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Hoffnung nach der Brustamputation

Die Diagnose Brustkrebs bedeutet für 30 Prozent der Patientinnen, dass sie radikal operiert werden müssen. Für die Betroffenen ist das ein Schock. Nicht nur die Angst um ihr Leben bewegt sie, auch die Verstümmelung ist eine große psychische Belastung. Um diesen Frauen zu helfen, gab es bislang die Möglichkeit, mit Hilfe von Silikonkissen eine neue Brust zu rekonstruieren. Die Bonner Universitätsklinik greift jetzt in Zusammenarbeit mit einem ästhetischen Chirurgen eine relativ neue Methode auf. Dabei wird aus eigenem Gewebe der Patientin eine Brust rekonstruiert.

    Nur noch in 30 Prozent der Brustkrebsoperationen muss die Brust vollständig amputiert werden – die Ärzte bemühen sich, brusterhaltend zu operieren, doch das geht eben nicht immer. So wie bei der heute 32-jährigen Sylvia, die im Frühjahr 2004 mit der Diagnose Brustkrebs zum zweiten Mal konfrontiert wurde.
    "Das war praktisch ein Satz: Wir müssen amputieren, können aber rekonstruieren."
    Für Sylvia ein entsetzlicher Schock – knapp zwei Jahre nach ihrer ersten Brustkrebsoperation im Frühjahr 2004, trotz Chemotherapie und Bestrahlung - der befürchtete Rückfall. Die junge Frau wendet sich an die Bonner Universitätsfrauenklinik – und wird hier von einem interdisziplinären Team aus Gynäkologen, Onkologen, Radiologen und weiteren Fachärzten untersucht und beraten.
    Prof. Walther Kuhn, Geschäftsführender Direktor des Zentrums für Geburtshilfe und Frauenheilkunde an der Bonner Universitätsklinik, sieht in dieser Teamarbeit den Vorteil der Brustzentren:
    "Und das ist aus meiner Sicht das Zauberwort, dass wir gemeinsam, interdisziplinär die Behandlung planen und mit der Patientin besprechen. Und insofern, mein Wunsch, mein Appell, dass sich die Frauen tatsächlich vor Beginn einer Behandlung sehr genau orientieren, wo sie sich behandeln lassen wollen. Das ist keine Frage, ob die Operation heute, morgen oder übermorgen durchgeführt wird, das wird die Prognose nicht verschlimmern. "
    Das Bonner Ärzteteam unter Leitung von Prof. Kuhn raten der 31jährigen Patientin Sylvia nach eingehender Untersuchung zu einer totalen Brustentfernung.
    "Ich hätte, das hört sich blöd an, lieber einen Arm verloren als meine Brust, weil das ... hat mich unheimlich getroffen... "
    Noch bevor überhaupt die zweite Krebsbehandlung beginnt, wird Sylvia in Bonn nicht nur über die Brustentfernung und den onkologischen Therapieplan aufgeklärt. Der Plastische Chirurg des Teams erklärt ihr schon vor der Brustentfernung die verschiedenen Möglichkeiten einer späteren Brustrekonstruktion.
    "Die Asymmetrie, ich habe also in dem halben Jahr ein unheimliches Hassgefühle entwickelt. Dieser Blick in den Spiegel war für mich persönlich fürchterlich. "
    Die Aussicht auf eine möglichst gute Brustrekonstruktion hilft ihr über die entsetzliche Wartezeit nur wenig hinweg. Ihr zweites Leben, so erzählt die Patientin heute, beginnt erst als auch die Brustrekonstruktion abgeschlossen ist.
    Dr. Klaus Walgenbach, der Plastische Chirurg im Bonner Team, bietet neben den heute üblichen Silikongelkissen und Kochsalzimplantaten alternativ auch neuartige Verfahren an, bei denen aus dem Eigengewebe der Patientin eine neue Brust aufgebaut wird. Aus Eigengewebe aufgebaute Brüste wirken oftmals natürlicher und geben auch der Patientin ein Stück ihres verlorenen Körpergefühls zurück.
    "Das Prinzip des Eigengewebstransfers beruht darauf, dass man Gewebe von einer Region entnimmt und in die Brustregion transferiert, aber wichtig dabei ist, das eine Durchblutung dieses Gewebes gewährleistet ist und dann kann man sich verschiedene Techniken zu Hilfe nehmen: Entweder bei gestielten Transfer, das heißt, wo dieser Block noch irgendwo mit dem Körper verbunden bleibt, nimmt man meistens einen Muskel über den die Blutversorgung in die Haut und in das Fettgewebe gewährleistet ist. "

