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Hoffmann-von-Fallersleben-Museum
Zeitreise ins 19. Jahrhundert

In Wolfsburg erinnert ein Museum an den Germanisten und Freiheitskämpfer Hoffmann von Fallersleben. Die neu gestaltete Ausstellung versuche, alle Facetten seines Lebens zu beleuchten, sagte die Direktorin Bettina Greffrath im DLF. Eine herausragende Rolle spiele dabei auch die Musik.

Bettina Greffrath im Gespräch mit Doris Schäfer-Noske |
    August Hoffmann von Fallersleben, der Verfasser zahlreicher Kinderlieder (u.a. "Ein Männlein steht im Walde", "Alle Vögel sind schon da") ist vor allem mit seinem "Lied der Deutschen", der späteren Deutschen Nationalhymne, in die Geschichte eingegangen.
    Der Germanistik-Professor, Dichter und Freiheitskämpfer August Hoffmann von Fallersleben (Jürgen Diener / dpa)
    Doris Schäfer-Noske: Die Kinderlieder "Alle Vögel sind schon da", "Ein Männlein steht im Walde" oder "Winter ade!" und die deutsche Nationalhymne haben etwas gemeinsam. Ihr Text stammt nämlich von August Heinrich Hoffmann, der sich "von Fallersleben" nannte – nach seinem Heimatort. Heute ist Fallersleben ein Stadtteil von Wolfsburg und liegt ganz in der Nähe des VW-Werks. Dort wurde der Dichter also 1789 geboren. Hoffmann von Fallersleben war auch Germanistik-Professor, Begründer der niederländischen Philologie, Bibliothekar und ein Kämpfer der Freiheits- und Einheitsbewegung im Vormärz. In einem Schlösschen in Fallersleben gibt es ein Hoffmann-von-Fallersleben-Museum, das jetzt saniert und neu gestaltet worden ist.
    Frage an die Museumsleiterin, Bettina Greffrath: Wer steht denn im Mittelpunkt des neu gestalteten Museums? Der Dichter, der Germanist oder der politische Hoffmann von Fallersleben?
    Zeitreise ins 19. Jahrhundert
    Bettina Greffrath: Wir versuchen, natürlich alle Facetten zu beleuchten und den Besucher auch auf eine Zeitreise in das 19. Jahrhundert mitzunehmen, denn Hoffmann von Fallersleben hat alle Entwicklungen dieses Jahrhunderts reflektiert oder mit seinem Werk befördert, verstärkt, mit erkämpft und so weiter.
    Schäfer-Noske: Was waren denn die wichtigsten Lebensstationen von Hoffmann von Fallersleben und wie werden die im Museum illustriert?
    Greffrath: Man beginnt da natürlich in der Kindheit, die auch schon hoch interessant, politisch war, weil dieses kleine Ackerbürger-Städtchen Fallersleben französisch besetzt war und der Vater Bürgermeister. Da hat Hoffmann eigentlich schon seine frühe politische Prägung bekommen, also dann auch natürlich einen Freiheitsgedanken entwickelt, und der Besucher durchschreitet dann sozusagen seine Jugend, die natürlich auch sehr durch Liebesgedichte und Liebe, meist leider zu adeligen Damen, die er nicht erreichen konnte als Bürgerlicher, geprägt war, und dann natürlich die besonders durch Jakob Grimm beförderte Orientierung zur Literaturwissenschaft.
    Dann kommt er nach Breslau, wird dort Wissenschaftler. Wir folgen ihm auf seine Entdeckungsreisen in das Reich der Literatur, seine abenteuerlichen Entdeckungen in den Bibliotheken Europas, muss man sagen, denn er hat ja nicht nur zur deutschen Literatur gearbeitet, und lernen ihn dann kennen als schon etwas gesetzteren Herrn, der ganz viele politisch orientierte Freunde hatte in der Vormärzzeit, kommen dann in einen Barrikadenraum, der dann ihn als singenden Agitator beleuchtet in dieser Vormärzzeit, um dann letztendlich bis zu seinem Lebensende ihn in Corvey zu verfolgen.
    Schäfer-Noske: Ich habe es schon angesprochen: Er ist ja heute auch für seine Kinderlieder-Texte bekannt. Welche Rolle spielt denn die Musik in Ihrer Ausstellung?
