Vorbemerkung 1 - erstmals seit langem kommt Dimiter Gotscheff ganz ohne Familie aus. Nicht Almut Zilcher, seine Frau, nicht die Freunde Samuel Finzi und Wolfram Koch Bestreiten diese Müller-Recherche – ausschließlich das Hamburger Ensemble um die vor Wochenfrist 70 Jahre alt gewordene Ausnahmeschauspielerin Barbara Nüsse trägt und prägt diesen Abend, mit vielen Stärken und einigen Schwächen. Das ist gut so; zuweilen sah es ja so aus, als könne Gotscheff nur noch mit der eigenen Entourage arbeiten.
Weniger erfreulich ist die zweite Vorbemerkung – wenn das Thalia Theater mit dem Hinweis auf "Müllers Spätwerk" für "Leeres Theater" wirbt, dann ist das natürlich frech gemogelt. Noch "Der Auftrag", 1980 geschrieben, wird genutzt; Gotscheffs Müller-Mix um-geht eigentlich nur die frühen, noch der Sphäre von Arbeit und Produktion in der DDR zugedachten Müller-Stücke.
Das "dramatische Spätwerk" gibt’s ja auch gar nicht – wie sehnsüchtig wartete die Nach-Wende-Republik auf Müllers Stück zurzeit – aber heraus kam nur, ein halbes Jahr vor dem Tod, "Germania 3 – Gespenster am Toten Mann". Der "Tote Mann" war eine umkämpfte Anhöhe im Ersten Weltkrieg, und durch Müllers deutsche Kriegsfantasie spukten auch Stalin und Hitler in launigem Palaver.
Oda Thormeyer und Patrycia Ziolkowska spielen das in Hamburg an den Kneipentischchen im Foyer und mit angeklebten Bärten; eine Clownsszene nach Chaplin-Manier wird aber nicht draus.
Wie überhaupt aus vielen Spielansätzen nicht wirklich was wird – wenn etwa Sebastian Rudolph Müllers Text "Ajax zum Beispiel" (in dem es wie so oft ums Nicht- oder Nicht-mehr-Schreiben-Können geht) mit immer neuen Falschbetonungen durch die Ulkmaschine nudelt.
Etwas später albert sich der Text gar vom Umsturz hin zur Viehzucht.
Jaja, die Mutterkuh – Müller, daran erinnern sich Zeitzeugen und Wegbegleiter mit großem Vergnügen, war im Privaten, im Alltag ein grandioser, sehr abgründiger Witzereißer; in Hamburg bleibt davon kaum mehr als Werbepoesie – von "Alles Müller oder was?" bis zum "weißen Wirbelwind" von (genau!) "Ajax".
Große Momente gibt’s, natürlich – mit Barbara Nüsse samt Tischfeuerwerkchen hinter einem Minimodell vom Brandenburger Tor sowie dem Müller-Text über "Mommsens Block" als langem Solo; und mit Alexander Simon kommt auch der legendäre "Mann im Fahrstuhl" (aus dem 'Auftrag') stark ins Spiel ...
Aus dem Fahrstuhl auf der Karrierereise zum Chef direkt in die Dritte Welt geworfen zu sein – das bleibt ein grandioser Spielentwurf, und ganz von heute. Von heute ist auch das verzweifelte Ende:
Andere Bausteine bleiben hohl und fahl; und generell nimmt sich der lange Abend mit dem Ensemble an zusammengeschobenen Tischen manchmal wie eine Leseprobe aus. Das aber ist zu wenig, viel zu wenig – wer Müller vor’m Museum retten will (und das will Gotscheff wie keiner sonst), müsste wieder lernen, Müller und mit Müller zu spielen.
Weniger erfreulich ist die zweite Vorbemerkung – wenn das Thalia Theater mit dem Hinweis auf "Müllers Spätwerk" für "Leeres Theater" wirbt, dann ist das natürlich frech gemogelt. Noch "Der Auftrag", 1980 geschrieben, wird genutzt; Gotscheffs Müller-Mix um-geht eigentlich nur die frühen, noch der Sphäre von Arbeit und Produktion in der DDR zugedachten Müller-Stücke.
Das "dramatische Spätwerk" gibt’s ja auch gar nicht – wie sehnsüchtig wartete die Nach-Wende-Republik auf Müllers Stück zurzeit – aber heraus kam nur, ein halbes Jahr vor dem Tod, "Germania 3 – Gespenster am Toten Mann". Der "Tote Mann" war eine umkämpfte Anhöhe im Ersten Weltkrieg, und durch Müllers deutsche Kriegsfantasie spukten auch Stalin und Hitler in launigem Palaver.
Oda Thormeyer und Patrycia Ziolkowska spielen das in Hamburg an den Kneipentischchen im Foyer und mit angeklebten Bärten; eine Clownsszene nach Chaplin-Manier wird aber nicht draus.
Wie überhaupt aus vielen Spielansätzen nicht wirklich was wird – wenn etwa Sebastian Rudolph Müllers Text "Ajax zum Beispiel" (in dem es wie so oft ums Nicht- oder Nicht-mehr-Schreiben-Können geht) mit immer neuen Falschbetonungen durch die Ulkmaschine nudelt.
Etwas später albert sich der Text gar vom Umsturz hin zur Viehzucht.
Jaja, die Mutterkuh – Müller, daran erinnern sich Zeitzeugen und Wegbegleiter mit großem Vergnügen, war im Privaten, im Alltag ein grandioser, sehr abgründiger Witzereißer; in Hamburg bleibt davon kaum mehr als Werbepoesie – von "Alles Müller oder was?" bis zum "weißen Wirbelwind" von (genau!) "Ajax".
Große Momente gibt’s, natürlich – mit Barbara Nüsse samt Tischfeuerwerkchen hinter einem Minimodell vom Brandenburger Tor sowie dem Müller-Text über "Mommsens Block" als langem Solo; und mit Alexander Simon kommt auch der legendäre "Mann im Fahrstuhl" (aus dem 'Auftrag') stark ins Spiel ...
Aus dem Fahrstuhl auf der Karrierereise zum Chef direkt in die Dritte Welt geworfen zu sein – das bleibt ein grandioser Spielentwurf, und ganz von heute. Von heute ist auch das verzweifelte Ende:
Andere Bausteine bleiben hohl und fahl; und generell nimmt sich der lange Abend mit dem Ensemble an zusammengeschobenen Tischen manchmal wie eine Leseprobe aus. Das aber ist zu wenig, viel zu wenig – wer Müller vor’m Museum retten will (und das will Gotscheff wie keiner sonst), müsste wieder lernen, Müller und mit Müller zu spielen.