Nicht nur die Herstellung von Endgeräten ist energieaufwändig und verursacht Treibhausgasemissionen, die gewaltigen Datenmengen für Streams oder Videokonferenzen tun das ebenfalls. Die nicht zuletzt durch Corona fortschreitende Digitalisierung ist also nicht unbedingt ein Versprechen für Nachhaltigkeit. Bei den weltweiten Treibhausgas-Emissionen hat die Informationstechnik schon jetzt einen Anteil von bis zu vier Prozent – Tendenz steigend. "Wenn wir unser Konsumverhalten, also unseren digitalen Lebensstil, auf uns als Person beziehen, dann ist es pro Person etwa eine Dreiviertel Tonne CO2, die wir pro Jahr erzeugen", erklärt Jens Gröger, Senior Researcher für Produkte und Stoffströme am Öko-Institut in Berlin. Manche kämen auf eine Tonne. Die Energie, die für Ernährung, Heizung und Mobilität draufgeht, müsse man noch dazu rechnen.
Der Experte sieht auch im Ausbau der digitalen Infrastruktur und Mobilisierung eine Bedrohung. "Pessimistische Schätzungen gehen davon aus, dass vielleicht in zehn bis 20 Jahren 50 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs durch Informationstechnik verursacht wird." Man müsse sich dieser Problematik annehmen, dass Digitalisierung nicht nur ein Heilsbringer sei, sondern auch viele Ressourcen verbrauche.
Deswegen fordert Gröger Transperenz. "Um zu erfahren, welchen digitalen Fußabdruck das Nutzen von Cloud-Diensten oder Apps beispielsweise hinterlässt." Auch Rechenzentrenbetreiber und Serverdienste müssten berichten, wie viel Strom sie verbrauchen. "Dadurch kann ich einen Wettbewerb herstellen, dass ich die energieeffizientesten Dienste in Anspruch nehme oder fördere oder andere eben abschalte. Dadurch kann ich praktisch die Digitalisierung an sich in eine positive Richtung treiben."
Das Interview in voller Länge:
Kathrin Kühn: Wie kommt er zustande – dieser Klimafußabdruck unseres digitalen Lebens schon jetzt?
Jens Gröger: Die Herstellung der Geräte ist sehr energieaufwendig und verursacht Treibhausgasemissionen, also alle Fernseherbildschirme, Computer und so weiter verbrauchen natürlich Energie. Dann geht es auch darum, dass Daten über das Internet übertragen werden, auch die Datennetze brauchen Strom. Und Rechenzentren verarbeiten natürlich all unsere Daten und auch Rechenzentren sind sehr energieaufwendig und verbrauchen mehr und mehr Strom.
Kühn: Lässt sich das auch runterbrechen – zum Beispiel auf mich persönlich jetzt?
Gröger: Wenn wir unser Konsumverhalten, also unseren digitalen Lebensstil, auf uns als Person beziehen, dann ist es pro Person etwa eine Dreiviertel Tonne CO2, die wir pro Jahr erzeugen. Wenn ich intensiv Digitaltechnik nutze, kann ich den Fußabdruck auch auf eine ganze Tonne oder sogar noch mehr hochtreiben, insofern ist es schon ein CO2-Fußabdruck, den ich persönlich an der Stelle verursache.
Auf eine Tonne CO2 im Jahr kommen
Kühn: Was heißt das denn, eine ganze Tonne, wäre das gefährlich, wenn das jeder Mensch so machen würde jetzt aktuell?
Gröger: In Deutschland ist es so, dass wir derzeit pro Bundesbürgerin und Bundesbürger elf Tonnen CO2 verursachen, also hört sich eine Tonne erst mal nicht so viel an, gerade mal ein Zehntel. Fakt ist aber, dass wir ja klimaneutral werden wollen – und eine Tonne ist tatsächlich genau das, was gerade noch klimaverträglich wäre. Also da müssen wir hinkommen, dass wir nur noch eine Tonne brauchen, und leider gibt es auch noch so etwas wie Ernährung, Heizung, Mobilität, die auch alle Energie brauchen und Treibhausgasemissionen verursachen.
Kühn: Und dann haben wir jetzt ja auch alle gelernt, zuletzt jetzt auch noch mal in der Pandemie, wir hinken bei der Digitalisierung massiv hinterher, und es steht so oder so ein Ausbau an über die ganze Fortentwicklung. Das heißt, das wird dann ja eigentlich jetzt noch mehr, schrillen da bei Ihnen dann jetzt komplett die Alarmglocken?
Gröger: Ja, tatsächlich ist es so, dass gerade zum Beispiel Rechenzentren massiv ausgebaut werden, auch digitale Infrastrukturen, also Netzwerke, werden massiv ausgebaut. Das heißt, pessimistische Schätzungen gehen davon aus, dass vielleicht in zehn bis 20 Jahren 50 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs durch Informationstechnik verursacht wird. Und da schrillen tatsächlich die Alarmglocken, weil wir wollen ja schließlich auch die Mobilität elektrifizieren, die Heizungen, die Stahlherstellung möglicherweise. Das heißt, alle wollen den Strom haben, deshalb müssen wir bei Rechenzentren dafür sorgen, dass da nicht ein endloses Wachstum ist, sondern ein Wachstum, was in vernünftigen Grenzen bleibt.
Kühn: Wird das denn im Moment genug thematisiert, wird da genügend drüber gesprochen über dieses Risiko, was sich da gerade aufbaut?
Gröger: Nein, das Gegenteil ist der Fall. Tatsache ist, dass Digitalisierung als Heilsbringer eigentlich einem eher verkauft wird, sage ich mal, das heißt, Digitalisierung soll all unsere Zukunftsprobleme lösen. Und das mag an der einen oder anderen Stelle tatsächlich auch stimmen oder funktionieren, aber erst mal verbraucht natürlich Digitalisierung Ressourcen: zur Herstellung all dieser Geräte und natürlich im Gebrauch dieser ganzen Produkte versucht das Treibhausgasemissionen, Energieverbrauch. Dann haben wir auch noch das Elektroschrottproblem.
Transparenz über den Verbrauch schaffen
Kühn: Was müsste denn dann jetzt passieren, um, sagen wir mal, die Digitalisierung klimaneutral voranzutreiben?
Gröger: Ja, im ersten Schritt ist sicherlich so etwas wie Transparenz nötig, wir müssen überhaupt mal mehr darüber erfahren. Und auch die Betreiber von Clouddiensten, wenn ich ein Videostreaming oder ein Übersetzungsprogramm oder was auch immer in Anspruch nehme, möchte ich natürlich wissen, was hat es für einen Umwelt-Fußabdruck. Da muss Transparenz her, Rechenzentrumsbetreiber müssen genau wie alle anderen Branchen auch darüber berichten, wie viel Strom sie verbrauchen. Dadurch kann ich ja letztlich einen Wettbewerb herstellen, dass ich die energieeffizientesten Dienste in Anspruch nehme oder fördere oder andere eben abschalte. Dadurch kann ich praktisch die Digitalisierung an sich in eine positive Richtung treiben. Jetzt ist sie rein wirtschaftlich getrieben, das heißt dort, wo ich möglichst viel Gewinn machen kann, da wird investiert. Und wir müssen praktisch diese Nachhaltigkeitsbetrachtung in diese Digitalisierung einbeziehen, um sie in eine umweltfreundliche Richtung weiterzuentwickeln.
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