    "Musik war im Grunde sein Leben"
    Greffrath: Eine ganz, ganz große Rolle, weil Hoffmann von Anfang an wusste, wenn er die Menschen erreichen will, und zwar auch den ganz einfachen Menschen, dann müssen sich seine Texte mit Musik verbinden. Musik war sein Leben im Grunde, so dass im zweiten Teil des Museums man sehr viel hören und auch selbst Musik machen kann. Es gibt dort zum Beispiel eine Karaoke-Station, große Hörinseln und Hörinstallationen, wo man die vielen, vielen Vertonungen auch hören kann. Das sind ja Vertonungen auch von ganz bekannten Komponisten wie Schumann oder Liszt, die dort auch zu hören sind.
    Schäfer-Noske: Was würden Sie sagen, außer den Kinderliedern und der Nationalhymne, was sind die wichtigsten Leistungen von Hoffmann von Fallersleben?
    Greffrath: Ganz wichtig ist, dass er im Grunde sehr stark gewirkt hat mit seinen politischen Liedern. Er ist ja viele Jahre, nachdem er seine Professur verloren hatte wegen dieser politischen Lieder, durch die Lande gezogen, gerade in dieser Zeit vor 1848, und hat die politischen Inhalte sehr stark über seine Lieder verbreiten können, und diese Verstärkung der bürgerlichen Bewegung, die dort damals war, ist sicherlich eine Hauptleistung, die schon eine politische Entwicklung verstärkt haben in Deutschland.
    Schäfer-Noske: Vor ein paar Jahren erst ist die erste umfassende Biografie zu Hoffmann von Fallersleben entstanden. Gibt es denn auch neue Forschungsergebnisse, die in die Gestaltung der Ausstellung eingeflossen sind?
    Neue Facetten
    Greffrath: Das sind viele, viele Nuancen, muss man sagen. Zum Beispiel hat man ihn lange Zeit für so einen armen Poeten gehalten, da er seine Professur verloren hatte. Das stimmt nur bedingt, weil er hat gerade in der Vormärzzeit sehr gut verdient. Er war ja jemand, der wusste, wie man sich vermarktet, und hat über Flugschriften ein richtiges Vermögen aufbauen können. Das sind so Facetten, die wir früher nicht so hatten, denn früher ist er ja sehr häufig auch nur in die deutsch-nationale Ecke gedrückt worden. Man wusste es aber auch nicht so genau, welche Facetten eigentlich er als Wissenschaftler und auch als politisch denkender Mensch aufzuweisen hatte.
    Schäfer-Noske: Sie haben es angesprochen: Er wurde früher schon in die nationale und auch nationalistische Ecke gestellt. Es gibt ja auch die Aussage, dass er alles Französische gehasst habe. Stimmt das denn?
    Greffrath: Da ist natürlich schon was dran, denn er hat ja die französische Besatzung hier sehr hautnah erlebt, weil sein Vater Bürgermeister war hier in Fallersleben. Das heißt, die Franzosen waren nicht unbedingt seine Freunde. Alles andere wäre geschönt. Aber man hat ihm auch immer Antisemitismus unterstellt; auch da wissen wir jetzt aus der Forschung, er hat sehr, sehr viele Freunde gehabt, die jüdischen Glaubens waren. Da ist eigentlich nichts dran. Aber es ist halt so: Durch die Rezeptionsgeschichte der Nationalsozialisten ist es auch sehr verständlich, dass man lange Zeit so über ihn gedacht hat. Heute wissen wir es besser und wir haben auch einen Raum ganz bewusst etwas mit kleinen Provokationen und Denkanstößen gestaltet, und das ist natürlich gerade der Raum zur Nationalhymne. Dort findet man einen Setzkasten, so nennen wir das, der umgeben ist von der Kuppel unseres Bundestages und der viele Denkanstöße gibt, wie wir heute zu dem Thema deutsche Nation stehen, zum Thema Nationalhymne und natürlich zu einem demokratisch verfassten Deutschland, der eigentlich auch ein bisschen provozieren will, da ein bisschen mehr drüber nachzudenken, vielleicht auch ein bisschen aktiver wieder teilzuhaben an den politischen Entwicklungen, denn das ist ja etwas, was heute manchmal ein bisschen fehlt.
    Schäfer-Noske: Das war Bettina Greffrath, die Leiterin des Hoffmann-von-Fallersleben-Museums, das jetzt nach einer Sanierung neu eröffnet worden ist.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.