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Hoffen auf bessere Zeiten

Mit seinen beiden Stahlwerken in Brasilien und den USA hat sich der deutsche Branchenprimus schwer verhoben. Dazu kommt: Das Stahlgeschäft ist extrem konjunkturabhängig. Daher bekommt ThyssenKrupp die Krise in Europa voll zu spüren.

Von Michael Braun |
    Der Vorstandsvorsitzende sieht Licht am Ende des Tunnels. Die Börse ist noch nicht so weit. Sie registrierte bei ThyssenKrupp erst einmal Minuszeichen: Zwischen Oktober vorigen und März dieses Jahres, also in der ersten Hälfte des laufenden Geschäftsjahres, sank der Umsatz um ein Prozent. Der Vorjahresgewinn von 334 Millionen Euro drehte in einen Verlust von fast 1,1 Milliarden Euro. Auch im sogenannten fortgeführten Geschäft, also ohne die Verluste der zum Verkauf stehenden Edelstahltochter Inoxum, machte ThyssenKrupp vor Steuern Verlust. Robert Halver, Marktanalyst bei der Baader Bank, nennt die Gründe:

    "Stahl ist schwierig, aus zwei Gründen. Erst einmal: Die Stahlpreise sind ja massiv im Keller, sie gehen ja runter, weil die Konjunktur ein bisschen weniger Dampf zeigt. Das andere ist natürlich, dass Thyssen eigene Probleme hat mit den Stahlwerken in Alabama in den USA und in Brasilien, wo es technische Probleme gibt, wo die Kosten viel zu teuer sind und im Augenblick schwer zu erkennen ist, wie man das wieder in den Griff bekommen will."

    43 Prozent Kursverlust im vorigen Jahr, ein Abschlag von weiteren 13 Prozent in diesem Jahr waren die Quittung der Börse. Die Anleihen von ThyssenKrupp stehen auf Ramschniveau. Um die Wende herbeizuführen, will der von Siemens gekommene Vorstandsvorsitzende Heinrich Hiesinger ThyssenKrupp weiter vom Stahl wegbringen und stärker als Technologiekonzern profilieren. Prognosen über Endpunkt und Erfolg dieser Strategie wagte er auf der letzten Bilanzpressekonferenz noch nicht:

    "Wir fahren auf Sicht. Was Sie aber sehen werden, dass unsere Strategie, uns zu einem diversifizierten Industriekonzern zu entwickeln, im letzten Jahr, aber auch im laufenden Jahr wirklich Früchte trägt und den Konzern stabilisiert."

    Bisher steht nahezu fest: Der finnische Edelstahlhersteller Outokumpu will die Edelstahlsparte von ThyssenKrupp übernehmen. Die zivilen Schiffbauaktivitäten von ThyssenKrupp Marine Systems wurden verkauft. Insgesamt sind für etwa 90 Prozent des zu veräußernden Umsatzvolumens Verkaufsverträge unterzeichnet oder die Transaktionen bereits abgeschlossen. Die Börse spekuliert noch, das Gewicht des konjunkturabhängigen Stahlbereichs dadurch zu verkleinern, dass ThyssenKrupp als Ganzes eine neue Heimat findet. Robert Halver:

    "Wenn man eine Kooperation macht, vielleicht mit einem großen deutschen Technologiekonzern, dass man sagt: Okay, wie können wir hier das, was wir haben, so einbinden und das andere, das Stahlgeschäft, nicht vernachlässigen? Es gibt ja auch eine nationale Aufgabe, wir brauchen ja auch Stahlkocher."

    Dieser Technologiekonzern könnte wohl nur Siemens heißen, wo der ehemalige ThyssenKrupp-Chef Gerhard Cromme den Aufsichtsrat führt. Heute Nachmittag, heißt es an der Börse, wolle ThyssenKrupp etwas Wichtiges erläutern. Was das heißt, sagte das Unternehmen bis zum Mittag nicht.