Michael Böddeker: Kondome schützen vor Geschlechtskrankheiten. Das weiß man seit langem. Und deswegen sind sie auch eigentlich das Mittel der Wahl. Allerdings haben nicht alle Menschen freien Zugang zu Kondomen und vor allem sind auch nicht alle Männer bereit, Kondome zu benutzen. Besonders für die Frauen ist das eine schwierige und gefährliche Lage. In manchen Gebieten ist inzwischen die Mehrzahl der Neuinfizierten weiblich. Deshalb ist es besonders wichtig, Mittel zu finden, die die Frauen selbst benutzen können, ohne dass ihr Sexpartner zustimmen muss. Vaginalgels wären so ein Mittel. Versuche mit solchen Gels werden schon seit längerem gemacht. Nun wurde auf der Welt-Aids-Konferenz in Wien ein Erfolg verkündet. Ein bestimmtes Gel senkt das Infektionsrisiko um etwa die Hälfte, besagt eine Studie, die auch im Fachblatt "Science" veröffentlicht worden ist. Mein Kollege Martin Winkelheide ist für uns auf der Konferenz in Wien. Herr Winkelheide, wie verhindert denn dieses Vaginalgel diese Infektion?
Martin Winkelheide: Das ist eine farblose Substanz, die auch nicht nach irgendwas riecht. Und man könnte meinen, das ist ein ganz normales herkömmliches Gleitmittel. Eingearbeitet ist aber ein Aids-Medikament, ..., das gehört zu der ersten Generation der Aids-Medikamente, die es gab und die man früher als Tablette schlucken konnte. Hier kann es eben in Gelform entweder in die Scheide eingeführt werden oder, wie Zäpfchen auch, anal, und soll eben verhindern, dass Viren eben in die Schleimhaut eindringen.
Böddeker: Wie haben die Forscher denn herausgefunden, dass dieses Vaginalgel hilft?
Winkelheide: Sie haben es ausprobiert. Und zwar in der Provinz KwaZulu-Natal. Einmal in einer städtischen Umgebung, also in Durban selbst und dann auf dem Land, 100 Kilometer südlich von Durban, um auch zu gucken: Macht das ein Unterschied, ob das Frauen ausprobieren, die eher im ländlichen Bereich wohnen oder eben in der Stadt. Und man hat den Versuch mit 900 Frauen gemacht und die Hälfte von ihnen hat diese Substanz bekommen, die andere Hälfte hat ein Scheinpräparat bekommen, also einfach nur ein farbloses Gel, wo kein Wirkstoff drin ist. Und begleitet hat man das Ganze mit einer Aufklärung. Das heißt, die Frauen wurden darüber informiert: Was sind sexuell übertragbare Krankheiten auch jenseits von HIV? Wie kann man sich schützen? Also sie haben auch Kondome zur Verfügung gestellt bekommen und sie haben gesagt bekommen, dass man eben dieses Gel bei jedem Geschlechtsverkehr oder vor jedem Geschlechtsverkehr nutzen sollte.
Böddeker: Versuche mit Vaginalgels gab es ja auch vorher schon. Allerdings bisher ohne große Erfolge. Da gab es zunächst Studien, die vielversprechend waren, aber dann hat sich im größeren Versuch gezeigt: Es funktioniert doch nicht. Oder ein anderes Gel hat sogar die Infektionswahrscheinlichkeit erhöht. Ist denn diesmal irgendetwas anders oder kann sich auch diesmal wieder später herausstellen, dass es dann doch nicht geklappt hat?
