Archiv


Hoffnung für Hepatitis-Patienten

Medizin.- Im Fachmagazin "Lancet" berichten Forscher davon, die Heilungschance von Hepatitis C nahezu verdoppelt zu haben. Wie seriös die Studie ist, erläutert Wissenschaftsjournalist Martin Winkelheide im Interview mit Ralf Krauter.

    Ralf Krauter: Hepatitis C ist eine der Viruskrankheiten, die man sich lieber nicht einfängt. Denn im Endstadium führt die Infektion bei rund einem Viertel der Betroffenen zu Leberversagen. Weltweit leiden 170 Millionen Menschen an chronischer Hepatitis C. Allein in Deutschland gibt es etwa eine halbe Million Patienten. Und die mussten sich bisher damit abfinden, dass die gängige Medikamententherapie je nach Virustyp oft nur bei jedem Zweiten anschlägt. Im Fachmagazin "Lancet" schreiben Forscher heute aber, sie hätten diese Heilungsrate nahezu verdoppelt mit einem neuartigen Tablettencocktail. Frage an den Wissenschaftsjournalisten und Hepatitis-Experten Martin Winkelheide hier im Studio: Klingt nach einem Durchbruch. Ist es das tatsächlich?

    Martin Winkelheide: Es zeigt zumindest, wo die Zukunft der Hepatitis-C-Behandlung hingehen könnte. Aber nur den ersten Schritt, wo es hingehen könnte. Tatsächlich haben sich die Heilungschancen erheblich verbessert, je nachdem, mit welchem Virus die Menschen infiziert waren, die Patienten in der Studie, war die Heilungschance doch verdoppelt. Und das ist schon ganz enorm.

    Krauter: Was genau haben die Mediziner anders gemacht in dieser großen klinischen Studie bei der Behandlung ihrer Patienten?

    Winkelheide: Das Entscheidende war, dass sie einen Wirkstoff zu dem Cocktail dazugetan haben, der das Virus gezielt angreift und in der Vermehrung blockiert. Bislang besteht die Behandlung der Hepatitis C darin, dass man ein Medikament in Tablettenform gibt - Ribavirin - und dass man eben zusätzlich ein Hormon spritzt - das Interferon. Und das sind relativ unspezifische Wirkstoffe, die das Immunsystem ankurbeln. Aber wirklich das Virus in der Vermehrung zu blockieren, das schafft jetzt dieser neue Wirkstoff. Das ist ein sogenannter Proteasehemmer. Das heißt, das Hepatitis-C-Virus geht in die Leberzelle rein, sorgt dafür, dass nicht nur das Erbmaterial vermehrt wird, sondern lässt von der Zelle neue Viren bauen und besitzt eine kleine Schere mit dem es die Proteinblöcke sozusagen richtig zurecht schneidet und nachher wieder komplette Viren zusammenbaut. Und genau diese Schere wird blockiert. Und das hat sich als sehr effektiv erwiesen.

    Krauter: Kann man das konkretisieren, die Tests? Wie vielversprechend waren die wirklich? Sie haben gesagt Verdopplung der Heilungsrate - bei manchen oder bei allen Virustypen?

    Winkelheide: Dieser Proteasehemmer ist maßgeschneidert für ein Virus von Genotyp eins. Das ist das Virus, was am häufigsten in Europa vorkommt und es ist auch am schwierigsten zu behandeln. Und dort gab es dann eben auch die besten Ergebnisse. Nun muss man gucken: Bei Patienten kann es sehr, sehr unterschiedlich sein, wie sie von alleine mit dem Virus zurecht kommen. Also wer nicht so hohe Viruszahlen im Blut hatte, zu Beginn der Studie, hatte eine sehr hohe Heilungschance von bis zu 90 Prozent. Und bei dem sich das Virus eben sehr stark vermehrt hatte, da sahen die Heilungschancen ein bisschen schlechter aus. Also man irgendwo im Mittel so bei 75 Prozent, was ganz enorm ist bei der Hepatitis C. Und was man aber eben auch sagen muss: Die Studie hat verschiedene Gruppen gebildet und wollte auch mal testen: Wie lang muss die Therapie denn eigentlich laufen? Weil die Hepatitis-C-Therapie läuft oft über ein halbes Jahr. Und die Frage war: Kann man es verkürzen und spart damit eben auch viele ungünstige Nebeneffekte ein? Denn gerade die Interferon-Therapie wird von vielen sehr schlecht vertragen.

    Krauter: Nun braucht es erfahrungsgemäß ja wahrscheinlich noch ein paar Monate, wenn nicht mindestens ein Jahr, bis so etwas dann zu kaufen sein könnte in der Apotheke. Was ist denn Patienten zu raten, bis das neue Präparat zugelassen wird?

    Winkelheide: Also es gibt zwei Proteasehemmer, die kurz vor der Zulassung stehen, wie Wissenschaftler sagen würden. Also Boceprevir, das was hier eben gerade getestet worden ist, und Telaprevir, das ist von einem US-amerikanischen Hersteller ... und beide Präparate werden nicht vor Ende 2011, Anfang 2012 zugelassen werden. Und dann heißt es jetzt nicht so lange warten, bis das jetzt auf den Markt kommt, sondern es macht schon Sinn zu gucken, wer mit welchem Virustyp ist jemand infiziert. Denn, wie gesagt, diese Proteasehemmer sind eben zugeschneidert auf Genotyp eins. Andere Virustypen sprechen auf die Standardtherapie ganz gut an. Denn sonst müsste man sagen: Dann warten wir doch, bis dann noch andere Wirkstoffe auf den Markt kommen, die dann das Virus an anderer Stelle blockieren. Insgesamt muss man sagen, die Therapie wird sicherlich personalisierter ablaufen und in den nächsten Jahren sind noch viele Präparate zu erwarten, die eben auch gezielt die Virusvermehrung an anderer Stelle blockieren.