Hier soll es gebaut werden, das nationale Holocaustmonument, erklärt ein alter Mann, der auf einem Grünstreifen mit Bäumen gerade seinen Hund spazieren führt. Genau hier, auf diesem Teilstück der Weesperstraat, zwischen zwei Grachten, mitten im jüdischen Viertel von Amsterdam. Seinen vollen Namen will der 67 Jahre alte Rentner lieber nicht nennen, nur, dass er Rudolf heiße - und zu den Gegnern dieses Projekts gehöre.
Ein Mahnmal aus 102.000 Backsteinen soll Stararchitekt Daniel Libeskind hier errichten. Ein Backstein für jedes niederländische Holocaust-Opfer, mit eingravierten Namen. Von oben betrachtet sollen die Backsteinmauern die vier hebräischen Buchstaben des Wortes "Gedenken" bilden. Ein "Labyrinth aus Namen", so Daniel Libeskind, fast 400 Meter lang und bis zu sieben Meter hoch.
Monument sollte schon lange fertig sein
Rentner Rudolf kann darüber nur den Kopf schütteln:
"Ich bin absolut nicht antisemitisch, das hat damit nichts zu tun. Ich habe eine jüdische Freundin, die ist auch vehement dagegen, weil dieses Monument viel zu kolossal für diesen kleinen Ort ist! Und weil diese Grünzone hier dann verschwinden muss! Wir haben schon so wenig Grün in Amsterdam!"
Die 24 Bäume hätten eigentlich schon längst gefällt werden sollen. Doch das haben die Gegner mit einer einstweiligen Verfügung verhindert. "Unbegreiflich!" so Jacques Grishaver, Initiator des Projekts und Vorsitzender des niederländischen Auschwitz-Komitees:
"Wenn das so weitergeht, sind bis zur Realisierung dieses Projekts alle Angehörigen der Opfer tot!"
Denn eigentlich sollte das Mahnmal schon seit mehr als zehn Jahren stehen. Allerdings etwas weiter nordöstlich, in einem kleinen Park. Dort jedoch befindet sich bereits ein Denkmal, das Auschwitz-Monument des niederländischen Künstlers Jan Wolkers. Das würde durch das kolossale Libeskind-Mahnmal regelrecht erdrückt werden, fanden die dortigen Anwohner - und leisteten erfolgreich Widerstand, worauf ein neuer Standort gesucht wurde: die Weesperstraat. Mit dem bekannten Ergebnis: Auch dort begannen die Anwohner zu protestieren - zur großen Enttäuschung von Architekt Daniel Libeskind: In einer Zeit von zunehmendem Antisemitismus und Rassismus dürfe die Judenverfolgung nicht vergessen werden. Hier werde versucht, die Erinnerung auszulöschen - und ohne Erinnerung, so Daniel Libeskind, gebe es keine Zukunft. Aber, so stellt Petra Catz klar, Mahnmal-Gegnerin und Vorstandsvorsitzende der Anwohnervereinigung des Viertels:
"Wir sind nicht gegen das Denkmal - wir sind gegen den Ort und die Art und Weise, wie das Projekt zustande kam."
Juristische Spitzfindigkeiten
Es gehe zwar um eine private Initiative, so die Mahnmalgegner - aber eben im öffentlichen Raum, realisiert mit öffentlichen Mitteln: Stadt und Regierung wollen den größten Teil der Baukosten - insgesamt 14,6 Millionen Euro - übernehmen. Hätten die Anwohner da nicht stärker einbezogen werden müssen? Verlangt das EU-Recht in einem solchen Fall nicht das Ausschreiben eines Wettbewerbs - so wie in Berlin, wo Wettbewerbssieger Peter Eisenman schließlich das "Denkmal für die ermordeten Juden Europas" bauen durfte?
Eine Antwort auf diese Fragen gibt Ende Mai der Richter in einem weiteren Verfahren, das die Mahnmalgegner eingeleitet haben. Bis dahin müssen die 24 Bäume auf dem Grünstreifen an der Weesperstraat stehen bleiben. Und bis dahin übt sich Initiator Jacques Grishaver vom niederländischen Auschwitz-Komitee in Optimismus und Geduld: Amsterdam werde das Holocaust-Mahnmal von Daniel Libeskind bekommen - da ist er sich ganz sicher.