Jochen Spengler: Sechs Morde sollte die Frau ohne Gesicht begangen haben, darunter den Mord an einer Polizistin. Sie war die meist gesuchte Verbrecherin Deutschlands. An etlichen Tatorten hinterließ sie ihre DNA. Eine Belohnung von 300.000 Euro war für ihre Ergreifung als Belohnung ausgesetzt. Jetzt aber scheint sich herauszukristallisieren: Es gibt sie vermutlich gar nicht. Stattdessen dürften die DNA-Spuren von verunreinigten Wattestäbchen stammen, mit denen an den Tatorten die Spuren gesichert wurden. Am Telefon ist der Rechtsmediziner Professor Michael Tsokos, der Leiter des Landesinstituts für gerichtliche und soziale Medizin in Berlin. Herr Professor Tsokos, guten Tag!
Michael Tsokos: Schönen guten Tag.
Spengler: Welche Folgen werden die neuen Erkenntnisse haben, wenn sie sich denn bestätigen sollten?
Tsokos: Man wird insbesondere das Qualitätsmanagement in den Firmen, die diese Wattetupfer zur Sicherung biologischer Spuren herstellen, überprüfen müssen, optimieren müssen. Man wird auch innerhalb von den Laboren die Qualitätskontrollen überprüfen müssen, welche Ergebnisse können wir überhaupt rausgeben, dass nämlich so etwas, was bei uns auch ein bekanntes Phänomen ist, mit kontaminierter DNS, nicht direkt an die Öffentlichkeit geht. Wir haben häufig mit kontaminierter DNS zu tun. Das sind DNA-Profile, die überhaupt nicht im Zusammenhang mit der Tat stehen, und das muss intern ausgeschlossen werden, ehe solche Ergebnisse an die Öffentlichkeit gegeben werden.
Spengler: Herr Tsokos, ist das peinlich nur für die Herstellerfirma?
Tsokos: Ich weiß nicht, ob man es als peinlich bezeichnen kann. Ich denke, es war notwendig, dass so etwas jetzt mit so einem großen Knall mal an die Öffentlichkeit geht, denn aus solchen Fehlern lernt man. Meiner Ansicht nach hätten auch die Laboratorien nicht unkritisch diese Ergebnisse rausgeben dürfen, sondern hätten eben auch versuchen müssen, intern zu überprüfen, gibt es hier DNS-Kontaminationen, und bei sechs völlig unterschiedlichen Tatorten mit dem gleichen DNS-Profil, mit fehlenden anderen Hinweisen, mit fehlenden Faserspuren und Fingerabdrücken, muss man sicherlich selbstkritisch mal überprüfen, wo läuft alles zusammen. So etwas läuft gegebenenfalls zusammen bei Herstellern von Wattetupfern.
Spengler: Wann ist Ihnen denn erstmals der Verdacht gekommen, dass es sich da nicht um einen wirklichen Täter handeln könnte?
Tsokos: In Fachkreisen der Rechtsmedizin ist das seit vielen Monaten bereits Thema. Ich habe gerade vor zwei Tagen zuletzt bei einem Vortrag auf eine Frage hin im Zusammenhang mit diesem Fall, ob denn da möglicherweise bewusst falsche DNA gelegt wurde, gesagt, dass das sicherlich eine Kontamination ist. Also für uns ist das nichts Überraschendes.
Spengler: Wenn das schon seit Monaten diskutiert wird, woran liegt es, dass es erst jetzt sozusagen das Licht der Öffentlichkeit erblickt?
Tsokos: Ich weiß nicht, ob es bei der Polizei entsprechend diskutiert worden ist. Sicherlich gab es da auch Hinweise in die Richtung, und das ist jetzt auch ein Schritt an die Öffentlichkeit, um weiteren Schaden abzuwenden. Ich weiß nicht, woran es liegt, warum die Verantwortlichen dort nicht eher reagiert haben.
Spengler: Braucht man künftig eine Art Garantie auf DNA-Freiheit von Spurensicherungsmitteln und wie kann man die erreichen?
