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Hollands Sportler gegen Homophobie

Bei der Gay Pride Parade am 3. August auf den Amsterdamer Grachten wird erstmals die niederländische Fußballnationalmannschaft mit einem eigenen Boot dabei sein. Mit Aktionen wie dieser versuchen die Niederlande, der wachsenden Homophobie entgegenzuwirken.

Von Kerstin Schweighöfer | 22.07.2013
    Sie sind schrill, bunt und schräg: die Boote der weltberühmten Schwulenparade auf den Amsterdamer Grachten. Im letzten Jahr war zum ersten Mal ein Boot mit Vertretern der türkischen Gemeinschaft in den Niederlanden dabei, um ein Zeichen für mehr Toleranz und Akzeptanz zu setzen.

    Nun folgt der nächste Tabubruch - und zwar mit dem niederländischen Fußballverband KNVB: Nationaltrainer Louis van Gaal und KNVB-Vorsitzender Michael van Praag werden auf einem speziellen Fußballboot an der Parade teilnehmen. Homo- und Lesbenvereinigungen sprechen von einem Meilenstein. Welche Nationalspieler mit an Bord sein werden, ist noch offen. Aber, so KNVB-Sprecherin Marloes van der Laan: Das Boot wird voll sein!

    Das Fußballboot ist Teil eines Aktionsprogramms, um die "Homo-Akzeptanz", wie die Niederländer es kurz und bündig nennen, auch im Sport zu vergrößern. "Voetbal voor iedereen" heißt es, Fußball für alle - also auch für Lesben und Schwule.

    Bislang jedoch ist Homosexualität auch in der niederländischen Fußballwelt nach wie vor ein großes Tabu – und "Homo" in den Stadien das meistgebrauchte Schimpfwort:

    Um der Homophobie im Sport einen Riegel vorzuschieben, hat der KNVB Vertrauenspersonen eingestellt, an die sich homosexuelle Sportler wenden können. Es gibt Workshops für Amateurclubs, und an den niederländischen Fußball-Akademien steht nun auch Homosexualität auf dem Stundenplan. "Wir wollen ein Klima schaffen", so KNVB-Sprecherin van der Laan , "in dem unser homosexueller Nachwuchs sich zu outen wagt".
    Auch sämtliche Schulen sind seit letzten Dezember verpflichtet, Aufklärungsunterricht über Homosexualität zu geben. Denn auch wenn der Polderstaat das Image hat, besonders offen und tolerant zu sein: 40 Prozent der homosexuellen Jugendlichen in den Niederlanden müssen sich diskriminieren und ausschimpfen lassen. Das ergab im Mai die Umfrage eines Politmagazins.

    60 Prozent wagen es erst gar nicht, sich zu outen – auch nicht in Amsterdam. Selbst prominente Schwule wie Starfotograf Erwin Olaf würden sich nicht mehr trauen, Hand in Hand mit ihrem Partner über die Amsterdamer Kalverstraat zu schlendern, weiß die Dezernentin für Minderheiten, Andrée van Es.

    Schwule, die körperlich angegriffen, lesbische Mädchen, die belästigt werden, homosexuelle Pärchen, die umziehen müssen, weil sie die Schikanen der Nachbarn nicht mehr aushalten: Dezernentin van Es hat das alles wiederholt mitgemacht. "Anspruch und Wirklichkeit stimmen bei uns nicht mehr überein", sagt sie:

    "Wir haben die Latte hoch zu legen, aber wir sind bequem geworden. Dabei können wir es uns nicht leisten, uns auf unseren Lorbeeren auszuruhen und zu denken, dass so etwas bei uns nicht mehr passiert. Es kommt öfter vor, als wir denken."

    Die Dezernentin sieht die Hauptursache in der allgemeinen Verrohung des Umgangs. Jedenfalls liege es keinesfalls allein am Zustrom muslimischer Immigranten. Auch die niederländischen Christen tun sich schwer mit der Homo-Akzeptanz.

    Das zeigt sich besonders, wenn es um die Eheschließung geht. Obwohl die Niederländer 2001 die Ersten waren, die es Schwulen und Lesben ermöglicht haben zu heiraten. Aber das Phänomen der sogenannten weiger-ambtenaren war lange Zeit ein Problem: Standesbeamte, die sich weigern, Homosexuelle zu trauen, weil sie es nicht mit ihrem Gewissen oder Glauben vereinbaren können.

    Das Abgeordnetenhaus hat nun Ende Mai ein Gesetz verabschiedet, das sie dazu verpflichtet. Die christlichen Abgeordneten waren bis zuletzt vehement gegen das Gesetz und bezeichneten es als intolerant: Niemand dürfe gezwungen werden, gegen seine Überzeugung zu handeln. Aber sie waren in der Minderheit.

    Wer gegen die gleichgeschlechtliche Ehe sei, dürfe eben auch nicht Standesbeamter werden wollen, so Gerard Schouw von der linksliberalen D66-Partei, die das Gesetz initiiert hatte. Der Staat habe neutral zu sein – und damit auch seine Beamten.