Winkelheide: Auch Wissenschaftler lernen dazu und die Vaginalcremes oder chemischen Kondome, wie man das auch nennt, der ersten Generation waren einfach zu aggressiv. Das heißt, man hat einfach so etwas ähnliches genommen wie Desinfektionsmittel. Und von Desinfektionsmitteln weiß man: Das reizt die Schleimhaut. Und sobald Schleimhautreizungen auftreten beschädigt das die Schleimhaut und das Virus hat es sogar noch viel einfacher, in die Schleimhaut eindringen zu können. Und daraus hat man eben gelernt: Man muss eine Substanz finden, die gut ist für die Schleimhaut oder zumindest neutral. Und deswegen ist man auf die Idee gekommen, eben das Aids-Medikament in Gelform zu verarbeiten und die Idee ist eben, dass die Wirkstoffsubstanz, die normalerweise verhindert, dass das Virus seine Erbinformation, wenn es denn in die Zelle eingedrungen ist, in die Sprache der Zelle übersetzt und das genau diesen Prozess, also einen wichtigen Vermehrungsschritt beim Virus blockiert - dass man damit auch eine Ansteckung verhindern kann. Tatsächlich hat man einen Erfolg gesehen: Bei den Frauen, die das Gel sehr konsequent angewendet haben, hat man zumindest eine Halbierung des Risikos gesehen. Und insofern kann man das schonmal zumindest als einen Beweis dafür sehen, dass das Prinzip funktionieren könnte. Also ich formuliere das ein bisschen vorsichtig, weil dieser Versuch natürlich unter optimierten Bedingungen stattgefunden hat. Die Frauen sind jeden Monat einmal geschult worden. Das heißt, sie haben sich ständig mit dem Thema beschäftigt. Also: Wie kann man das Ansteckungsrisiko von HIV senken? Sie haben immer wieder auch etwas über Kondome gehört und sie sind immer wieder befragt worden: Welche Sexualpraktiken haben Sie denn benutzt? Und wie oft haben Sie das gemacht? Und wie viel Partner hatten Sie? Also das heißt, die haben sich sehr stark mit diesem Thema beschäftigt. Und die Forscher brauchten das, um das Risiko zu kalkulieren. Insofern muss man gucken: Wie ist das, wenn so ein Gel jenseits von Studienbedingungen benutzt würde. Und da kann man davon ausgehen, erstens, dass die Frauen das wahrscheinlich weniger konsequent benutzen würden, also weniger häufig. Und zum anderen, dass eine mögliche Gefahr zumindest besteht, dass man sagt: Ich hab ja das Gel, das mich schützt, und das man dann riskanter handelt und eben unvorsichtiger ist. Insofern besteht auch die Frage: Wird man dieses Produkt, was man im Moment ausprobiert hat und jetzt auch in größeren Studien noch testet, tatsächlich sofort auf dem Markt einführen? Denn das Problem ist: Wenn sich dann auf lange Sicht herausstellt, man erhöht das Risiko einer Ansteckung, weil sich das Verhalten ändert, dann ist die Methode verbrannt und das ist ein großes Problem.
Martin Winkelheide: Das ist eine farblose Substanz, die auch nicht nach irgendwas riecht. Und man könnte meinen, das ist ein ganz normales herkömmliches Gleitmittel. Eingearbeitet ist aber ein Aids-Medikament, ..., das gehört zu der ersten Generation der Aids-Medikamente, die es gab und die man früher als Tablette schlucken konnte. Hier kann es eben in Gelform entweder in die Scheide eingeführt werden oder, wie Zäpfchen auch, anal, und soll eben verhindern, dass Viren eben in die Schleimhaut eindringen.
Böddeker: Wie haben die Forscher denn herausgefunden, dass dieses Vaginalgel hilft?
Winkelheide: Sie haben es ausprobiert. Und zwar in der Provinz KwaZulu-Natal. Einmal in einer städtischen Umgebung, also in Durban selbst und dann auf dem Land, 100 Kilometer südlich von Durban, um auch zu gucken: Macht das ein Unterschied, ob das Frauen ausprobieren, die eher im ländlichen Bereich wohnen oder eben in der Stadt. Und man hat den Versuch mit 900 Frauen gemacht und die Hälfte von ihnen hat diese Substanz bekommen, die andere Hälfte hat ein Scheinpräparat bekommen, also einfach nur ein farbloses Gel, wo kein Wirkstoff drin ist. Und begleitet hat man das Ganze mit einer Aufklärung. Das heißt, die Frauen wurden darüber informiert: Was sind sexuell übertragbare Krankheiten auch jenseits von HIV? Wie kann man sich schützen? Also sie haben auch Kondome zur Verfügung gestellt bekommen und sie haben gesagt bekommen, dass man eben dieses Gel bei jedem Geschlechtsverkehr oder vor jedem Geschlechtsverkehr nutzen sollte.