Tsokos: Nein. Man muss sich einfach an die Richtlinien, die wir auch in unseren rechtsmedizinischen DNA-Laboratorien haben, halten, nämlich dass man so genannte Ausschlusstabellen mitführt von Personen, die mit biologischen Spuren in Kontakt waren, dass man deren DNS-Profil hat, das heißt, dass man das abgleichen kann. Wir haben es auch immer wieder mit Verunreinigungen von Proben zu tun und haben dann eben solche Ausschlusstabellen, um zu überprüfen, sind das die eigenen Leute. In dem Fall hätte man eben gleich hellhörig werden müssen und sagen, wo läuft das eigentlich alles zusammen, das muss aus einer Quelle kommen, und das ist dann eben bei dem Hersteller der Asservatenträger zu suchen.
Spengler: Also das, was man bislang bei Polizisten, die Spuren sichern, schon macht, dass man deren DNA dabeilegt, das müsste sozusagen auf den Hersteller ausgeweitet werden?
Tsokos: Ganz genau, oder man muss sicherstellen, dass die Hersteller die Stäbchen steril herstellen und sich auch dort an die Vorgaben halten, denn offensichtlich sind diese Stäbchen entweder nicht steril hergestellt worden, oder es gab beim Versand, bei der Verpackung eine Kontamination durch entsprechendes Personal.
Spengler: Professor Tsokos, es werden ja immer mehr Urteile auf der Grundlage von DNA-Beweisen gefällt. Müssen wir jetzt künftig Bauchschmerzen haben?
Tsokos: Nein, überhaupt nicht. Das ändert an der Verlässlichkeit und der hohen Validität der DNA-Analyse überhaupt nichts. Das sind auch zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe. Auf der einen Seite: Die Urteile begründen sich auf einer DNA-Spur, die an einem Tatort gefunden wurde und einem Tatverdächtigen gegenübergestellt wird, der zum Beispiel abstreitet, jemals dort gewesen zu sein, und auf der anderen Seite haben wir jetzt hier eine Kontamination, eine DNA-Spur, die mit der Tat überhaupt nichts zu tun hat. Das sind zwei völlig unterschiedliche Gebiete und insofern ist die hohe Validität der DNA-Analyse dadurch überhaupt nicht beeinträchtigt.
Spengler: Der Leiter des Landesinstituts für gerichtliche und soziale Medizin in Berlin, Professor Michael Tsokos, im Interview. Danke für das Gespräch, Herr Tsokos.
Michael Tsokos: Schönen guten Tag.
Spengler: Welche Folgen werden die neuen Erkenntnisse haben, wenn sie sich denn bestätigen sollten?
Tsokos: Man wird insbesondere das Qualitätsmanagement in den Firmen, die diese Wattetupfer zur Sicherung biologischer Spuren herstellen, überprüfen müssen, optimieren müssen. Man wird auch innerhalb von den Laboren die Qualitätskontrollen überprüfen müssen, welche Ergebnisse können wir überhaupt rausgeben, dass nämlich so etwas, was bei uns auch ein bekanntes Phänomen ist, mit kontaminierter DNS, nicht direkt an die Öffentlichkeit geht. Wir haben häufig mit kontaminierter DNS zu tun. Das sind DNA-Profile, die überhaupt nicht im Zusammenhang mit der Tat stehen, und das muss intern ausgeschlossen werden, ehe solche Ergebnisse an die Öffentlichkeit gegeben werden.
Spengler: Herr Tsokos, ist das peinlich nur für die Herstellerfirma?
Tsokos: Ich weiß nicht, ob man es als peinlich bezeichnen kann. Ich denke, es war notwendig, dass so etwas jetzt mit so einem großen Knall mal an die Öffentlichkeit geht, denn aus solchen Fehlern lernt man. Meiner Ansicht nach hätten auch die Laboratorien nicht unkritisch diese Ergebnisse rausgeben dürfen, sondern hätten eben auch versuchen müssen, intern zu überprüfen, gibt es hier DNS-Kontaminationen, und bei sechs völlig unterschiedlichen Tatorten mit dem gleichen DNS-Profil, mit fehlenden anderen Hinweisen, mit fehlenden Faserspuren und Fingerabdrücken, muss man sicherlich selbstkritisch mal überprüfen, wo läuft alles zusammen. So etwas läuft gegebenenfalls zusammen bei Herstellern von Wattetupfern.
