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Hoffnung in der Kurdenfrage

In den Friedensprozess zwischen der Türkei und der kurdischer Guerilla ist Bewegung gekommen: Der inhaftierte PKK-Chef Abdullah Öcalan hat Aussöhnung mit dem türkischen Staat in Aussicht gestellt. Im Südosten des Landes kommt es zwischen PKK und Armee noch zu Gewalt.

Von Gunnar Köhne |
    Als die kurdische Politikerin Pervin Buldan am Samstagabend im Istanbuler Yachthafen Ataköy vor die Presse trat, hatte sie eine kurze Botschaft dabei. Absender: Abdullah Öcalan, PKK-Chef.

    "Wir durchleben einen historischen Prozess. Alle Seiten sollten während dieses Prozesses sehr vorsichtig und sensibel sein. Der Staat verfügt über Gefangene. Aber auch die PKK verfügt ihrerseits über Gefangene. Die PKK sollte die Gefangenen in ihrer Hand gut behandeln. Ich hoffe, dass sie in kürzester Zeit zu ihren Familien zurückkehren können."

    Neun Stunden war Buldan gemeinsam mit zwei Abgeordnetenkollegen ihrer Partei BDP bei Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali gewesen – mit ausdrücklicher Genehmigung der Regierung. Schließlich soll der ins Stocken geratene Friedensprozess zwischen Staat und kurdischer Guerilla wieder in Gang kommen.

    Über den genauen Inhalt der Gespräche wurde zunächst nichts bekannt: Doch allein die Ankündigung Öcalans, die 16 von der PKK zum Teil schon jahrelang festgehaltenen Soldaten und Polizisten würden freigelassen, wird von türkischen Medien als bedeutender Schritt zu einer Aussöhnung gewertet. Die Regierung hielt sich zunächst mit Kommentaren zurück. Man wolle die Ergebnisse des Besuchs genau analysieren, antwortet Ministerpräsident Erdogan gestern auf Reporterfragen.

    Es war bereits der zweite Besuch von Abgeordneten der Kurdenpartei BDP bei Öcalan in seiner Zelle. Auch Vertreter des türkischen Geheimdienstes MIT besuchen den einstigen Staatsfeind Nr. 1 regelmäßig. Noch vor wenigen Jahren wäre wohl allein die Forderung nach solchen Besuchen strafrechtlich verfolgt worden.

    Das Wort Frieden ist in aller Munde in der Türkei, genauer: Das Wort Friedensprozess. Denn noch hat die kurdische PKK die Waffen nicht niedergelegt, noch kommt es im Südosten des Landes zu Auseinandersetzungen zwischen der Armee und der kurdischen Guerilla. Und auch türkische Ultranationalisten haben ihren Widerstand gegen jegliche Verhandlungen mit der PKK angekündigt. Ein rechter Mob hatte Anfang der Woche eine BDP-Delegation in der Schwarzmeer-Stadt Sinop mit Steinen angegriffen. Entsprechend vorsichtig gibt sich Ministerpräsident Erdogan:

    "Provokationen und Sabotageversuche werden diesen Prozess begleiten. Darum rufe ich insbesondere die Medien zu Besonnenheit und Verantwortungsbewusstsein auf. Wer als Türke oder als Kurde Rassismus propagiert, für den gibt es in diesem Land keinen Platz."

    Allen Beteiligten scheint bewusst zu sein, dass die Verhandlungen scheitern könnten, ehe sie richtig begonnen haben. So wie vor vier Jahren, als sich Abgesandte der türkischen Regierung mit PKKlern heimlich in Oslo trafen. Viele entscheidende Fragen sind noch offen: Wie groß tatsächlich ist der Einfluss des seit 14 Jahren in Haft sitzenden Öcalan auf die derzeitige PKK-Führung, die in den Bergen Nordiraks residiert? Wie sollen die PKK-Kämpfer wieder in die Gesellschaft integriert werden? Und was geschieht mit Öcalan nach einem Friedensschluss? Wird er weitere Hafterleichterungen bis hin zum Hausarrest bekommen?

    Die Kurdenpartei BDP, die ihre politische Nähe zur PKK nicht bestreitet, darf zwar Emissäre zu Öcalan schicken und dessen Botschaften der Regierung überbringen – doch die Partei selbst werde von Ministerpräsident Erdogan ignoriert, beklagt der BDP-Vorsitzende Selahattin Demirtas:

    "Die Roadmap von Herrn Öcalan kennen wir eigentlich recht gut. Doch welche Roadmap hat eigentlich die AKP-Regierung?"

    Es knirscht also noch - trotz zur Schau gestelltem guten Willens auf beiden Seiten. Nach dem regen Besuchsverkehr auf der Gefängnisinsel Imrali erwarten nicht zuletzt die Kurden des Landes konkrete Schritte hin zu einem dauerhaften gesellschaftlichen Frieden.