Böddeker: Versuche mit Vaginalgels gab es ja auch vorher schon. Allerdings bisher ohne große Erfolge. Da gab es zunächst Studien, die vielversprechend waren, aber dann hat sich im größeren Versuch gezeigt: Es funktioniert doch nicht. Oder ein anderes Gel hat sogar die Infektionswahrscheinlichkeit erhöht. Ist denn diesmal irgendetwas anders oder kann sich auch diesmal wieder später herausstellen, dass es dann doch nicht geklappt hat?
Winkelheide: Auch Wissenschaftler lernen dazu und die Vaginalcremes oder chemischen Kondome, wie man das auch nennt, der ersten Generation waren einfach zu aggressiv. Das heißt, man hat einfach so etwas ähnliches genommen wie Desinfektionsmittel. Und von Desinfektionsmitteln weiß man: Das reizt die Schleimhaut. Und sobald Schleimhautreizungen auftreten beschädigt das die Schleimhaut und das Virus hat es sogar noch viel einfacher, in die Schleimhaut eindringen zu können. Und daraus hat man eben gelernt: Man muss eine Substanz finden, die gut ist für die Schleimhaut oder zumindest neutral. Und deswegen ist man auf die Idee gekommen, eben das Aids-Medikament in Gelform zu verarbeiten und die Idee ist eben, dass die Wirkstoffsubstanz, die normalerweise verhindert, dass das Virus seine Erbinformation, wenn es denn in die Zelle eingedrungen ist, in die Sprache der Zelle übersetzt und das genau diesen Prozess, also einen wichtigen Vermehrungsschritt beim Virus blockiert - dass man damit auch eine Ansteckung verhindern kann. Tatsächlich hat man einen Erfolg gesehen: Bei den Frauen, die das Gel sehr konsequent angewendet haben, hat man zumindest eine Halbierung des Risikos gesehen. Und insofern kann man das schonmal zumindest als einen Beweis dafür sehen, dass das Prinzip funktionieren könnte. Also ich formuliere das ein bisschen vorsichtig, weil dieser Versuch natürlich unter optimierten Bedingungen stattgefunden hat. Die Frauen sind jeden Monat einmal geschult worden. Das heißt, sie haben sich ständig mit dem Thema beschäftigt. Also: Wie kann man das Ansteckungsrisiko von HIV senken? Sie haben immer wieder auch etwas über Kondome gehört und sie sind immer wieder befragt worden: Welche Sexualpraktiken haben Sie denn benutzt? Und wie oft haben Sie das gemacht? Und wie viel Partner hatten Sie? Also das heißt, die haben sich sehr stark mit diesem Thema beschäftigt. Und die Forscher brauchten das, um das Risiko zu kalkulieren. Insofern muss man gucken: Wie ist das, wenn so ein Gel jenseits von Studienbedingungen benutzt würde. Und da kann man davon ausgehen, erstens, dass die Frauen das wahrscheinlich weniger konsequent benutzen würden, also weniger häufig. Und zum anderen, dass eine mögliche Gefahr zumindest besteht, dass man sagt: Ich hab ja das Gel, das mich schützt, und das man dann riskanter handelt und eben unvorsichtiger ist. Insofern besteht auch die Frage: Wird man dieses Produkt, was man im Moment ausprobiert hat und jetzt auch in größeren Studien noch testet, tatsächlich sofort auf dem Markt einführen? Denn das Problem ist: Wenn sich dann auf lange Sicht herausstellt, man erhöht das Risiko einer Ansteckung, weil sich das Verhalten ändert, dann ist die Methode verbrannt und das ist ein großes Problem.