Spengler: Wann ist Ihnen denn erstmals der Verdacht gekommen, dass es sich da nicht um einen wirklichen Täter handeln könnte?
Tsokos: In Fachkreisen der Rechtsmedizin ist das seit vielen Monaten bereits Thema. Ich habe gerade vor zwei Tagen zuletzt bei einem Vortrag auf eine Frage hin im Zusammenhang mit diesem Fall, ob denn da möglicherweise bewusst falsche DNA gelegt wurde, gesagt, dass das sicherlich eine Kontamination ist. Also für uns ist das nichts Überraschendes.
Spengler: Wenn das schon seit Monaten diskutiert wird, woran liegt es, dass es erst jetzt sozusagen das Licht der Öffentlichkeit erblickt?
Tsokos: Ich weiß nicht, ob es bei der Polizei entsprechend diskutiert worden ist. Sicherlich gab es da auch Hinweise in die Richtung, und das ist jetzt auch ein Schritt an die Öffentlichkeit, um weiteren Schaden abzuwenden. Ich weiß nicht, woran es liegt, warum die Verantwortlichen dort nicht eher reagiert haben.
Spengler: Braucht man künftig eine Art Garantie auf DNA-Freiheit von Spurensicherungsmitteln und wie kann man die erreichen?
Tsokos: Nein. Man muss sich einfach an die Richtlinien, die wir auch in unseren rechtsmedizinischen DNA-Laboratorien haben, halten, nämlich dass man so genannte Ausschlusstabellen mitführt von Personen, die mit biologischen Spuren in Kontakt waren, dass man deren DNS-Profil hat, das heißt, dass man das abgleichen kann. Wir haben es auch immer wieder mit Verunreinigungen von Proben zu tun und haben dann eben solche Ausschlusstabellen, um zu überprüfen, sind das die eigenen Leute. In dem Fall hätte man eben gleich hellhörig werden müssen und sagen, wo läuft das eigentlich alles zusammen, das muss aus einer Quelle kommen, und das ist dann eben bei dem Hersteller der Asservatenträger zu suchen.
Spengler: Also das, was man bislang bei Polizisten, die Spuren sichern, schon macht, dass man deren DNA dabeilegt, das müsste sozusagen auf den Hersteller ausgeweitet werden?
Tsokos: Ganz genau, oder man muss sicherstellen, dass die Hersteller die Stäbchen steril herstellen und sich auch dort an die Vorgaben halten, denn offensichtlich sind diese Stäbchen entweder nicht steril hergestellt worden, oder es gab beim Versand, bei der Verpackung eine Kontamination durch entsprechendes Personal.
Spengler: Professor Tsokos, es werden ja immer mehr Urteile auf der Grundlage von DNA-Beweisen gefällt. Müssen wir jetzt künftig Bauchschmerzen haben?
Tsokos: Nein, überhaupt nicht. Das ändert an der Verlässlichkeit und der hohen Validität der DNA-Analyse überhaupt nichts. Das sind auch zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe. Auf der einen Seite: Die Urteile begründen sich auf einer DNA-Spur, die an einem Tatort gefunden wurde und einem Tatverdächtigen gegenübergestellt wird, der zum Beispiel abstreitet, jemals dort gewesen zu sein, und auf der anderen Seite haben wir jetzt hier eine Kontamination, eine DNA-Spur, die mit der Tat überhaupt nichts zu tun hat. Das sind zwei völlig unterschiedliche Gebiete und insofern ist die hohe Validität der DNA-Analyse dadurch überhaupt nicht beeinträchtigt.
Spengler: Der Leiter des Landesinstituts für gerichtliche und soziale Medizin in Berlin, Professor Michael Tsokos, im Interview. Danke für das Gespräch, Herr Tsokos.