbeiten. Ich würde auch ihm raten, noch einmal einen sehr intensiven Blick in den Bericht der Weise-Kommission zu tun. Dort sind sehr konkrete Vorschläge gemacht worden, die ich zum Teil für sehr gut halte. Dort hat man einen sachlichen Leitfaden. Wir haben damals ja als Koalition gewollt, dass diese unabhängige Kommission sich die Strukturen des Ministeriums anschaut. Da stehen einige sehr kluge Sachen drin. Und ich kann nur raten, das jetzt auch so im Einzelnen sehr zeitnah umzusetzen. Und zwar Verantwortung deutlich zu machen, zuzuordnen und sie dann, wenn es darauf ankommt, auch einzufordern.

    Kapern: Rechnen Sie denn auch damit, dass Staatssekretäre zurücktreten?

    Hoff: Der Minister hat sich ausdrücklich personelle Konsequenzen vorbehalten. Es ist sein gutes Recht, sein Haus zu ordnen. Wenn er das so angekündigt hat, gehe ich davon aus, dass es durchaus auch möglich ist, dass weitere personelle Konsequenzen gezogen werden. Das hat er sehr deutlich gemacht.

    Kapern: Da schauen ja immer gerade viele auf einen Staatssekretär, der für die Rüstungsprojekte verantwortlich war. Und das ist nun ausgerechnet jener Staatssekretär, den de Maizière selbst ins Ministerium mitgebracht hat, eben weil er ihm vertraute. Weist das nicht noch einmal mehr auf die persönliche Verantwortung Thomas de Maizières hin?

    Hoff: Na ja, gut. Wenn ich gerade an einer solchen Stelle eine Personalie besetzen kann, dann wähle ich mir natürlich jemanden aus, dem ich vertrauen kann. Insofern kann man ihm da sicherlich keinen Vorwurf machen. Aber er muss jetzt sehr seriös und sehr klar die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten herausarbeiten und dann das tun, was er ja selbst angekündigt hat, die entsprechenden Konsequenzen ziehen. Wie die im Einzelnen aussehen werden, das ist die Aufgabe und auch die Verantwortung des Ministers selbst.

    Kapern: Folgen wir doch noch mal für einen Moment den Ausführungen von Thomas de Maizière, die er gestern gemacht hat. Er hat gesagt, dass das Problem lange bekannt war in seinem Ministerium, er aber nicht auf dem Laufenden gehalten worden ist. Was sagt das eigentlich über das Biotop Verteidigungsministerium aus? Ist das ein Apparat, der da ein völliges Eigenleben entwickelt hat?

    Hoff: Der Eindruck ist an vielen Stellen entstanden. Deswegen haben wir auch zu Beginn der Legislaturperiode das so nicht mehr tragen wollen und haben gesagt, hier müssen dringend, dringend Strukturen geändert werden, weil gerade dann, wenn man mit so hohen Geldbeträgen umgeht – und es handelt sich hier um das Geld des Steuerzahlers -, dann muss die Verantwortung klar sein, dann müssen die Vorgänge transparent sein, dann muss man nachvollziehen können, an welcher Stelle welche Entscheidungen getroffen worden sind. Wir waren in der vergangenen Legislaturperiode als FDP sehr unzufrieden damit und deswegen haben wir auch darauf gedrängt, dass wir eben diese Strukturreform hinbekommen und auch die Weise-Kommission einen substanziellen Bericht abliefert. Ich kann nur noch mal betonen: Es wird Zeit, dass man noch mal in diesen Bericht hineinschaut und dann auch entsprechend handelt.

    Kapern: Sie haben gerade gesagt, die schwarz-gelbe Koalition habe sich das zu Beginn der Legislaturperiode vorgenommen. Nun ist die fast zu Ende und das Vorhaben ist immer noch nicht umgesetzt. Ist das Verteidigungsministerium bei der Union nicht in guten Händen?

    Hoff: Es sind Teile des Vorschlages schon umgesetzt worden. Für zukünftige Rüstungsvorhaben wird es einen anderen Beschaffungsprozess geben. Das heißt aber, dass die vielen Projekte, die ja bereits schon vor vielen Jahren, teilweise Jahrzehnten auf den Weg gebracht worden sind, noch nach altem Muster abgelaufen sind. Deswegen haben wir jetzt auch die Probleme, die dringend zu lösen sind. Ich glaube, nach meiner Erfahrung – und ich mache jetzt acht Jahre Sicherheitspolitik -, dieses Haus ist das schwerste in einer Bundesregierung. Und ich glaube, dass es eine der wichtigsten Voraussetzungen ist, um dort wirklich einigermaßen erfolgreich zu sein, dass man es kennt, dass man weiß, wie Bundeswehr tickt. Dass man vor allen Dingen auch weiß, wie die strukturellen Prozesse sind. Und das kann man nicht innerhalb von zwei Jahren alles sozusagen ergreifen und begreifen. Hier braucht man eine lange Zeit, um wirklich zu durchschauen, was Sache ist. Aber deshalb haben wir ja gesagt, wir wollen das so nicht mehr hinnehmen, es müssen sich die Strukturen verändern. Und er hat jetzt noch mal die Chance zu zeigen, dass er das auch mit aller Vehemenz in Angriff nimmt.

    Kapern: Nun hat Thomas de Maizière ja gestern angekündigt, dass er Schadensersatzklagen gegen EADS und Northrop Grumman prüfen lassen. Ist das mehr als weiße Salbe?

    Hoff: Nein. Die Ankündigung war absolut ernsthaft und nachvollziehbar. Das ist eigentlich auch die logische Konsequenz aus dieser Diskussion, dass jetzt natürlich die hoch komplexen und komplizierten Verträge geprüft werden. Es gibt ja nicht nur den Vertrag zwischen Unternehmen und dem Bundesverteidigungsministerium, sondern es gibt in der Frage des Euro-Hawk auch eine bilaterale Vereinbarung zwischen den USA und zwischen Deutschland, die sogenannten Foreign Military Sales Verträge. Auch das muss mit betrachtet werden, welche Konsequenzen jetzt an welcher Stelle entstanden sind und wer die Verantwortung trägt. Das wird noch eine Zeit dauern, denke ich, bis hier eine versierte Anwaltskanzlei diese Dinge auseinandergebröselt hat. Aber er hat ganz klar angekündigt, das ist einer der Punkte, die jetzt sozusagen zur Bewältigung dieser Krise angedacht sind.

    Kapern: Elke Hoff, die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion. Frau Hoff, vielen Dank für das Gespräch und einen schönen Tag!

    Hoff: Danke, Herr Kapern.

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