    "Die andere Alternative, eine sehr elegante Methode ist die so genannte mikrochirurgische Methode, dass man eben diesen Gewebeblock bestehend aus Haut, Fettgewebe und gegebenenfalls Muskulatur, aber immer mit den zuführenden Blutgefässen, komplett zum Beispiel aus der Bauchdecke entnimmt und dann unter dem Mikroskop diese winzig kleinen Gefäße an Gefäße in der Empfängerregion, sprich in Brustnähe anschließt und darüber die Durchblutung des Gewebeblockes, der jetzt die neue Brust formt gewährleistet."
    Ein halbes Jahr nach der Brustamputation liegt Sylvia erneut im Operationssaal der Bonner Universitätsfrauenklinik. Ob Patientinnen wirklich so lange auf die ersehnte Rekonstruktion warten müssen, gilt in der Fachwelt als umstritten, betont der Frauenarzt Prof. Kuhn – er selbst befürwortet in den allermeisten Fällen, ...
    "... dass wir zunächst die onkologische Therapie beenden, mit Operation, mit Strahlentherapie, sehr häufig eben auch mit Chemotherapie, dass wir dann, wenn die onkologische Situation kalkulierbar ist, dass wir dann in einem zweiten Schritt den kosmetischen Aspekt angehen. Das ist abhängig von der durch die Erkrankung vorgegebene Prognose der Patientin. "
    Doch nicht immer ist eine Brustrekonstruktion mit Eigengewebe aus Sicht des Onkologen wirklich sinnvoll - beispielsweise, wenn das Rückfallrisiko zu groß ist:
    "Das sind die so genannten bei C4-Karzinome, also weit fortgeschrittene Tumoren, die ein extrem hohes Rezidivrisiko haben. In diesen Fällen sollte man tatsächlich die Rekonstruktion nicht anbieten, denn zum einen ist die Rezidiv-Diagnostizierbarkeit etwas erschwert und zu anderen gerät man in das Dilemma, dass man in das rekonstruierte Gewebe zusätzlich wieder hineintherapieren muss, sei es erneut operieren, sei es erneut bestrahlen. "
    Wichtig sei es, so die einhellige Meinung von Frauenarzt und plastischem Chirurgen, die Patientinnen über alle Möglichkeiten von Brustrekonstruktionen zu beraten Dr. Walgenbach, der vor allem auch in den USA als Operateur gute Erfahrungen mit Eigengewebs-Rekonstruktionen gesammelt hat, rät keineswegs jeder Patientin zum aufwendigen Eigengewebstransfer:

    "Wenn es möglich ist, eine einfache Rekonstruktion zu erreichen, zum Beispiel bei einer relativ kleinen Brust, bei einer vielleicht relativ straffen Brust und man nicht durch eine Vorbestrahlung erheblich eingeschränkt ist, dann denke ich, kann man mit einer Silikon-Gel-Prothese vielleicht sogar besser rekonstruieren kann."
    Bei Sylvia konnte aus dem Bauchgewebe erfolgreich die entfernte Brust rekonstruiert werden – sie ist mit dem Ergebnis sehr zufrieden, mit ihrem Busen und mit ihren Bauch.
    "Mein kleiner Bauch hat mich schon immer ein bisschen gestört und ich habe mir dann gesagt, warum nicht mit einem ein bisschen angenehmeren Aspekt verbinden und dann da auch den Bauch mit wegzubekommen. ... Der Bauch ist schön flach, hat allerdings eine sehr große Narbe, die über die ganze Hüfte geht und der Bauchnabel ist halt eine Narbe."
    Die fehlende Brustwarze wurde aus der Bauchhaut neu modelliert und in der kommenden Woche tätowiert - damit passt Dr. Walgenbach Sylvias Brustwarze und Vorhof in einem letzten Behandlungsschritt dem Aussehen einer natürlichen Brustwarze an.